Geliebter Wächter 2: Wolfsherz. Billy Remie

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Название Geliebter Wächter 2: Wolfsherz
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 2
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750209534



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ihn Vaaks` melodische Stimme.

      »Hallo«, brachte Xaith kratzig hervor. Er räkelte sich mit einem Stöhnen auf den Rücken und musste gegen die Helligkeit im Zimmer anblinzeln. Obwohl die Vorhänge zugezogen waren, fand das grelle Sonnenlicht einen Weg in das weiße Zimmer und ließ die Wände leuchten.

      Vaaks lag auf der Seite, trug ein leichtes Leinenhemd, das nicht mehr in der Hose steckte und aufgeschnürt war, sodass er geradezu verwegen und nachlässig aussah – aber nie anziehender. Sein gelocktes Haar war offen und wurde von einem lauwarmen Windzug gestreichelt.

      »Warum hörst du auf?«, beschwerte Xaith sich und griff nach Vaaks` Gesicht, um es wieder zu sich hinab zu ziehen, obwohl er noch kaum im Stande war, seine übermüdeten Augen länger als einen Wimpernschlag lang aufzuhalten. »Komm wieder her und mach weiter!«

      Vaaks lachte leise und vergnügt, ließ sich hinreißen, Xaith noch einen warmen aber keuschen Kuss auf die sehnsüchtigen Lippen zu geben, doch dann hob er den Kopf wieder, und Xaith spürte die braunen Augen genüsslich über sich gleiten.

      »Nicht! Nicht ansehen!« Sofort schlug Xaith die Hände vor das Gesicht und drehte sich, um sich an Vaaks` Brust zu verstecken. Er hasste es, bei so viel Licht angesehen zu werden. Er konnte förmlich spüren, wie seine Pickel dabei größer und hässlicher wurden. Immer dann, wenn man ihn betrachtete, war er sich überdeutlich der Makel in seinem Gesicht bewusst, es war sogar so, dass sie dann regelrecht pulsierten. Er würde nie vergessen, wie er aussah.

      Doch Vaaks` fröhliches Lachen klomm wieder auf. »Warum denn nicht?«, fragte er und amüsierte sich offen über Xaiths Schüchternheit. »Ich sehe dich gerne an.«

      Xaith gab nur ein abfälliges Grunzen von sich, das Vaaks zum Kichern brachte.

      »He! Bitte.« Vaaks zupfte an Xaiths Arm. »Sieh mich wieder an, ja?«

      Aber Xaith schüttelte den Kopf und nuschelte in seine Hände: »Zu hell.«

      Vaaks gab ein unverständliches Murren von sich, dann riss er plötzlich die Decke über sie und alles wurde dunkel.

      Na gut, es wurde natürlich nicht stockdunkel, die Sonne schimmerte auch durch den leichten Stoff der Decke, doch es war wesentlich düsterer als im lichtgefluteten Zimmer außerhalb ihrer Betthöhle.

      Xaith wagte es, hervor zu linsen und die Lage zu beurteilen. Er konnte Vaaks` Gesicht noch gut erkennen, aber nicht mehr jede Kerbe, jedes Haar. Zögerlich kam er hervor und schmiegte dann den Kopf auf sein Kissen.

      »Besser?«, fragte Vaaks mit einem wissenden Schmunzeln, während er einen Arm nutzte, um die Decke oben zu halten. Er machte sich gut als Zeltpfahl.

      »Nicht perfekt, aber passabel«, antwortete Xaith und sah zu Vaaks auf. Selbst im Halbdunklen konnte er sich nicht an diesem schönen, kantigen Gesicht satt sehen. Vor allem nicht an jenem Tag.

      »Du warst so mutig«, raunte er ehrfürchtig und zugleich beschämt, »als du auf den Drachen losgestürmt bist. So mutig und … beneidenswert. Eine wahre, entfesselte Naturgewalt.«

      Sein Herz schlug Purzelbäume, als er sich Vaaks in Erinnerung rief, wie er nur wenige Stunden zuvor furchtlos in den Kampf gerannt war. So entschlossen, so erwachsen, kriegerisch und kraftvoll.

      Vaaks wurde unter den Schmeicheleien verlegen und wandte für einen Moment den Blick ab. Er lachte humorlos auf. »Ich war nicht mutig, ich war ängstlich«, gestand er dann und schaute Xaith achselzuckend wieder an. »Ich wollte einfach nicht glauben, dass… Also bin ich losgerannt, um nicht darüber nachzudenken.«

      Aber Xaith schüttelte den Kopf. »Du warst mutig! Sehr sogar. Genauso wie Sarsar und May, die den Drachen mit Magie und Pfeilen angriffen. Ich war starr vor Angst«, seufzte er und schlug beschämt die Augen nieder, nestelte nervös an Vaaks` Hemd. »Ich und Riath. Wir waren feige und konnten vor Unglauben nur starren, während ihr…«

