Название | Interstate |
---|---|
Автор произведения | Robert Lang |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753184258 |
Er ging wieder ins Zimmer, hängte das Bitte-Nicht-Stören-Schild von außen an die Tür, betrieb Katzenwäsche, legte sich auf das breite Bett und war Minuten später eingeschlafen.
In dieser Nacht träumte er von Tieren mit langen Tentakeln, die sich im Gegensatz zu Oktopussen auch an Land bewegen konnten. Aber die Biester waren nicht hinter ihm, sondern hinter seinen beiden Mädchen her, und er rannte und rannte, um sie zu retten, aber er rannte nur auf der Stelle und konnte sie nicht erreichen.
An diesen Traum sollte er sich erst im Laufe des Tages erinnern, denn er wurde abgelöst von einem anderen Szenario, einem Leuchtturm, dessen kreisende Scheinwerfer ihn alle paar Sekunden anstrahlten, um ihn gleich darauf wieder in die Dunkelheit zu entlassen. Dabei dachte er unablässig an Fort Stockton in Texas. Immer wieder, nach jeder Umdrehung, die das Licht vollführte, kam eine Stimme aus dem Off und sagte Fort Stockton, Texas.
Was zum Teufel…?!
Er setzte sich ruckartig auf und stellte fest, dass er seine Bettdecke mit den Füßen weggestrampelt hatte.
Fort Stockton in Texas gab es tatsächlich, er hatte dort auf einer seiner früheren Touren einmal eine Panne gehabt; sein rechter Hinterreifen war geplatzt und ein freundlicher Polizist hatte ihm dabei geholfen, das Reserverad zu montieren.
Aber was hatte das mit ihm und seiner derzeitigen Lage zu tun? Es fiel ihm nicht ein. Wahrscheinlich funkte sein überfordertes Gehirn auf allen verfügbaren Kanälen irgendwelches wirre Zeug, und dieser Traum war nur ein Ausdruck davon.
Zwei Stunden später duschte er, machte Kaffee, suchte seine wenigen Habseligkeiten zusammen und verließ sein Zimmer. Es war nichts von irgendwelchen Verfolgern zu sehen. Welche Gestalt würden sie haben, wenn sie ihn holen kamen? Wieviel Macht besaßen sie, wenn sie in Deutschland zwei Menschen ermordeten und danach cool genug blieben, ihn einfach weiter zu verfolgen und seine Wohnung zu verwüsten, anstatt schleunigst das Weite zu suchen?
Und dann, als er den Wagen anließ, um rückwärts aus seiner Parklücke zu stoßen, kam es wieder.
Fort Stockton!
Er war kein großer Traumdeuter, aber er wusste, dass Träume häufig einen Bezug zur Realität hatten; oft waren sie verschlüsselt und geheimnisvoll, gelegentlich aber auch klar und leicht zu verstehen.
Er hatte sich entschlossen, noch eine Zeitlang auf der I-95 in Richtung Norden zu bleiben, um vorläufig noch keine weiterreichenden Entscheidungen treffen zu müssen. Er war acht Stunden vor Washington, D.C., zwölfeinhalb vor New York City. Er hatte in beiden Städten nichts verloren, er hatte nur in Frankfurt am Main etwas zu erledigen, aber das sollte ihm vorläufig verwehrt bleiben. Vielleicht sogar für eine sehr lange Zeit, für drei Jahre, oder dreißig, oder so.
Fort Stockton!!??
Verdammt!
7 Bei Lubumbashi, Demokratische Republik Kongo
Adrian Livingstone Kalemba hatte genauso lange einen guten Tag, bis er erfuhr, dass in Deutschland etwas schiefgelaufen war, etwas, das seine Pläne durchkreuzen konnte, wenn nicht schnell Abhilfe gefunden wurde.
Die Bankanleihen (mühevoll und in Raten in Sambia und Südafrika gegen Edelsteine aus seiner eigenen Mine eingetauscht) und das Bargeld, seine gesamten flüssigen Mittel, hatte er aufgebraucht, um die erste Rate von zehn Prozent für eine große Waffenlieferung bezahlen zu können; Waffen, die eine immense Bedeutung hatten für seinen revolutionären Kampf gegen die korrupten Banditen in der Hauptstadt Kinshasa.
Und dieses Geld sollte jetzt einfach weg sein, gestohlen von einem Mann, der nichts mit dem ganzen Geschäft zu tun hatte? Er war beinahe überzeugt davon, dass ihn seine Geschäftspartner betrogen, auch wenn der Vermittler in Wien, der ihn vor einer Stunde angerufen hatte, beteuerte, dass alles seinen geplanten Gang gehe und man den Flüchtigen bald genug schnappen werde. Es sei nur eine Frage von Stunden oder Tagen.
