Wunderwelten. Ernst Friedrich Wilhelm Mader

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Название Wunderwelten
Автор произведения Ernst Friedrich Wilhelm Mader
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753196442



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Immer neue Scharen rückten an!

      Münchhausen, der sich ohnehin nur schwerfällig bewegen und nicht leicht bücken konnte, hatte sofort erkannt, dass seine wirksamste Waffe in seinem kolossalen Körpergewicht bestand.

      Er führte einen wahren Indianertanz auf, sprang so hoch er nur immer konnte und zerquetschte unter seinen gewaltigen Fußsohlen alles zu Brei, was sich unter ihm regte.

      Es wäre ein Anblick zum Totlachen gewesen, wie der dicke Kapitän umherhopste, als wolle er sich zur Balllettänzerin ausbilden, wenn nicht das Gefährliche der Lage alle Lust zur Heiterkeit erstickt hätte.

      Münchhausen floss der Schweiß in Strömen herab, und doch war sein Gehüpfe umsonst: auch er fühlte sich umringelt und umwunden, und nun glitt er gar auf dem gar zu schlüpfrig gewordenen Boden aus, fiel hin und rollte mitten unter das blutdürstige Ungeziefer, nicht ohne eine ganze Anzahl davon plattzudrücken.

      Die Kämpfenden, die alle mehr oder weniger Blut lassen mussten, waren erschöpft, und noch immer kroch es in dichten Massen den Abhang herauf. Wenn sie sich nur zu der Strickleiter hätten flüchten und in dem Weltschiff bergen können! Aber sie hatten ihr Lager wohl hundert Meter weit davon aufgeschlagen und zwischen ihnen und der Sannah wimmelte es von dichten schwarzen Massen, die sich übereinander zu türmen schienen.

      Da erschollen schrille, heißere Schreie in der Luft; dann dumpfe Flügelschläge, und gespenstisch rauschten mächtige schwarze Gestalten herab.

      Im Schein des immer noch hochaufflackernden Feuers ließen sich einige dieser neuen Geschöpfe, die sich in dessen Nähe niedergelassen hatten, erkennen.

      Sie boten keinen ermutigenden Anblick, vielmehr erschienen sie selber als schreckliche Ungeheuer: Es waren Vögel, die nichts Vogelähnliches hatten als die ungeheuren Fledermausflügel. Am ehesten erinnerten sie an den Pterodaktylus der irdischen Urzeit; ein plumper Kopf mit tiefeingeschnittenem Rachen und scharfen Zähnen gab ihnen Ähnlichkeit mit diesem erstaunlichen Vogel. Ihre Größe übertraf die des Adlers, um das Doppelte; das Merkwürdigste jedoch war, dass sie vier Füße besaßen, die mit gewaltigen Krallen bewehrt waren.

      So unheimlich und gefährlich diese Vögel aussahen, wenn man sie überhaupt als Vögel bezeichnen konnte, so erschienen sie doch als Retter in höchster Not; denn sie räumten mit fabelhafter Gewandtheit und Mordgier unter den Ringelwürmern auf und kamen in solchen Scharen, dass sie sich auch der wimmelnden Mengen gewachsen zeigten.

      Sie ließen sich namentlich am Rande des Hügels nieder und packten mit ihren Krallen und Zähnen alles, was da heraufkriechen wollte. Und nun, da keine neuen Nachschübe kamen, nahm die Zahl der Angreifer auf der Höhe sichtlich ab und mit neuem Mut ließen unsre Freunde wieder ihre Messer arbeiten.

      Endlich erhob kein Wurm mehr sein drohendes Haupt, wenn auch die verstümmelten Leiber am Boden sich ringelten und wanden, zuckten und schnellten, als ob sie überhaupt nicht völlig tot zu kriegen seien.

      Schultze eilte auf Münchhausen zu, der immer noch auf dem Boden umherrollte und nicht auf die Beine kommen konnte. Und jetzt, da die Gefahr beseitigt schien, lachte der Professor aus vollem Halse über den erheiternden Anblick: Da wälzte sich der runde Kapitän wie eine Tonne auf stürmischer See; an seinem Haupte hingen zwei Würmer gleich Schmachtlocken zu beiden Seiten herab und um seinen Hals wand sich ein allerdings geköpftes Tier wie ein dickes Halstuch.

      Trotz seiner Heiterkeit beeilte sich Schultze doch, den dicken Freund von seinen Peinigern zu befreien und ihm mit Unterstützung des inzwischen ebenfalls herbeigeeilten Heinz auf die Beine zu helfen.

      Dann ging es an das Verpflastern und Verbinden der Wunden, die merkwürdigerweise nur äußerst klein waren. Alle hatten mehr oder weniger Blut hergeben müssen, Münchhausen aber war entschieden am stärksten angezapft worden.

