Rebeccas Schüler. Tira Beige

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Название Rebeccas Schüler
Автор произведения Tira Beige
Жанр Языкознание
Серия Rebeccas Schüler
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754176450



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weil es das ers­te Mal seit Jah­ren ist, dass ich wie­der vor Schü­lern ste­he.« Ge­mur­mel. »Ich bin vor drei Jah­ren in die­se Stadt ge­zo­gen und bin seit­dem nur Mi­ni­jobs und ei­ner An­stel­lung bei ei­ner Zei­tung nach­ge­gan­gen.« Wie­der Ge­tu­schel. »Aber ich bin stu­dier­te Leh­re­rin für Deutsch und Kunst und war an mei­ner letz­ten Schu­le auch als Klas­sen­leh­re­rin tä­tig. Lei­der zwang mich ein Um­zug dazu, mich neu aus­zu­rich­ten.«

      Bullshit, Rebecca! Nie­mand soll­te er­fah­ren, was sie wirk­lich hier­her trieb. Die Af­fä­re zu ih­rem ehe­ma­li­gen Schü­ler Elou­an muss­te un­ter al­len Um­stän­den ver­tuscht wer­den. Nie­mals soll­te ihre Ver­gan­gen­heit auf den Tisch kom­men!

      »Wenn wir uns bes­ser ken­nen, kön­nen wir gern dar­über spre­chen, wie schwie­rig es ist, ir­gend­wo neu an­zu­fan­gen. Aber heu­te nicht. Heu­te geht es dar­um, dass wir uns ein we­nig ›be­schnup­pern‹.« Rebecca zwang sich zu ei­nem Lä­cheln durch, das ihr nach wie vor schwer­fiel.

      »Ich weiß, dass wir nur ein Schul­jahr zu­sam­men ha­ben wer­den. Das reicht viel­leicht ge­ra­de aus, um als Kurs zu­sam­men­zu­wach­sen. Ich möch­te in den kom­men­den Ta­gen mit euch Ein­zel­ge­sprä­che füh­ren. Ich will her­aus­fin­den, was ihr für Men­schen seid, was ihr euch vor­ge­nom­men habt für die­ses Schul­jahr und ich will wis­sen, was ihr mit dem Abi ma­chen wollt. Ich den­ke, dass wir uns vor al­lem wäh­rend der Kurs­fahrt an­nä­hern wer­den.«

      Klang das halb­wegs si­cher? Rebecca poch­te mit den Fin­ger­kup­pen auf den Lehrer­tisch. »Okay, dann stellt euch mal vor, da­mit ich euch mit Na­men an­spre­chen kann«, bat sie, setz­te sich hin und er­stell­te einen Sitz­plan. »Gut, be­gin­nen wir bei dir hier vorn.«

      Zur Früh­stücks­pau­se ver­ließ Rebecca den Raum und stol­per­te Rich­tung Leh­rer­zim­mer, wo sie hoff­te, auf Ro­bert zu tref­fen. Schon beim Auf­schlie­ßen des Raums pras­sel­te ein laut­star­ker Schwall auf sie ein. Kol­le­gin­nen rann­ten wie auf­ge­scheuch­te Sup­pen­hüh­ner durch das Zim­mer. Ei­ni­ge sa­ßen an den Ti­schen zu­sam­men und aßen ihre mit­ge­brach­ten Früh­stücks­bro­te, wäh­rend sich ei­ner lau­ter als der an­de­re über den ers­ten Schul­tag aus­tausch­te. Auch Ro­bert war mit ei­ner Frau im Ge­spräch ver­sun­ken. Als er Rebecca ent­deck­te, hob er die Hand und wink­te sie her­bei. Als Rebecca am Tisch an­kam, streck­te ihr die äl­te­re Kol­le­gin mit den röt­lich-grau­en Haa­ren die Hand ent­ge­gen und stell­te sich als Sa­bri­na Wink­ler vor, die drit­te Tu­to­rin.

      »Und wie war dei­ne ers­te Stun­de im Kurs?«, frag­te sie Rebecca herz­lich. Die neue Kol­le­gin be­saß eine ein­neh­men­de Er­schei­nung. Ihre Sta­tur war sehr kräf­tig. In Kom­bi­na­ti­on mit den kur­z­en Haa­ren wirk­te Sa­bri­na leicht bu­ben­haft. Trotz ih­res re­so­lu­ten Auf­tre­tens er­weck­te sie den Ein­druck, eine Ka­me­ra­din fürs Le­ben zu sein.

      »Ich war tie­risch auf­ge­regt«, sag­te Rebecca und ver­senk­te ihre Hand­flä­chen ins Ge­sicht.

      »Ach Quatsch!«, rief Sa­bri­na aus und patsch­te ihr auf die Schul­ter. Es war ein ker­ni­ger Hand­schlag. Fast wie bei ei­nem Mann. Auch Sa­bri­nas Stim­me war sehr dun­kel ge­färbt.

      »Du hast ganz lie­be Mä­dels drin. Die un­ter­stüt­zen dich bei al­lem, was du mit de­nen vor­hast.«

      »Ich habe Rebecca«, schal­te­te sich Ro­bert ins Ge­spräch ein, »schon ge­sagt, dass sie ein­zig Ce­d­ric und Li­nus im Auge be­hal­ten muss.« Aus Sa­bri­nas Mund ent­rang ein keh­li­ges La­chen. Si­cher­lich rauch­te sie schon seit Jah­ren, so me­tal­lisch wie ihre Stimm­la­ge klang.

