Rebeccas Schüler. Tira Beige

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Название Rebeccas Schüler
Автор произведения Tira Beige
Жанр Языкознание
Серия Rebeccas Schüler
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754176450



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sei­nen Ruck­sack ab und ließ sich auf die Bank nie­der.

      Rebecca blick­te in ihre Un­ter­la­gen. Sie woll­te nach­se­hen, wel­che Fra­gen sie ih­rem Schü­ler un­be­dingt stel­len muss­te. Li­nus dreh­te sei­nen Ober­kör­per leicht in ihre Rich­tung.

      »Er­zähl mir, wie du an die­se Schu­le ge­kom­men bist. Du bist im­mer­hin ein Jahr äl­ter als dei­ne Mit­schü­ler.«

      »Ich kom­me ur­sprüng­lich nicht aus die­ser Stadt. Mei­ne Fa­mi­lie wohnt gute hun­dert Ki­lo­me­ter weg. Ich habe in mei­ner al­ten Hei­mat die zehn­te Klas­se mit ganz pas­sablen No­ten ab­ge­schlos­sen.«

      »Und da woll­test du das Ab­itur nach­ho­len, oder wie?«

      »In der Grund­schu­le war ich in ei­nem Hand­ball-Ver­ein. Ich habe wahn­sin­nig gern Hand­ball ge­spielt, müs­sen Sie wis­sen. Vie­le Kin­der ka­men und gin­gen. Ich war ir­gend­wie im­mer in die­sem Ver­ein ak­tiv, vie­le vie­le Jah­re lang. Mit je­der Trai­nings­stun­de ver­bes­ser­te ich mich. Das gab mir un­glaub­lich Selbst­ver­trau­en. Ir­gend­wann kam der Trai­ner auf mich zu und mein­te, dass er mehr in mir sieht. Er sag­te, wenn ich wei­ter übe, wür­de ich es noch weit brin­gen mit dem Sport. Er er­kann­te, dass ich sehr ehr­gei­zig war. In der Schu­le hat­te ich da­mals kei­ne be­son­ders gu­ten No­ten. Ich schwamm im­mer im Mit­tel­feld mit, aber es gab kein Fach, in dem ich be­son­ders gut war. Sport al­ler­dings habe ich schon im­mer gern ge­macht, ob­wohl es ei­ni­ge Jun­gen gab, die bes­ser wa­ren als ich. Als mich der Trai­ner un­se­res Ver­eins ge­lobt hat, war es das ers­te Mal, dass mir je­mand ein Kom­pli­ment ge­macht hat, das sich auf den Sport be­zog. Ich war mega stolz auf mich. Also dach­te ich: Mach was aus dei­ner Lei­den­schaft und stu­die­re Sport! Da­für reich­te aber der Re­al­schul­ab­schluss nicht aus. Also habe ich mich nach der zehn­ten Klas­se hier be­wor­ben und wur­de ge­nom­men. Die Auf­nah­me­prü­fung war schwer. Da wur­den Dis­zi­pli­nen ab­ge­prüft, die mir nicht so lie­gen. Sprint zum Bei­spiel ist gar nicht meins.« Li­nus senk­te den Kopf und starr­te auf die aus­ge­dörr­te Erde zu sei­nen Fü­ßen. Mit den Turn­schu­hen zeich­ne­te er Krei­se in den tro­ckenen Sand.

      »Aber nun bist du ja hier«, lä­chel­te Rebecca ihn an. Li­nus hob sein Ge­sicht und blick­te sie an. Da lag et­was in sei­nen grü­nen Iri­den, das sie nicht er­grün­den konn­te.

      »Ich bin nach der Schu­le um­ge­zo­gen, im In­ter­nat un­ter­ge­kom­men und muss­te die zehn­te Klas­se wie­der­ho­len. Seit­dem ken­ne ich auch Ce­d­ric.« Ein dunk­ler Schat­ten leg­te sich um sei­ne Au­gen. Zu­min­dest glaub­te Rebecca, eine kur­ze Re­ak­ti­on, ein Zu­cken um sei­ne Au­gen­par­tie, wahr­ge­nom­men zu ha­ben.

      Da er die An­deu­tung selbst gab, bohr­te Rebecca wei­ter nach. »Wie ist dein Ver­hält­nis zu ihm?«

      Er hielt kurz inne, dann frag­te Li­nus: »Bleibt das Ge­spräch un­ter uns?«

      Sie nick­te. Das gab ihm das nö­ti­ge Ver­trau­en, um wei­ter­zu­spre­chen: »Als ich in nach mei­nem Ab­schluss her­kam, war Ce­d­ric der Schwarm der Mäd­chen. So­wohl in un­se­rer Klas­se als auch in der Stu­fe. Ich glau­be, dass ihn auch man­che Acht- oder Neunt­kläss­le­rin an­ge­schmach­tet hat.« Der Neid zer­fraß ihn. »In un­se­rer Klas­se gab es noch elf an­de­re Jungs, mit mir zwölf, aber Ce­d­ric war der ab­so­lu­te Star. Beim Sport war er im­mer der Bes­te, ob­wohl er an­sons­ten nicht un­be­dingt gute No­ten hat­te. Aber dazu kön­nen Sie ihn selbst be­fra­gen.«