      „Tut nichts!“, meinte er humorvoll: „Ich habe Vorrat und die Biester haben bei mir mehr Fett als Blut geholt, wie ich vermute; das kann mir bloß gut tun. Ich fühle mich geradezu erfrischt und erleichtert.“

      „Aber einen Tanz haben Sie aufgeführt, Kapitän“, lachte Schultze: „Ich sage Ihnen, eine ägyptische Bauchtänzerin ist nichts dagegen.“

      „Kunststück!“, sagte Münchhausen: „Wo hat eine ägyptische Tänzerin auch solch stattlichen Bauch?“

      12. Eine Entdeckungsreise auf dem Mars.

      John übernahm die Wache, während sich die andern wieder zur Ruhe niederlegten.

      Am Morgen wurden zunächst die Zelte wieder ins Weltschiff gebracht; denn ein zweites Mal auf dem Mars im Freien zu nächtigen, dazu verspürte niemand mehr Lust.

      Das Frühstück wurde in der Nähe der Sannah eingenommen fern von den immer noch zuckenden Leibern der erlegten Lumbriciden auf dem nächtlichen Schlachtfeld.

      „Ich schlage eine Entdeckungsreise auf dem Mars vor“, begann Schultze, als der Imbiss vertilgt war.

      Alle waren damit einverstanden.

      „John“, sagte Flitmore, „du bleibst als Wache zurück; man weiß ja nicht, was hier vorkommt. Am besten begibst du dich auf die oberste Plattform, wo du nach allen Seiten hin weite Ausschau halten kannst. Erblickst du etwas Verdächtiges, so lässt du die große Sirene ertönen.“

      Als Rieger sich mit der pneumatisch betriebenen Sirene auf der Höhe der Kugel befand, marschierte die kleine Gesellschaft ab; Bobs wurde mitgenommen, während Dick dem Wächter Gesellschaft leistete.

      Drunten im Sumpf sah man nichts von den widerlichen Geschöpfen, die er beherbergte; aber an den Bewegungen der Pflanzendecke konnte man deutlich erkennen, dass der Morast von gelenkigen Bewohnern wimmelte.

      Inzwischen ging man auf dem Höhenrücken einem nahen Walde zu, der aus niedrigen, rotbelaubten Bäumen bestand.

      Diese Bäume erweckten besonders Schultzes lebhaftes Interesse, denn sie zeigten ganz eigentümliche Formen. Die meisten hatten weder Äste noch Zweige; die großen Blätter entsprossten an langen, dicken Stielen direkt dem Stamm, der sich an der Spitze in ein Bündel solcher beblätterter Stiele auflöste.

      Die Blätter waren meist rund und tellergroß, andre kleeblattförmig, aus drei vereinigten Rundscheiben bestehend; wieder andre zeigten dreieckige, viereckige und mehreckige Bildung, boten also einen Anblick, der Erdbewohnern völlig neu und ungewohnt war.

      Einzelne Baumarten, die reich verästelt waren, hatten Doppelblätter, die sich gleich Austernschalen auf- und zuklappten und offenbar den Insektenfang betrieben.

      Übrigens war von Insekten nur wenig zu sehen: einige merkwürdige Mücken, durchsichtig wie Glas, und Käfer ohne Beine, die fliegenden Raupen und fliegenden Würmern glichen und sich am Boden und an den Bäumen auch gleich solchen fortbewegten, ja geflügelte Schnecken, die einen bläulichen Schleim aussonderten, zweibeinige Ameisen und Spinnen, das waren die Wunder, die Schultze seinen Sammlungen einverleibte.

      Auch Vögel waren nur in wenigen Arten vertreten: Sie hatten alle die Eigentümlichkeit, vierbeinig zu sein, ein Anblick, der den an irdische Geschöpfe gewöhnten Augen äußerst sonderbar vorkam. Dazu gesellte sich der Umstand, dass diese Vögel nicht gefiedert waren, sondern einen behaarten oder mit Schuppen bedeckten Leib hatten, der aber in wunderbaren bunten Farben von metallischem Glanze strahlte. Die Schnäbel wiesen meist ein gezahntes Gebiss auf und die Flügel bestanden vorwiegend aus fächerartig übereinandergreifenden langen und starken Schuppen oder dünnen Hornscheiben.

      Als die Wanderer eine Lichtung betraten, rauschte es im Gebüsch und das erste Wild, das sie auf dem Mars erblickten, zeigte sich ihren Augen.

      Es erschien ebenso seltsam wie die Insekten- und Vogelwelt. Groß war es nicht, kaum größer als ein Esel; aber es hatte ein schreckliches Gebiss, wie überhaupt der platte, lange Kopf an ein Krokodil erinnerte. Von der Mitte des Hauptes stieg ein äußerst scharfes Horn senkrecht empor und zu beiden Seiten über den Ohren ragten zwei kürzere Hörner wagrecht hervor, die Spitzen nach vorne gebogen. Das Seltsamste aber war: Dieses gefährlich aussehende Tier war dreibeinig! Es hatte zwei Vorderfüße, aber nur