      »Ja, die bei­den sind eine Num­mer für sich«, grien­te Sa­bri­na und ent­blößte ihre gelb­li­chen Zäh­ne.

      »Sind mir nicht wei­ter auf­ge­fal­len«, sag­te Rebecca schnell. Tat­säch­lich hat­ten sich die Jungs wäh­rend der Ein­füh­rungs­stun­de be­nom­men. Kei­ner hat ir­gend­ei­nen ko­mi­schen Kom­men­tar ver­lau­ten las­sen. Eine An­spie­lung auf die Dis­co­nacht wäre auch mehr als un­pas­send ge­we­sen.

      »Sie ken­nen dich noch nicht«, mein­te Ro­bert und nahm einen Bis­sen von sei­ner Wurst­stul­le. Rebecca be­kam nichts her­un­ter, ob­wohl sie ihre Schnit­te ein­ge­packt mit ins Leh­rer­zim­mer ge­nom­men hat­te. Zu groß war der in­ne­re Bro­cken, den sie seit gut an­dert­halb Stun­den in sich trug.

      »So, ich glau­be, wir müs­sen wie­der«, sag­te Sa­bri­na und er­hob sich mit ih­rem gan­zen Ge­wicht vom Stuhl. Mit ei­ner Hand auf der Tisch­kan­te ab­ge­stützt, drück­te sie ih­ren wuch­ti­gen Kör­per nach oben. Dann zwäng­te sie sich an den an­de­ren Kol­le­gen vor­bei, die ihr kei­ne Be­ach­tung schenk­ten. Rebecca be­ob­ach­te­te, wie ihr mas­si­ger Leib beim Ge­hen von ei­ner in die an­de­re Rich­tung schwenk­te. Mit die­sem Aus­se­hen am Sport­gym­na­si­um zu be­ste­hen, war be­stimmt nicht ein­fach. Aber die Kol­le­gin strahl­te die nö­ti­ge Stär­ke aus, die es brauch­te, um als Leh­rer­per­sön­lich­keit ge­ach­tet zu wer­den.

      »Wel­che Fä­cher un­ter­rich­tet sie?«, frag­te Rebecca, als Sa­bri­na aus ih­rem Blick­feld ver­schwand.

      »Geo­gra­fie«, er­wi­der­te er.

      »Nur ein Fach? Dann hat sie si­cher­lich nicht vie­le Stun­den.«

      »Man sieht es ihr nicht an, aber bis vor zehn Jah­ren hat Sa­bri­na so­gar Sport un­ter­rich­tet.« Als könn­te er sei­ne Wor­te selbst nicht glau­ben, lach­te Ro­bert nach Be­en­di­gung des Sat­zes laut auf.

      »Sa­bri­na ar­bei­tet schon über fünf­zehn Jah­re hier. Ich bin seit acht Jah­ren da­bei. Ich habe sie nie als Sport­leh­re­rin ge­se­hen. Sie hat es mir mal ir­gend­wann ge­sagt, als wir auf Klas­sen­fahrt wa­ren.«

      Schon ko­misch, wie sich Men­schen ver­än­dern konn­ten.

      »Sie un­ter­rich­tet na­he­zu alle Klas­sen in ih­rem Fach. Ich glau­be über fünf­und­zwan­zig.«

      Auf­bruch im Leh­rer­zim­mer. Ro­bert er­hob sich und wünsch­te ihr gu­tes Ge­lin­gen. Rebecca war dank­bar, zwei Kol­le­gen zu ha­ben, die sie un­ter­stütz­ten. Mit die­sem Back­ground konn­te sie ru­hi­gen Ge­wis­sens ins neue Schul­jahr star­ten.

      Kapitel 5

      Den ers­ten Ar­beits­tag über­stan­den zu ha­ben, war kein Ga­rant da­für, dass die an­de­ren ge­nau­so aal­glatt ab­lie­fen. Am Mitt­woch, als Rebecca ih­ren ei­ge­nen Kurs in Deutsch zu un­ter­rich­ten hat­te, konn­te sie sich einen ers­ten Ein­druck da­von ver­schaf­fen, wer ernst­haft an Li­te­ra­tur in­ter­es­siert war und wer das Fach ge­wählt hat­te, weil der Ma­the-Leis­tungs­kurs zu schwer war. Ce­d­ric und Li­nus schie­nen ein­deu­tig der letz­te­ren Ka­te­go­rie an­zu­ge­hö­ren.

      Deutsch war für die ers­te und zwei­te Un­ter­richts­stun­de mit neun­zig Mi­nu­ten an­ge­setzt. Rebecca hat­te ex­tra am Tag da­vor den Ab­lauf pe­ni­bel ge­plant, um einen po­si­ti­ven Ein­druck von sich als Leh­rer­per­sön­lich­keit zu ver­mit­teln. Wie­der stand sie vor dem Spie­gel und wuss­te nicht, mit wel­chen Waf­fen sie heu­te zu­schla­gen soll­te. Mon­tags, mitt­wochs und frei­tags wa­ren die Tage, an de­nen sie ih­ren Leis­tungs­kurs sah. Da­ne­ben über­nahm sie Stun­den in den Klas­sen 9 bis 11 – Jahr­gän­ge, die Rebecca ganz recht wa­ren. So hat­te sie nach­mit­tags aus­rei­chend Zeit, sich dem Sport zu wid­men oder Un­ter­richt