Adrian würde es erst glauben, wenn er es sah. Diese Leute konnten einfach mit seinem schönen Geld verschwinden, und er konnte nichts dagegen tun, außer wieder von vorn zu beginnen.
Adrian war in der dünn besiedelten, ehemaligen Provinz Katanga, etwa einen Tagesmarsch entfernt von dessen Hauptstadt Lubumbashi, geboren und aufgewachsen - allerdings nur so lange, bis es in der Region wieder wie so oft zu exzessiver Gewalt gekommen war und seine Familie fliehen musste.
Bis dahin hatte er eine Missionsschule besucht, die von belgischen Dominikanermönchen unterhalten wurde, Männer des Glaubens und des Wortes, die das Weite suchten, als in der Region wieder Tag für Tag und Nacht für Nacht geschossen wurde. Ihr Leben war ihnen wichtiger als ihre Mission, und das konnte er heute verstehen, auch wenn er damals zutiefst enttäuscht gewesen war.
Die begonnene Ausbildung sollte ihn dazu befähigen, dass er in Kinshasa studieren und es dort zu etwas bringen konnte, und dass er damit auch der Familie (und dem ganzen Dorf) helfen würde, ihrer bitteren Armut zu entkommen. Mit der Abreise der Mönche und der anschließenden Flucht seines Clans war dieses Thema erledigt, und er hatte in der Anfangszeit oft des Nachts deshalb geweint.
Die Jahre vergingen, und er war ein mürrischer, gegen seine Geschwister oft aufbrausender Junge geworden, der sich in ihrer kleinen Gemeinde nicht zurecht fand und der von großen Taten träumte, die er eines Tages vollbringen wollte.
Mit Kleinigkeiten hielt er sich dabei nicht lange auf, und je älter er wurde, desto kühner waren auch seine Pläne.
Und da er anders als seine Geschwister nie am Fluss Wasser holte oder auf dem mühsam gerodeten Acker half, der sie ernährte, wurde es bald sehr einsam um ihn; denn wer wollte schon seine Prahlereien hören, mit denen er ankündigte, dass er einmal Präsident (oder sogar König) der Demokratischen Republik Kongo sein werde, und er jeden umbringen wollte, der sich ihm in den Weg stellte. Sie widersprachen ihm nicht sehr lange, weil er schnell jähzornig wurde, aber hinter seinem Rücken nannten sie ihn einen Spinner, von dem man sich am besten fernhielt. Er wiederum wusste, dass sie ihn so nannten, aber es war ihm egal.
Als er siebzehn war, hatte er schon bei dem ein oder anderen regionalen Scharmützel mitgekämpft; es wurde im Osten Kongos fast immer um Diamantminen und seltene Metalle gerungen; wer gewann, kontrollierte sie und konnte sie ausbeuten; er war meistens auf der Seite derer, denen er die besten Siegeschancen gab, auch wenn ihn sein Instinkt dabei gelegentlich im Stich ließ und er dem falschen Warlord hinterher lief.
Eine seiner falschen Entscheidungen hatte dazu geführt, dass er heute nur noch einen Arm besaß, weil ihm ein ruandischer Hutu den anderen mit einer Machete blitzsauber über dem Ellbogen abgetrennt hatte.
Dieses neue Handicap war eine schwere Prüfung für ihn gewesen. Er konnte - amputiert, wie er nunmehr war - in sein Dorf zurückkehren, um sich vor den Leuten zu blamieren, die ihn schon früher verspottet hatten. Dort wäre er als Mann wertlos, aber sie würden ihn zumindest leben lassen.
Eine Frau zu heiraten konnte er als Krüppel kaum erwarten, soweit reichte das Mitgefühl des Stammes nicht; wer nicht für eine Familie aufkommen konnte, der sollte auch keine gründen. Der Kodex des Stammes ließ dabei weder Spielraum noch Ausnahmen zu.
Weil er nicht kämpfen konnte, lernte er zu beschaffen und zu verhandeln. Mal auf dieser, mal auf der anderen Seite stehend erwarb er trotz seines finsteren (und oft genug bösartigen) Wesens binnen weniger Jahre das Wissen, das es brauchte, um Konflikte mit oder ohne Blutvergießen zu lösen. Es war diese Fähigkeit, die ihn dazu befähigen würde, die hunderte von Völkern des Kongo, mit hunderten von Sprachen und Idiomen, unter einer Fahne zu vereinen.
Verhandeln, drohen, erpressen, und nur wenn nötig kämpfen; was vor ein paar Jahren mit einem kleinen Trupp von vierzig Gefolgsleuten begonnen hatte, stand jetzt in voller Blüte: Auf sein Kommando hörten sechzigtausend Mann, und bald sollten sie allesamt bewaffnet sein (wenn diese weißen Bastarde ihr Wort hielten).
Die