      »He!« Vaaks beugte das Gesicht dicht über ihn, sodass sich ihr Atem vermischte. Tief und eindringlich sah er Xaith in die Augen. »Ihr seid nicht feige! Niemand denkt das von euch. Vater wurde gerade vor unseren Augen von einem Drachen verschluckt. Ich habe mir vor Angst fast in die Hosen gepisst!«

      Xaith lächelte dankbar, aber er fühlte sich nicht wirklich besser. Sein Blick fiel auf Vaaks` halb entblößte Brust und er betastete die nackte, leicht behaarte Haut mit seinen Augen. »Ich hatte solche Angst, Vaaks. Um Vater. Die habe ich noch.«

      »Ihm geht es gut, du hast Sarsar doch gehört«, beruhigte Vaaks ihn und schmiegte das Gesicht an seines, rieb mit Nase und Mund über Xaiths gerötete Wange. »Alles ist gut, er ist bald wieder da.«

      »Ich weiß«, flüsterte er und atmete bebend aus, noch immer waren die Spuren der letzten Nacht nicht vergangen. »Aber als wir dachten … verdammt, ich glaubte wirklich, es sei zu spät. Von jetzt auf gleich war er einfach … fort. Niemand von uns konnte damit rechnen.« Ratlos schüttelte er den Kopf und nestelte weiter an Vaaks` Hemd herum, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.

      Langsam wurde es stickig unter der Decke, aber Vaaks lüftete sie nicht, obwohl ihnen beiden der Schweiß auf der Oberlippe stand.

      »Vielleicht ist das der Unterschied zwischen dir und mir«, meinte Vaaks nachdenklich, und Xaith sah wieder zu ihm auf. »Wie wahrscheinlich ist es schon, dass er das überlebt hat? Du bist eben … pragmatisch. Ich bin ein dummer Träumer, der die Hoffnung nicht aufgeben wollte, während dein schlaues Köpfchen eben einfach die Fakten sah und sich bereits ausrechnete, dass kaum noch Hoffnung besteht. Deshalb bist du erstarrt, und deshalb bin ich losgestürmt. Ich wollte es nicht wahrhaben, während du nicht mehr hoffen konntest.«

      Xaith lächelte zerknirscht. »Aber er hats überlebt.«

      Vaaks atmete erleichtert aus. »Das hat er. Und wenn die Legenden über ihn stimmen, hat er auch schon viel Schlimmeres überstanden. Er wird lachen, wenn er hört, dass wir uns Sorgen machten.«

      Doch Xaith konnte den Schrecken noch nicht ganz abschütteln. »Als ich dachte, er kommt nicht zurück, war ich noch nie so verzweifelt gewesen, Vaaks.«

      »Ich weiß. Ich auch.«

      »Nein, ich meine, wirklich verzweifelt. Ich habe mich so leer gefühlt, so unwirklich. Als wäre der Boden unter mir weggebrochen. Und alles um mich herum war wie in einem Alptraum, vernebelt und seltsam fremd.« Er schloss die Augen und schauderte. »Ich kann und will mir eine Welt ohne unseren Vater nicht vorstellen. Gestern Nacht wurde mir so richtig bewusst, dass ich nicht bereit wäre, sollte ihm etwas zustoßen.«

      Vaaks erwiderte mit dünner Stimme: »Ich auch nicht.«

      Aber das glaubte Xaith ihm nicht. Natürlich wäre Vaaks traurig, May und Sarsar wären auch traurig, aber Xaith glaubte nicht, dass sie diese tiefe Verzweiflung spürten, wie er sie gespürt hatte. Seine gesamte Welt war zusammengebrochen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er gefühlt, was es wirklich bedeutete, völlig allein zu sein. Denn so fühlte er sich ohne Vater. Allein und irgendwie verloren. Während Vaaks einfach dieser Fels in der Brandung war, immer stark und fürsorglich, der sich um alle kümmerte und Xaith die ganze Zeit über aufrechtgehalten hatte.

      Nein, Vaaks würde ganz sicher ohne Vater auskommen. Er würde trauern wie jeder Sohn, aber darüber hinwegkommen und sein Leben führen. Xaith würde einfach den Halt verlieren und sich vorkommen wie ein Blinder im Irrgarten. Denn als er dachte, sein Vater wäre tot, hatte auch er sterben wollen.

      »Es geht ihm gut«, beschwor ihn Vaaks, als er Xaiths düsteren Blick bemerkte und stupste ihn aufmunternd mit der Nase an. »Er ist bestimmt schon auf dem Weg hier her. Und wie gesagt, er übersteht doch immer alles.«

      Xaith rang sich ein Lächeln ab, aber nur, weil Vaaks damit anfing, mit seinem verführerischen Mund an Xaiths Lippen zu zupfen.

      »Komm schon«, drängte Vaaks gurrend und stieß das Becken gegen Xaiths Schenkel, »lass uns nicht über den Tod reden, lass uns das Leben feiern. Vater lebt, und wir …« Er brach ab und küsste Xaith stattdessen sacht auf den Mund. Nicht, um ihn zu küssen, es fühlte sich mehr nach einer Frage an.