Название | Wunderwelten |
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Автор произведения | Ernst Friedrich Wilhelm Mader |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753196442 |
„Erlauben Sie, Lord! Die Sonne soll sich freilich mit ihren Trabanten auf das Sternbild des Herkules zu bewegen, aber nur mit 16 Kilometern in der Sekunde, so dass diese Bewegung gegen die 300 Sekundenkilometer der Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre rasche Entfernung von der Sonne erklärt.“
„Sie haben recht, Professor; aber da ist eine Bewegung, die kein irdischer Astronom erkennen konnte, die aber geahnt und vermutet worden ist, und die sich in diesem Augenblick enthüllt hat: Die ganze Fixsternwelt, innerhalb deren sich die einzelnen Systeme bewegen, wie etwa unser Sonnensystem nach dem Herkules, bildet wiederum ein großes System, das offenbar mit 15000 oder noch mehr Sekundenkilometern wie ein Strom durch die Unendlichkeit des Raums dahinfährt und diese Strömung ist es, die drohte uns unser Sonnensystem in kurzer Zeit zu entführen, so dass wir im Leeren zurückgeblieben wären, fern von allen Weltkörpern, die uns hätten anziehen oder abstoßen können und uns so die Aussicht gewährt hätten, irgendwo zu landen.“
„Nanu! So hätten wir eben zuwarten müssen, bis der große Weltenstrom neue Welten in unsre Nähe geführt hätte.“
„Ein guter Gedanke; aber wer weiß, wie viele tausend Jahre wir darauf hätten warten müssen. Jedenfalls zog ich es vor, uns wieder dem Einfluss der Anziehungskraft zu überlassen, da es zunächst für unsre Sicherheit notwendig erscheint, unser Sonnensystem nicht zu verlassen. Jetzt werden wir voraussichtlich in die Attraktionssphäre des Mars geraten und müssen aufpassen, dass wir nicht unsanft auf ihn herabstürzen. Ich werde mich daher nicht zur Ruhe begeben, um meine Maßregeln rechtzeitig treffen zu können.“
8. Die großen Astronomen.
Unsre Freunde hatten beschlossen, ihre Zeitrechnung nach irdischem Maßstab einzuteilen, um jeglicher Verwirrung der Begriffe zu entgehen, und so war es, wie die Uhren der Sannah anzeigten, 8 Uhr morgens, als sich alle um den Frühstückstisch im Nordpolzimmer versammelten.
Die Schlafgemächer befanden sich sämtlich in den inneren Räumen, die auf künstliche Beleuchtung angewiesen waren; die vier Säle, die sich in der Äquatorlinie der Sannah befanden, hatten stets abwechselnd eine Stunde Tag und eine Stunde Nacht; im Südpolzimmer dagegen herrschte zurzeit beständige Nacht, im Nordpolzimmer unaufhörlich Tag. Aus diesem Grunde wurde Letzteres zum gewöhnlichen Aufenthaltsort gewählt.
Schultze berichtete eingehend über die Vorkommnisse der vergangenen Nacht und schloss mit den Worten: „Die Tatsache, dass die Erde mit dem Mond so rasch aus unserem Gesichtskreis entschwand, sowie dass das ganze Sonnensystem uns zu entfliehen drohte, ist der erste praktische Beweis für die Richtigkeit des kopernikanischen Systems.“
„Wieso?“, fragte Heinz Friedung erstaunt: „Ich meinte, nichts von der Welt stehe so sicher wie dieses System und es sei längst schon als zweifellos richtig erwiesen!“
„Da sieht man die Schulweisheit!“, lachte der Professor: „Was einer glaubt, verkündigt er, sei es aus Unwissenheit, sei es aus Einbildung, gewöhnlich als zweifellose Wahrheit. So werden den Schülern und selbst den Studenten die anerkannten wissenschaftlichen Vermutungen als felsenfest stehende Wahrheiten verkündigt. Meist lassen sie sich dadurch täuschen, und so kommt es, dass die große Menge sowie auch die von ihrer eigenen Unfehlbarkeit überzeugten Gelehrten glauben, jeden verhöhnen und als ungebildet und rückständig brandmarken zu dürfen, der ihren Glauben nicht teilt und an dem zweifeln zu dürfen glaubt, was als modernster Standpunkt der Wissenschaft gilt.
