Geliebter Wächter 2: Wolfsherz. Billy Remie

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Название Geliebter Wächter 2: Wolfsherz
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 2
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750209534



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       »Ich wollte noch etwas … holen.« Das letzte Wort sagte er so leise und nachdenklich, dass Xaith das tränennasse Gesicht zu ihm hob und ihn musterte.

       Vaaks wirkte schüchtern, wie er in die Hecken starrte, die sie umschlossen und sie vor unerwünschten Blicken schützten.

       Plötzlich war es, als wären sie wirklich ganz allein, wie in einer anderen Welt. Nur sie beide.

       Das beruhigte Xaith auf eine seltsame Weise, wie er sie noch nie zuvor in seinem jungen Leben gespürt hatte. Zum ersten Mal schien er wirklich aufzuatmen und Luft zu bekommen. Sich sicher und geborgen zu fühlen.

       Xaith wandte den Blick von Vaaks ab und starrte ebenfalls in die Hecken.

       »Warum hast du geweint?«, hakte Vaaks nach einer Weile nach und wandte ihm das Gesicht wieder zu. Seine Augen betasteten Xaiths Profil spürbar, sodass er sich unwillkürlich beschämt wieder über die noch immer feuchte Wange wischte.

       Xaith zuckte nur mit den Schultern.

       »Wenn du nicht geweint hast, können wir ja auch wieder zurückgehen«, schlussfolgerte Vaaks und wollte aufstehen.

       »Nein!« Xaith griff panisch nach Vaaks` Arm und zog ihn zurück auf die Bank. Da spürte er zum ersten Mal das seltsame Prickeln unter der Haut, und das aufgeregte Flattern seines Herzens.

       Vaaks setzte sich wieder und sah ihn aufmerksam an. Er war beinahe ein ganzes Jahr älter als Xaith, zehn Monde, um genau zu sein, und das sah man seiner Statur auch an. Aber vor allem bemerkte Xaith, dass sein Bruder älter war, wenn er ihn so ansah, wie es ihr Vater immer tat. Irgendwie … verständlich und besonnen, immer offen und eine Spur … weise. Ja, Vaaks war groß und Vaaks war weise. Zumindest in Xaiths kindlichen Augen.

       »Ich … ich mag nicht zurück«, nuschelte er dann mit gesenktem Kopf, hielt Vaaks` Arm aber mit seinen kleinen Händen fest umklammert, als könnte dieser ihn erneut versuchen, zu verlassen.

       Vaaks versuchte, ihm ins Gesicht zu sehen. »Warum denn nicht? Willst du nicht dein Wiegenfest feiern? Das ist ein besonderer Tag für euch alle.«

       »Nein, ist es nicht«, motzte er, »es ist ein blöder Tag!«

       Vaaks runzelte seine große Stirn. »Aber warum denn? Wir haben uns doch alle schon vor einem Mond auf die Feier gefreut! Wir können soviel essen, wie wir wollen. Die Barden singen nur für euch! Und wir dürfen auf den Tischen tanzen! Vater hats erlaubt!«

       Aber Xaith schüttelte stur den Kopf.

       Vaaks` Blick wurde sorgenvoll, er senkte die Stimme. »War jemand gemein zu dir, Xaith?«

       Daraufhin schwieg Xaith. Lange. Doch als Vaaks unruhig auf der Bank herumrutschte, bekam er plötzlich Angst, dieser könnte die Geduld verlieren und einfach gehen. Also nickte er irgendwann beschämt.

       »Aber warum tust du dann so, als hättest du etwas angestellt?«, fragte Vaaks traurig. »Du musst dich nicht verstecken, wenn du nichts falsch gemacht hast. Komm, wir sagen Vater, was passiert ist, dann…«

       »Nein!« Xaith zerrte an Vaaks` Arm, obwohl dieser sich noch gar nicht erhoben hatte. Panisch sah er ihn an und schüttelte entschieden den Kopf.

       »Warum denn nicht?«, wollte Vaaks wissen und forschte mit seinen warmen, braunen Augen tief in Xaiths verlegenem Gesicht.