      Rebecca hör­te in­ter­es­siert zu. Ob­wohl Li­nus sehr kon­trol­liert sprach, merk­te sie trotz­dem, dass es in dem Ju­gend­li­chen ar­bei­te­te, denn er zog die Au­gen­par­tie zu­sam­men und ver­kniff den Mund zu ei­nem dün­nen Schlitz. Sein Ge­sicht war schmal, aber nicht un­be­dingt häss­lich. Er be­saß eine ge­ra­de Nase, die ihm einen ele­gan­ten Touch ver­lieh. Sei­ne schwa­r­zen Haa­re wa­ren ak­ku­rat ge­schnit­ten. Nicht so un­ge­zähmt wie die sei­nes Mit­schü­lers. Li­nus trug ein ziem­lich auf­dring­li­ches Pa­r­fum, das Rebecca be­reits in der Dis­co un­an­ge­nehm auf­ge­fal­len war. Es stach in ih­rer Nase. Da sie nicht un­freund­lich sein woll­te, blieb sie nah ne­ben ihm sit­zen, auch wenn der pe­ne­tran­te Ge­ruch ihr zu schaf­fen mach­te.

      »Je­den­falls ließ er mich recht of­fen­sicht­lich wis­sen, dass er von mei­nen sport­li­chen Leis­tun­gen nicht viel hielt.« Li­nus press­te die Lip­pen noch fes­ter auf­ein­an­der und über­leg­te be­müht, was er preis­ge­ben woll­te. Er sprach aber nicht wei­ter.

      »Wur­dest du ge­mobbt?«, sprach Rebecca die Ver­mu­tung of­fen­siv aus.

      »Nicht di­rekt«, deu­te­te er an. »Er hat es mir nie ins Ge­sicht ge­sagt, was er von mir hält. Aber wenn ich zum Bei­spiel ge­rannt bin, hat er manch­mal selt­sa­me Ge­räu­sche von sich ge­ge­ben, ge­pfif­fen oder sich in ei­nem ganz spe­zi­el­len Ton­fall ge­räus­pert. Alle an­de­ren Jungs ha­ben mich ko­misch an­ge­glotzt. Ich den­ke, dass sie hin­ter mei­nem Rü­cken ge­läs­tert ha­ben. In der Um­klei­de­ka­bi­ne wur­de es je­den­falls im­mer still, wenn ich rein­kam.«

      Rebecca be­schloss, Ce­d­ric un­auf­fäl­lig dazu zu be­fra­gen, ohne ihr Ge­spräch mit Li­nus zu er­wäh­nen. »Re­den wir doch mal dar­über, dass ihr bei­de in ei­nem Kurs seid.«

      »Sie mei­nen, weil wir bei­de Deutsch-Leis­tungs­kurs ge­wählt ha­ben und nicht Ma­the? Nun ja, ich bin eine Nie­te in Ma­the. Von da­her war klar, dass ich nach der zehn­ten Klas­se Deutsch als Leis­tungs­kurs neh­men wer­de. Ce­d­ric hat­te ähn­li­che Pro­ble­me mit den Zah­len und Glei­chun­gen. Alle an­de­ren Jungs ha­ben sich für den Ma­the-Leis­tungs­kurs ent­schie­den. Ich habe in­stän­dig ge­hofft, im an­de­ren Deutsch-Kurs zu sein, aber das Schick­sal woll­te es, dass wir zu­sam­men­blei­ben. Hm…« Ein an­ge­spann­tes Grin­sen trat auf sein Ge­sicht.

      »Hat sich das Ver­hält­nis zwi­schen euch ge­bes­sert, als ihr in die elf­te Klas­se ge­kom­men seid?«, woll­te Rebecca wis­sen, weil Li­nus nach wie vor auf­ge­rührt wirk­te.

      »Wir wa­ren die ein­zi­gen Jun­gen im Kurs. Ir­gend­wie hat sich Ce­d­ric am ers­ten Schul­tag in der elf ne­ben mich ge­setzt. Frau Frit­sche hat ganz er­staunt ge­guckt, als sie uns auf ei­ner Bank ge­se­hen hat. Sie wuss­te na­tür­lich, dass wir kei­ne Freun­de wa­ren. Aber schein­bar hat­ten die Som­mer­fe­ri­en da­vor be­wirkt, dass Ce­d­ric ein­fach die zehn­te Klas­se ver­ges­sen hat. Er saß dort am ers­ten Tag nach den Fe­ri­en und seit­dem im­mer. Aber nur im Tu­tor­kurs. So­bald Pau­se war und er mit sei­nen Freun­den ab­hing oder wenn er mit sei­nen frü­he­ren Kum­pels zu­sam­men Un­ter­richt hat­te, war ich Luft.«

      Rebecca schwieg. Ließ nach­wir­ken, was er ihr of­fen­bar­te.

      »Hast du noch den Wunsch, Sport zu stu­die­ren?«

      »Un­be­dingt. Ich ar­bei­te sehr hart da­für, trai­nie­re im­mer flei­ßig, wenn ich nach­mit­tags im In­ter­nat bin.« In sei­ner Stim­me lag der un­be­ding­te Wil­le, sein Ziel zu er­rei­chen. Das ach­te­te Rebecca sehr. Bis­her hat­te sie ge­glaubt, in Li­nus einen we­nig ehr­gei­zi­gen Schü­ler zu fin­den. Doch er steck­te vol­ler Über­ra­schun­gen. Auch als er ihr er­zähl­te, dass er sehr gläu­big er­zo­gen wur­de und sich spä­ter eine Fa­mi­lie mit Kin­dern wünsch­te.

      »Hast du schon eine Freun­din, mit der du die­sen Plan durch­zie­hen willst?«

      Doch auch dar­auf re­a­gier­te Li­nus selt­sam in sich ver­sun­ken. »Ich hat­te