Es ist wahr, das kopernikanische System ist überaus einleuchtend und erklärt am besten alle astronomischen Erscheinungen auf der Wissensstufe, auf der wir zurzeit stehen; ja, unser ganzes Physikalisches Begriffssystem beruht auf der Voraussetzung seiner Richtigkeit. Aber zweifellos bewiesen ist diese Richtigkeit so wenig, wie irgendeine andre sogenannte „wissenschaftliche Wahrheit“. Es ist sehr unwahrscheinlich, aber durchaus nicht undenkbar, dass ein kommendes, fortgeschritteneres Geschlecht wieder zum ptolomäischen Weltsystem zurückkehrt. Dann müsste allerdings die gesamte astronomische Wissenschaft umgearbeitet und eine neue Physik erfunden werden, die sich auf der ptolomäischen Anschauung aufbauen würde. Wie gesagt, es ist unwahrscheinlich, dass dies geschehen wird, aber durchaus nicht unmöglich, denn unsre Wissenschaft baut sich lediglich auf Vermutungen auf, nicht auf Wissen: Tatsachen sind keine Wissenschaft, sondern erst die stets unsicheren Schlüsse, die wir aus den Tatsachen folgern.“
„Mit Verlaub, Herr Professor“, begann nun John Rieger, der stets bestrebt war, seine Bildung zu vermehren: „Was ist das eigentlich, das polemische und das kopernikanische Weltsystem, wenn ich mir solche Frage aus Unbescheidenheit zu stellen gestatten darf?“
„Gewiss darfst du das, und ich will dich gerne aufklären: Claudius Ptolomäus war ein berühmter Sternkundiger im zweiten Jahrhundert vor Christus und lebte in der Stadt Alexandria in Ägypten. Er glaubte, die Erde bilde den Mittelpunkt der Welt und stehe unbeweglich fest, während Sonne, Mond und Sterne sich um sie bewegten, wie es ja für uns den Anschein hat. Diese Meinung nennt man das ptolomäische Weltsystem, an das man noch 1500 Jahre nach Christus allgemein glaubte.
Nikolaus Kopernikus war ein polnischer Priester, der ein Buch schrieb, auf dem unsere jetzigen Anschauungen beruhen, und das im Jahre 1543 erschien. Hier erklärt er nicht nur, dass die Erde sich um ihre Achse dreht, woraus Tag und Nacht entstehen, sondern dass sie auch in einem Jahre sich um die Sonne bewegt, die den stillstehenden Mittelpunkt unseres Sonnensystems bilde, um den sich auch die andern Planeten oder Wandelsterne drehen. Ja, er entdeckte auch eine dritte Bewegung der Erde, die Schwankung ihrer Achse, die er Deklination nannte, durch welche bewirkt wird, dass das Erdenjahr nicht völlig mit einer scheinbaren Umdrehung des Himmels zusammenfällt, so dass die Tag- und Nachtgleichen etwas zu früh eintreten. Die Ansicht des Kopernikus nennt man das kopernikanische Weltsystem.“
„Na!“, meinte John geringschätzig: „Der Ptolomäus muss ja ein ganz törichter und ungebildeter Mensch gewesen sein und was der Kopernikus behauptet hat, ist nichts Besonderes: Das weiß ja jedes Kind, dass sich die Erde um die Sonne dreht!“
„Weil man es ihm in der Schule sagt, mein Freund. Aber du musst bedenken, dem Kopernikus hat es niemand gesagt, der hat es aus sich selbst heraus gefunden.“
„Halt, Professor!“, widersprach der Lord: „Es ist eine uralte Weisheit der Ägypter, die Kopernikus aufwärmte, wodurch jedoch sein Verdienst nicht geschmälert sein soll. Schon in den ältesten Zeiten gab es große Geister, die auffallend richtige Begriffe über die Erde und unser Sonnensystem besaßen. Sie scheinen dieselben von den ägyptischen Priestern überkommen zu haben und diese vielleicht von den Chaldäern. Aber das Verdienst dieser scharfen Denker ist es, dass sie diese damals so unglaublichen Wahrheiten als richtig erkannten und auf Grund derselben, wissenschaftliche Großtaten vollbrachten.
Denken Sie an die Cheopspyramide, die 3000 Jahre vor Christus erbaut wurde und deren Maße in überraschend genauem Verhältnis zum Umfang der Erde und zu einigen erst in neuester Zeit wieder entdeckten astronomischen Entfernungsmaßen stehen. Ihre Kanten sind nach den vier Himmelsrichtungen gerichtet, und in der königlichen Leichenkammer befindet sich ein Spiegel, der durch einen langen, geneigten Tunnel unaufhörlich nach dem Polarstern blickt. Wer solche Berechnungen auszuführen vermochte, besaß Fähigkeiten und wissenschaftliche Kenntnisse, eine Beobachtungsgabe und eine Denkkraft, die auch von den ersten Größen unserer modernen Astronomie Kopernikus, Keppler, Galilei und Isaak Newton nicht übertroffen wurde.“
„Sie haben recht“, gab Schultze zu: „Die Alten hatten gewaltige Geister, die ohne unsre modernen Hilfsmittel, ohne Teleskop und Spektralanalyse, beinahe so viel erreichten, wie unsre modernsten wissenschaftlichen Größen mit all den Vorteilen der Riesenarbeit ihrer Vorgänger und der vollkommensten Instrumente.
Schon der griechische Weltweise Bion lehrte 500 Jahre vor Christus die Kugelgestalt der Erde und behauptete, es müsse auf unsrer Erde Gegenden geben, auf denen es sechs Monate lang Tag und sechs Monate Nacht