Wunderwelten. Ernst Friedrich Wilhelm Mader

Читать онлайн.
Название Wunderwelten
Автор произведения Ernst Friedrich Wilhelm Mader
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753196442



Скачать книгу

wie das zuerst geschaute.

      „Da hört sich doch aber alle Wissenschaft auf!“, rief der Professor ein über das andere Mal: „Vierbeinige Vögel, dreibeinige Säugetiere und zweibeinige Insekten! Das glaubt mir ja drunten auf der Erde kein Mensch, selbst wenn ich die wohlpräparierten Beweisstücke auf den Tisch der Wissenschaft niederlege!“

      „So seid ihr Professoren!“, tadelte Münchhausen: „Wenn ihr so ungefähr innehabt, wie die Naturprodukte auf eurer kleinen Erde aussehen, so glaubt ihr, das ganze unendliche Weltall erschöpft zu haben und bildet euch ein, die unerschöpfliche Natur sei nie und nirgends imstande, etwas zu schaffen, das nicht aufs Haar mit dem übereinstimmt, was sie euch auf eurem weltverlorenen kleinen Sandkörnchen vor die Nase zu führen beliebt.“

      Schultze bedauerte unendlich, dass er nicht den Vögeln und Insekten und Pflanzenproben, die er sich aneignete, auch ein Exemplar jeder Tiergattung beifügen konnte. Dafür gelangen dem Lord mehrere Momentaufnahmen, so dass die eigenartige Tierwelt wenigstens in getreuen photographischen Abbildungen mitgenommen werden konnte. Ein besonders merkwürdiges Säugetier, das zum Transport nicht zu schwer schien, erlegte Heinz auf des Professors Bitte mit einem wohlgezielten Schuss.

      Dieses Wild hatte die Größe eines Ebers, einen schlanken, beweglichen, doch starknackigen Hals, auf dem sich hoch oben ein rundlicher, possierlicher Kopf mit einer breiten Schnauze wiegte; es war dreibeinig wie alle anderen Marssäuger und aus seinem Schädel wuchsen starke spitzige Hörner wie die Stacheln eines Igels, im ganzen 15 Stück, wie nach der Erlegung festgestellt wurde.

      „Ich danke! Wenn solch ein Vieh mit gesenktem Kopf auf einen losstürmt!“ sagte Münchhausen.

      „Ja, das würde Ihre geschätzte Leibeswölbung in ein Sieb verwandeln“, lachte der Professor.

      „Ich bin nur begierig, wie die Marsbewohner aussehen“, fuhr der Kapitän fort: „Sind die Insekten hier zweibeinig, so vermute ich, dass die Menschen zum mindesten sechsbeinig sind; denn dass die Natur hier besonders mit der Zahl der Beine verblüffende Experimente macht, dürfte nach all dem Gesehenen feststehen.“

      „An die Marsmenschen glaube ich nicht“, sagte Schultze.

      „Hören Sie, Professor, was Sie glauben, ist völlig belanglos, indem Sie ein Mann der Wissenschaft sind. Haben Sie etwa an vierbeinige Vögel, dreibeinige Wildsäue und zweibeinige Spinnen geglaubt, ehe Sie solche hier sahen?“

      „Nee! Das freilich nicht; aber — — —“

      „Nichts ‚aber‘! Wenn Sie also an keine sechsbeinigen Marsmenschen glauben, so spricht das sehr für deren Vorhandensein, und ich gedenke unter allen Umständen, wenn wir auf die Erde zurückkehren, sehr viel und sehr Unterhaltendes von diesen Marsmenschen zu erzählen, auch wenn wir keine zu sehen bekommen, und da hoffe ich, dass Sie mir nie widersprechen werden, da Sie doch nun deutlich gesehen haben, dass eben das, woran Sie nicht glauben, der Wirklichkeit entspricht.“

      Inzwischen war das Ende des Waldes erreicht, der nur etwa zwei Kilometer in der Breite maß.

      An dieser Stelle verband ein von der Seite her kommender Hügelwall die Anhöhen, auf denen die Wanderer marschierten, mit den parallel laufenden Hügelstreifen.

      Diese quer laufende Kette war besonders breit und konnte als Hochebene bezeichnet werden; sie war aber durchaus nicht völlig eben, sondern zeigte mehrere gebirgsartige Erhebungen, die allerdings nirgends viel mehr als zwei- bis dreihundert Meter Höhe erreichen mochten.

      Es wurde beschlossen, rechts abzubiegen und das nächstgelegene dieser kleinen Gebirge näher zu untersuchen.

      13. Die Marsbewohner.

      Nach einer halbstündigen Wanderung war der Fuß der Berge erreicht. Nach einer weiteren halben Stunde die erste Anhöhe erklommen.

      Der Ausblick, der sich hier unseren Freunden bot, überzeugte sie sofort, dass die Sage von den Marsmenschen keine reine Phantasie der Astronomen sein konnte; denn vor ihren Blicken öffnete sich ein Hochtal, das von einer ganzen Anzahl von Bauten erfüllt war, die zweifellos vernunftbegabten Wesen ihren Ursprung verdankten.

