... und am Ende wird alles gut. Martin Dolfen Thomas Strehl

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Название ... und am Ende wird alles gut
Автор произведения Martin Dolfen Thomas Strehl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753197005



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mehr werden. Trotzdem schienen sie zufrieden, nein, mehr, sie waren glücklich.

      Ich vergaß den Wald. Dunkelheit umfing mich und es war nicht die Nacht.

      Plötzlich waren sie wieder da. Die schweren Gedanken, die ich mit in meinen Traum nahm.

      Als ich erwachte, spürte ich sofort, dass ich allein war. Hans und Franz waren früh aufgebrochen, aber sie hatten mir eine Nachricht hinterlassen. Und nicht nur das.

      Der Gaskocher und ein paar Dosen lagen in meinem Fahrradanhänger, geschmückt mit einem Zettel.

      »Moin Simon. Nimm den Kocher, du brauchst ihn mehr als wir. Und die Verpflegung, damit du nicht vom Fleisch fällst (Zwinkersmily). Wir wünschen dir alles Gute auf deiner Reise und wenn du in der Nähe von Bremen eine Unterkunft brauchst, dann melde dich bei unserem ehemaligen WG-Genossen. Er wird dir Unterkunft gewähren. Gruß Hans und Franz. «

      Darunter befand sich eine Adresse.

      Ich würde mit dem Zug an Bremen vorbeifliegen, soviel war für mich klar. Trotzdem steckte ich die nette Nachricht in meine Tasche.

      Ein kurzer Check, ob ich schon neue Penunsen auf dem Konto hatte, verlief negativ.

      Also noch ein Tag im Sattel.

      Der Wahnsinn hatte von mir Besitz ergriffen.

      Gestern hatte ich über dreißig Kilometer geschafft, nicht schlecht für einen übergewichtigen Hobbit. Mal sehen, wie weit mich der Wind heute trieb.

      Ich orientierte mich auf meinem Handydisplay neu, schob das Fahrrad zurück auf den Feldweg und quälte mich in den Sattel. Meine Beine wollten mir den Dienst verweigern, mein Hintern fragte mich, ob ich noch ganz dicht wäre, doch ich ignorierte alles und fuhr einfach los.

      Weg von dem Ort, an dem ich mich nie zu Hause gefühlt hatte, einfach nur weg ...

      Kapitel 4

      Kamp-Lintfort. Das war mein Ziel. Knapp über dreißig Kilometer entfernt. Man sollte eigentlich glauben, dass Fahrrad fahren mit einem E-Bike nicht unbedingt als anstrengend zu bezeichnen ist. Stimmt. Doch als herzkranker, übergewichtiger Diabetiker, der die letzten Jahre eigentlich nur in der Bude gehockt hatte, verhielt sich das anders. Außerdem wusste ich nicht mehr, dass das Ignorieren körperlicher Einschränkungen zu weiteren körperlichen Einschränkungen führte. Schon nach wenigen weiteren Kilometern gab es kein Körperteil mehr, dass nicht schmerzte. Ich war einfach nichts mehr gewohnt. Trotzdem, ich wollte mein Vorhaben in die Tat umsetzen. Also: schön weiterbewegen.

      Die Feldwege waren verwaist. Das ein oder andere Rentnerpaar oder ab und an mal ein Trecker, dem ich ausweichen musste, kreuzten meinen Weg. Klar, es war ein stinknormaler Wochentag und wer machte da vormittags schon eine Radtour durchs Feld?

      Ich kam zügig voran. Es erstaunte mich, dass in unserem modernen voll bebautem Bundesland noch so viele Felder existierten. Dass einsame Weiten in buntesten Farben zu bestaunen waren. Aus einem mir unerfindlichen Grund machten meine Beobachtungen die Reise interessanter und ich vergaß, weswegen ich eigentlich aufgebrochen war.

      Ich roch frisch gemähtes Gras, sah Korn, das im Wind hin und her wippte und nahm den durchdringenden Geruch der hellgelben Rapsblüten wahr. Und ich roch etwas, dass die Urinstinkte des Menschen ansprach. Freiheit!

      Jeder wird diesen Duft anders beschreiben. Für den einen ist es womöglich die Seeluft. Für den anderen sind es die Gerüche der Stadt. Wieder andere werden den Wald nennen. Doch für mich war es in dem Augenblick das Feld und der Weg, den ich fuhr, auch wenn er nur aus Asphalt und getrocknetem Kuhmist bestand.

      Immer wieder hielt ich an und kontrollierte mit dem Handy, wo ich mich aktuell befand. Ich kam gut voran und das Wetter spielte ebenfalls mit. Sonnig und warm.

