Название | Der Nagel |
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Автор произведения | Rainer Homburger |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738043747 |
»Und dabei geht es uns ja noch recht gut«, ergänzte Carl. »Wenn ich daran denke, was die deutsche Bevölkerung zu Essen bekommt und was die jeden Tag leisten muss. Deutlich ruhiger und entspannter geht es zum Glück in Altdöbern zu. Wir versuchen, den größten Teil unserer Arbeit auch von dort aus zu erledigen.«
»Altdöbern? Ist das nicht das Schloss außerhalb von Berlin, das dein Vater letztes Jahr für die schwedische Regierung gemietet hat?«
»Ja. Im Gegensatz zur Hauptstadt ist das fast schon ein Paradies.«
Björn fuhr einem langsameren Wagen nahe auf, dadurch musste er sich wieder mehr auf den Verkehr konzentrieren. Er beobachtete die entgegenkommenden Fahrzeuge und wartete auf eine Lücke, in der er den Peugeot überholen konnte.
Björn fühlte sich wohl in seinem Job. Neben einer Vielzahl von unterschiedlichen Tätigkeiten, für die er herangezogen wurde, war eine seiner Hauptaufgaben die Fahrtätigkeit für Regierungsangehörige. Er fuhr unheimlich gerne schnelle Wagen, und da er sich kein eigenes Auto leisten konnte, genoss er diese Fahrtätigkeit ganz besonders. Seine Vorliebe, das Gaspedal recht weit durchzudrücken brachte ihn wiederholt in Konflikt mit der Polizei, doch konnte er von Glück sagen, dass er als Mitarbeiter der Regierung in allen Fällen mit einer mündlichen Verwarnung davongekommen war. Bis jetzt zumindest.
Björn erkannte eine größere Lücke im abnehmenden Gegenverkehr und setzte zum Überholen an. Fast gleichzeitig scherte der Mercedes aus und nutzte die Gelegenheit, ebenfalls an dem Peugeot vorbeizuziehen und hinter ihnen einzufädeln.
Da fährt ja noch einer so schlimm wie ich, dachte Björn, beachtete das dunkle Fahrzeug aber nicht weiter.
»Und wie geht‘s dir mit der Kleinen? Hast du sie schon?«
Carl sah im Rückspiegel ein breites Grinsen und wusste genau, worauf er hinauswollte.
»Ach, du meinst sicher Margit. Wir verstehen uns ganz gut.« Carl wollte dieses Thema nicht weiter vertiefen. Björn war, im Gegensatz zu ihm, ein Schürzenjäger und nutzte seinen Job bei der Regierung gelegentlich, um sich bei den Frauen hervorzutun, was ihm in einzelnen Fällen durchaus schon mal einen Vorteil eingebracht hatte. Unabhängig davon aber war er ein Freund, auf den man sich in jeder Situation verlassen konnte.
Sie fuhren jetzt auf der gut ausgebauten Straße Richtung Stockholm und Björn beobachtete im Rückspiegel den Mercedes, der ungewöhnlich dicht hinter ihnen fuhr.
»Jetzt geh doch schon vorbei«, sagte er zu sich selbst und beobachtete den dunklen Wagen weiter. Carl saß auf dem Rücksitz und hatte die undeutlichen Worte von Björn gar nicht wahrgenommen. Er betrachtete die vertraute Umgebung und war in Gedanken schon daheim.
Selbst Björn, der die sportliche Fahrweise jeder anderen vorzog, wurde langsam nervös. So dicht fuhr ja nicht einmal er auf, auch wenn er noch so spät dran war. Er beschleunigte und behielt im Wechsel die Fahrbahn, den Tacho und den Rückspiegel im Auge. Der Mercedes blieb weiter hinter ihnen und machte keine Anstalten, sie zu überholen. Im Gegenteil. Björn hatte das Gefühl, dass er seiner Stoßstange immer näherkam.
»Was ist denn mit dem ...«
Die Räder und Scheinwerfer des Mercedes verschwanden aus dem Sichtfeld des Rückspiegels und gleich danach bekam Carl einen Schlag in den Rücken, der seinen Kopf nach hinten warf und ihn jäh aus seinen Gedanken riss. Das Kreischen aufeinander schiebender und verbiegender Metallteile erfüllte die Luft.
»Was ist los?«, schrie Carl und streckte reflexartig beide Arme aus, um sich an den Seitentüren abzustützen.
»Der Idiot hinter uns«, hörte Carl Björn schreien, dann bekam er einen zweiten, nicht minder heftigen Schlag in den Rücken. Er rutschte auf dem Rücksitz umher und langte mit seiner rechten Hand nach dem Beifahrersitz, um sich dort festzuhalten.