      Auch diese Bauwerke hatten ihre auffallenden Eigentümlichkeiten: Zum Ersten waren sie schmal und hoch, turmartig aufgeführt; zum Zweiten erschienen sie alle dreieckig, zum Dritten sahen sie wie aus einem Guss gefertigt aus.

      Der Professor, der für alles eine Erklärung suchte und auch gleich bei der Hand hatte, ließ sich also vernehmen:

      „Die Marsbewohner bauen offenbar in die Höhe wie die Newyorker, jedenfalls auch aus demselben Grund: Sie müssen an Platz sparen. In der Tat erreicht die gesamte Oberfläche des Mars noch keine drei Zehntel der Erdoberfläche; da überdies die schrecklichen breiten Sümpfe einen großen Teil des Festlandes einzunehmen scheinen, so müssen sie an Bauplatz sparen. Dreieckig sind die Häuser aufgeführt, um den Orkanen und den Wasserfluten bei der Schneeschmelze wirksamen Widerstand bieten zu können; dass sie so glatt und ungegliedert aussehen, weist auf eine besondere Masse hin, mit der die Baumeister die Gebäude von außen gleichmäßig bestreichen, auf einen Mörtel, der vielleicht dem Mars eigentümlich ist.“

      „Scharfsinnig, wie immer, Professor!“ lachte der Kapitän. „Aber gestatten Sie mir diesmal, den Zweifler zu spielen: Wir haben auf unserer ganzen Wanderung weder Dörfer noch Städte, ja nicht einmal angebautes Land getroffen oder auch nur von ferne erblickt. Also haben die Marsbewohner noch keinen Mangel an Bauplätzen; zum andern dürfte in diesem geschützten Tale kaum je ein heftiger Orkan wehen, auch ist es so hoch gelegen, dass keine Wasserfluten es bedrohen. Abgesehen von diesen Kleinigkeiten mögen Sie ja immerhin recht haben.“

      „Na!“ sagte Schultze: „Sie oller Zweifler! Lassen wir das einstweilen dahingestellt und untersuchen wir die Häuser. Verlassen oder ausgestorben scheint ja die Stadt zu sein.“

      Das, was Schultze eine „Stadt“ nannte, waren etwa hundert zumeist gleich geformte Bauwerke von mäßigem Umfang. Sie leuchteten in allen Regenbogenfarben, eines blau, das andere rot, das Dritte grün; einige schneeweiß, andere schwarz; daneben gelbe, braune, orangerote, violette Türme in allen Farbenabstufungen.

      Im Innern erwiesen sie sich sämtlich ganz ähnlich angelegt; statt einer Treppe führte ein gewundener Gang empor, von schmalen Seitenfenstern erhellt. Ganz oben befand sich ein dreieckiges Gemach, in welchem auf erhöhten Matten — Leichen lagen.

      Ja, nur Leichen!

      „Eine Begräbnisstätte, ein Friedhof“, rief Heinz aus.

      „Wenigstens eine Totenstadt“, entgegnete Schultze, „da von Gräbern und Begräbnis hier nicht die Rede ist.“

      Die Leichen waren alle in lange Gewänder von einem eigentümlichen glatten und sehr schmiegsamen Stoffe gekleidet, der keine Fäden, kein Gewebe erkennen ließ. Entweder war dieser auf Erden unbekannte Stoff aus einer äußerst zähen Gummiart papierdünn gewalzt, wobei der Gummi jegliche Elastizität verloren hatte, oder er war aus einem nur den Marsbewohnern bekannten Material gegossen.

      Die Gewänder glänzten auch in den verschiedensten lebhaften Farben. Die Körper unterschieden sich nicht wesentlich von menschlichen Körpern; sie waren aber alle sehr klein, schlank und zierlich und jedenfalls wiesen sie eine Rasseneigentümlichkeit auf, die auf Erden nicht zu finden war. Diese Eigentümlichkeit bestand im Wesentlichen in einer auffallenden Schädelform: Man hätte meinen können, jedes dieser Häupter trage eine Kappe; denn über der Stirne eingeschnürt, saß eine zweite mäßig gewölbte und dichtbehaarte Schädelkammer.

      „Zwei Stockwerke!“, rief Münchhausen in ehrlichem Staunen: „Ein zweistöckiges Gehirn haben diese Marsiten besessen! Nein, müssen die gescheit gewesen sein!“

      Die rosige Haut des Gesichts und der Hände, so weich und zart sie aussah, erwies sich nichtsdestoweniger bei der Berührung als ungeheuer zäh, wie Leder oder wie die Haut eines Elefanten.

      Schultze machte, nicht aus sträflicher Neugier, sondern aus wissenschaftlichem Interesse, einen Versuch, die Haut einer Hand mit seinem Dolche zu ritzen; doch als er schließlich auch alle Gewalt anwendete,