       Xaith zuckte mit den kleinen Schultern und senkte den Blick. »Dann lachen sie nur noch mehr.«

       »Wer war es?« Dieses Mal ließ seine Stimme keine Widerworte zu. »Sag es mir, Xaith! Sag schon!«

       Kleinlaut nuschelte er: »Ein paar Kinder aus der Stadt.«

       »Die sind nur neidisch!«, behauptete Vaaks.

       »Nein, das sind sie nicht. Es liegt an mir, nur an mir. Mit mir stimmt etwas nicht!«, rief Xaith verzweifelt aus und wandte Vaaks wieder den Rücken zu, weil ihm erneut die Tränen kamen. »Ich bin hässlich, deshalb lachen sie. Ich bin … komisch!«

       Vaaks schüttelte für einen Moment überrumpelt den Kopf, es dauerte, bis er die Fassung wiedererlangt hatte und beruhigend seine Hand auf Xaiths Rücken legte.

       Sofort wehrte sich Xaith gegen die Berührung, wollte sie abschütteln, aber Vaaks drehte ihn wieder zu sich herum.

       »Du bist nicht hässlich!«, sagte er empört. »So ein Unsinn!«

       Xaith schniefte trotzig und fuhr sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang. »Nein, ich bin seltsam, deshalb lachen sie.«

       »Über was lachen sie?« Vaaks schien es einfach nicht begreifen zu wollen.

       »Über meine Augen!«, schrie Xaith ihn an, wütend über seine Blindheit. Er drehte sich mit Tränen in den Augen zu Vaaks um. »Sie sagen, ich sähe komisch aus. Nennen mich Salamander.«

       Vaaks verzog die Lippen zu einem Schmunzeln.

       »Du findest das auch witzig!« Xaith schubste ihn, ballte die Fäuste und wollte wutentbrannt aufspringen, um vor ihm zu flüchten.

       Aber Vaaks umschlang ihn mit beiden Armen und zog ihn auf seinen Schoß, wo er sich nicht mehr befreien konnte, obwohl er wütete wie ein Ferkel in der Schlinge des Schlachters.

       Schon immer waren sie gleichgroß gewesen, aber Vaaks übertraf jeden an Breite und Masse, ohne rundlich zu erscheinen. Nein, er war kantig, nicht kurvig.

       »Du bist schön«, beschwor Vaaks ihn. »Ich habe nicht dich ausgelacht, ich habe über sie gelacht. Ich liebe deine Augen. Jeder von uns liebt deine Augen. Sie sind besonders, nicht seltsam.«

       Xaith spürte, dass er sich nicht befreien konnte, und ließ sich matt gegen Vaaks` warmen Körper fallen. »Ach ja, meinst du?«, murmelte er und nestelte mit den Fingern an den Ärmeln seines Bruders herum.

       »Ich weiß es!«, beteuerte Vaaks. »Die anderen Kinder sind doch nur neidisch, weil sie gewöhnliche, langweilige Augen haben. Sogar ich bin manchmal neidisch, wenn ich deine sehe.«

       Überrascht drehte Xaith das Gesicht zu ihm um. »Ja wirklich?«

       Vaaks nickte schüchtern und ließ Xaith langsam los, woraufhin dieser eher widerwillig von seinem Schoß zurück auf die Bank rutschte. Interessiert und mit verklebten Wimpern betrachtete Xaith seinen Bruder.

       »Ja, aber …«, Vaaks zuckte mit den Schultern, »…nur bis ich dich ansehe und dann kann ich nicht mehr neidisch sein.«

       »Warum nicht?«, drängte Xaith sofort zu erfahren.

       Aber Vaaks nagte nur an seiner Lippe und zuckte erneut mit den Schultern, ohne ihn ansehen zu können. »Weiß nicht, ist eben so.«

       Xaith wollte weiter fragen, als Vaaks plötzlich den Kopf hob und ihn traurig ansah. »Ich muss dir was beichten.«

       Verwundert blinzelte Xaith ihn an. »W…was?«, stotterte er alarmiert.

       Vaaks schürzte die Lippen und starrte auf die Bank unter ihnen. »Ich habe kein Geschenk für dich.«

       »Geschenk?«

       »Ist doch dein Wiegenfest! Da wird man beschenkt.«

       »Das haben wir noch nie getan.«