Björn hielt das Lenkrad eisern fest und versuchte, durch eine höhere Geschwindigkeit einen Abstand zwischen ihnen und dem Mercedes zu bringen. Doch der Mercedes hielt mühelos mit und Björn sah im Rückspiegel einen erneuten Versuch auf sie zukommen, sie durch einen Stoß zum Schlingern und damit von der Straße abzubringen.
»Achtung«, schrie Björn, um Carl vorzuwarnen, der mittlerweile die Lehne des Beifahrersitzes fest umklammerte.
Heftiger als zuvor rammte sie der Mercedes erneut. Wieder kreischte Metall und das Klirren von Glas war zu hören. Björn hatte große Mühe, den Wagen unter Kontrolle zu halten und nur seiner Erfahrung und ganzem fahrerischen Können war es zu verdanken, dass sie bei dieser Geschwindigkeit nicht von der Straße schossen.
»Verdammt nochmal, was ist da los? Will der uns umbringen? Wir müssen anhalten«, schrie Carl.
»Wenn ich bremse, fährt der uns wieder drauf.« Björn umklammerte mit beiden Händen das Steuer und konzentrierte sich im schnellen Wechsel der Augen auf die Straße und den Rückspiegel. Die Bäume am Straßenrand flogen an ihnen vorbei und eine Kollision mit ihnen würde bei dieser Geschwindigkeit das Auto in viele Stücke zerreißen. Björns Griff verstärkte sich weiter, als er den dunklen Wagen erneut auf sie zukommen sah. Ein Scheinwerfer des Mercedes fehlte, ansonsten sah er noch recht unbeschädigt aus. Kurz bevor der Mercedes wieder mit Björns Wagen kollidierte, scherte er aus und setzte sich neben sie.
Fassungslos sah Carl in das andere Fahrzeug, Björn warf nur einen flüchtigen Blick rüber. Er musste sich auf die Straße konzentrieren.
In dem Mercedes saßen zwei Männer und Carl meinte ein Grinsen im Gesicht des Beifahrers zu erkennen, als der Wagen sich ihnen von der Seite näherte. Der Mann hatte einen schwarzen Hut auf, dessen Schatten den Blick auf seine Augen verwehrte. Er zog für einen Moment die Mundwinkel nach oben. Mit einer schnellen Bewegung riss der Fahrer des Mercedes das Lenkrad nach rechts und mit einem lauten Knall verkeilten sich die beiden Fahrzeuge auf der gesamten Länge ineinander. Björn versuchte durch Drehen des Lenkrads nach links dagegen und so den Wagen auf seiner Straßenseite zu halten. Doch der Mercedes war deutlich schwerer und schob ihn langsam aber sicher an den unbefestigten Rand der Fahrbahn.
»Scheiße, ich kann ihn nicht auf der Straße halten«, stieß Björn hervor und versuchte mit aller Kraft gegenzusteuern. Carl stand der Mund offen, er starrte entsetzt in den anderen Wagen. Scheinbar unberührt von dem Ganzen sah der Beifahrer noch immer zu ihnen und Carl hatte den Eindruck, dass sein Grinsen stärker wurde.
»Festhalten«, rief Björn und zog plötzlich nach rechts. Er wollte damit die beiden Fahrzeuge auseinanderbringen. Dadurch, dass er nun in die gleiche Richtung wie der Mercedes steuerte, gerieten sie noch schneller an den Fahrbahnrand.
»Was machst du da?«, schrie Carl und sah die Bäume am Straßenrand auf sie zukommen.
Mit einem Ruck lösten sich die Fahrzeuge voneinander. Björn riss sofort das Lenkrad wieder nach links. Das Heck ihres Wagens fing bedrohlich an zu schlingern, doch bevor das zu stark wurde, krachte ihr Fahrzeug in die Beifahrerseite des Mercedes zurück. Die beiden Männer in dem dunklen Wagen wurden von dem Manöver überrascht und es gelang Björn, den Mercedes wieder zur Fahrbahnmitte zu drängen. Doch der Fahrer hielt sofort dagegen und nur ein paar Sekunden später hatte er sie wieder an den Fahrbahnrand zurückgeschoben.
Björn trat auf die Bremse in der Hoffnung, sich so zu lösen und im besten Fall sogar anhalten zu können. Dadurch rutschte sein Fahrzeug etwa einen Meter nach hinten, dann hing er wieder fest. Die Geschwindigkeit der beiden hatte sich nur unmerklich verringert, gegen den schweren Mercedes war einfach nicht anzukommen.
Ihr Volvo fing an zu holpern. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die rechten Räder die Fahrbahn verlassen hatten und bereits über den unbefestigten Randstreifen rollten.
»Ich kann nichts ...«, hörte Carl Björn noch rufen, dann zog es den PV 51 wie von Geisterhand nach rechts weg. Er löste sich vom Mercedes und schoss über eine Erhebung auf dem Grünstreifen. Der Wagen hob ab und Carl sah einen dicken Baum auf sie zukommen.