      Dreieinhalb Stunden vergingen und ich hatte die Ortsgrenze von Kamp-Lintfort erreicht. Ich schwitzte stark und leider stank ich auch. Zum Glück hatte ich die Dose Deospray mit in die Tasche gepackt. Ich hielt an, schaute mich um und als ich sah, dass niemand in der Nähe war, schob ich mein T-Shirt hoch und versprühte das Deo unter meinen Armen und auf meinem Oberkörper. So sollte es gehen. Im Zug konnte ich ja noch einmal nachlegen. Ich fuhr noch ein paar Meter bis zu einer Siedlung. Um mich zu orientieren schaute ich wieder auf mein Handy. War das möglich? Kamp-Lintfort war die nächstmögliche etwas größere Stadt auf meiner Route gewesen. Von daher nahm ich an, dass es hier einen Bahnhof gab. Gab es aber nicht. Erst im April 2020 zur Landesgartenschau sollte eine Bahnverbindung reaktiviert werden. Ziemlich bedröppelt schob ich das E-Bike ein paar Meter weiter. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich am Straßenrand jede Menge Leute versammelt hatten. An einer Parkbank lehnte ich das Rad an. Eine ältere Dame saß am Rand der Bank und starrte auf die Straße.

      „»Darf ich?«, fragte ich vorsichtig.

      »Bitte, junger Mann,« sagte die Frau, die mit großem Hut und ihrem eleganten Kleid aussah, als wäre sie gerade einem Film aus den Dreißigern entsprungen. Mit einer einladenden Geste deutete sie auf den Platz neben sich, ohne dabei den Blick von der Straße zu nehmen.

      »Danke!«

      Sie nickte nur beiläufig und behielt ihr Ziel im Auge.

      Ich lehnte mich zurück, schaute mich um und endlich wurde mir klar, warum die Menge am Straßenrand verharrte und die Dame neben mir wie gebannt auf einen Punkt schaute.

      Gegenüber der Parkanlage, auf einem mehrstöckigen Haus, turnte ein Mann auf dem Dach herum. Warum auch immer … Ich war der Meinung, es müsste sich um einen Künstler handeln. Entspannt betrachtete ich den Kerl auf dem Dach und grub mich noch ein wenig tiefer in das leicht vermoderte Holz.

      »Meinen Sie, er springt?«

      Mit Unverständnis betrachtete ich die Alte. Mir war die Frage suspekt.

      »Er springt?«, flüsterte ich fragend.

      Gerade, als sie antworten wollte, ertönten Sirenen. Kurze Zeit später wimmelte es nur so von Feuerwehrautos und Polizeiwagen. Die Straße wurde abgeriegelt und die protestierende Menge in den Park verwiesen. Uns sagte man nichts. Wahrscheinlich waren wir tarnfarben. Man ließ uns einfach auf der Parkbank sitzen. Quasi in der ersten Reihe, so als hätten wir die besten Plätze reserviert. Erst jetzt fiel mir auf, was es denn mit dem ganzen Tohuwabohu auf sich und was die Frau mir zu erklären versucht hatte.

      Der Mann dort oben war kein Künstler. Niemand, der den Leuten zum Gefallen etwas präsentieren wollte. Der Typ hatte schlichtweg vor, sich das Leben zu nehmen.

      Was für eine Ironie, schoss es mir durch den Kopf.

      Der lange Mantel des Mannes auf dem Dach flog wie der Muleta eines Toreros hin und her. Nur dass der Mensch dort oben kein Matador war, sondern ein vor Aufregung zappelndes Nervenbündel.

      »Mein Gott. Wie lange steht der denn schon da oben?«, fragte ich die Frau.

      Sie schaute mich aus kleinen weisen Augen an, an deren Seiten sich tiefe Falten gebildet hatten.

      »Ich sitze hier jeden Tag, junger Mann. Jeden Tag«, wiederholte sie. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«

      Da war es wieder, dieses junger Mann. Als Endvierziger war ich mit Sicherheit kein junger Mann mehr, aber aus ihrer Sicht vielleicht schon. Auf jeden Fall hatte sie vergessen, meine Frage zu beantworten. Behutsam, um ihr nicht zu nahe zu treten, wiederholte ich freundlich die Frage: »Das glaube ich Ihnen gern. Wissen Sie denn, wie lange er schon da oben steht?«

      »Ein paar Minuten.« Ihr Blick blieb auf mir haften.

      Ich nickte und lächelte unsicher.

      »Wieso?«, meinte sie.

      Ich hatte immer gelernt, dass es keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten gab. Für den Moment begann ich daran zu zweifeln. Die Frage, warum ich fragte, machte doch gar keinen Sinn. Ich riss mich zusammen und antwortete: »Selbstmörder, die ihren Suizid