Название | ... und am Ende wird alles gut |
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Автор произведения | Martin Dolfen Thomas Strehl |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753197005 |
Doch Schlaf wollte sich keiner mehr einstellen. Immer wieder liefen die letzten Begegnungen wie ein Film in meinem Kopf ab. Das Bauernehepaar, die Handwerker auf der Walz, die alte Lady. Alle hatten mir deutlich gezeigt, warum mein Leben nicht lebenswert war. Ich hatte keine Familie mehr, keine Freunde und niemanden, der mich liebte. Nur einen Job, der mir zum Hals heraushing, einen Körper, der nach und nach versagte und Freizeit, mit der ich nichts anzufangen wusste.
Anhedonie war der Fachbegriff, wenn man sich an nichts mehr erfreuen konnte. Aber zu wissen, wie man den Feind benennt, macht es nicht besser.
Check dein Bankkonto. Vielleicht ist dein Geld drauf und du kannst mit der Bahn weiterfahren. Vorausgesetzt, du findest eine Stadt mit fertigem Bahnhof.
Ich hatte es eilig damit, meinen Plan auszuführen. Ich wollte keine weiteren, einsamen Nächte.
Ich griff nach meinem Handy, wollte schon den Explorer öffnen, als ich plötzlich eine Stimme vernahm. Eine unverkennbar weibliche Stimme.
Schrill und aufgeregt.
»Hey, Finger weg, du Arsch, das sind meine Sachen.«
Dann war es wieder ruhig.
Jetzt bekommst du auch noch Halluzinationen. Bildest dir Stimmen ein, wo gar keine sind. Eine imaginäre Freundin, um nicht länger einsam zu sein.
Aber warum hatte sie mich direkt als Arsch beschimpft? Wir kannten uns doch noch keine fünf Sekunden.
Als ich gerade wieder die Augen schließen wollte, hörte ich die Stimme erneut.
»Das ist meine Tasche. Gib sie sofort wieder her.«
Dann eine männliche Stimme. »Und wenn nicht? Was willst du dann tun, Zuckerschnecke?«
Ich wollte die Ohren verschließen, zurück in das schwarze Loch der Depression. Nichts hören und sehen. Keinen Kontakt mehr mit der Umwelt haben. Doch das konnte man sich nicht aussuchen. Ich war voll da und bekam jedes Wort des Streits mit.
Die Personen konnten nicht weit von mir entfernt sein. Etwas weiter links an der nächsten Lichtung im Ufergestrüpp. Ich konnte jedenfalls, obwohl beide Personen noch nicht schrien, jedes Wort verstehen.
Was genau zu meiner Misere führte.
Unweit von mir war eine Frau in Schwierigkeiten und ich lag hier einfach nur herum.
Eine holde Maid in der Bredouille, sagte eine spöttische Stimme in meinem Kopf. Klappt das Visier herunter, Ritter Simon, legt die Lanze in Anschlag und reitet los.
Doch ich war kein mutiger Streiter, kein Held. Eigentlich war ich, selbst in meiner Jugend, jeder Konfrontation aus dem Weg gegangen. Frei nach dem Motto: Lieber fünf Minuten feige, als ein Leben lang tot.
Ich beschloss für mich, dass mich der Streit nichts anging,
wollte meine Ohren auf Durchzug schalten, doch ob ich wollte oder nicht, ich hörte einen kurzen Schrei, gefolgt von höhnischem Gelächter.
Ich erhob mich. Automatisch, als hätte sich mein Körper selbstständig gemacht.
Nur mal nachgucken, was los war, dachte ich. Dann konnte ich immer noch entscheiden, wie es weitergehen sollte.
Ich stolperte den Weg zurück zur Straße, fand schnell den nächsten Trampelpfad zum Ufer und folgte ihm.
»Hört auf mit der Scheiße«, hörte ich, diesmal viel näher, die Frauenstimme.
Ich wollte weitergehen bis ich etwas sehen konnte, lief um den nächsten Strauch und stand plötzlich mitten drin im Geschehen.
Ich brauchte nur Sekunden, um die Situation zu erfassen. Mein Gehirn arbeitete ausnahmsweise mal auf Hochtouren.
Eine Frau stand auf der Mitte der Rasenfläche, doch sie hatte keinen Ärger mit einem Mann, sondern mit dreien.
Einer davon hatte mich wohl kommen hören und machte die anderen auf mich aufmerksam.
Es waren Jugendliche, sechzehn, siebzehn Jahre alt.
Mit Sporthosen, Muskelshirts und Chucks. Und der Gewissheit unsterblich und mir gnadenlos überlegen zu sein.
Gut, dass mit dem unsterblich stimmte nicht und das Leben würde sie diese Lektion früher oder später lehren. Der Rest des Satzes stimmte leider. Ich würde nichts gegen sie ausrichten können.
Mir wurde schlagartig noch etwas anderes klar: Es war auch zu spät den Rückzug anzutreten. Also musste ich mich stellen, das Beste aus der Situation machen.
John Wick hätte die drei jetzt mit einem Bleistift bewaffnet ins Nirvana geschickt, aber ich hatte keinen dabei.
Jack Reacher hätte noch drei weitere Typen angefordert, damit er auch ein bisschen Spaß bekam. Und Denzel Washington hätte als Equalizer genau berechnet, wie lange er brauchen würde, um die Typen ins Gras zu schicken.
Aber ich war keiner von den dreien. Ich war nur eine Wurst. Eine dämliche noch dazu, so ins Elend zu rennen.
»Na Dicker«, meinte der Vogel, der mir am nächsten stand. »Willst den Helden spielen?«
Ich wollte etwas sagen, irgendwas cooles, doch ich stand nur da, festgenagelt, unfähig mich zu bewegen.
Mein Blick fiel auf die Frau, die mir hoffnungsvolle Blicke zuwarf, allerdings nicht lange, denn sie schien zu ahnen, dass nicht der Held gekommen war, den sie sich erbeten hatte.
Eigenartig, das machte mich wütend.
Ich hatte schließlich nicht nur eine Menge Action Filme gesehen, sondern auch alle Rocky Verfilmungen, inklusive der Creed Ableger.
Also stellte ich mich in eine Boxpose oder etwas, was ich dafür hielt.
Die Jugendlichen ließen sich nicht wirklich davon beeindrucken.
»Was hast du vor, alter Mann?«, sagte der eine nur lässig. »Mach weiter so und mit viel Glück sterben wir vor Lachen.«
Ich wusste nicht mehr, was ich empfinden sollte. Wut, weil man mich nicht für voll nahm, Angst, weil ich kein Kämpfer war?
Ich brauchte aber nicht lange über meine Gefühlslage nachdenken, denn das nächste, was ich empfand, war Schmerz.
Der Typ, der mich zuerst angesprochen hatte, wirbelte plötzlich herum und trat mir, mit einem herrlichen, olympiareifen Sidekick, in die Rippen.
Er wollte scheinbar nicht nur aussehen, wie ein Action Held, nein, er war die Reinkarnation von Bruce Lee.
Ich klappte zusammen, unfähig etwas zu sagen oder nur zu atmen, dann war mein Angreifer schon wieder da, trat mir vor die Brust und ich fiel, wie ein zappelnder Maikäfer, auf den Rücken.
Alle drei Jugendlichen schauten mich an, mit einem dreisten Lachen auf dem Gesicht und sie vergaßen, für eine Millisekunde, das eigentliche Ziel ihres Angriffs.
Und das sollte sich aufs Übelste rächen.
Einer der Jungs klappte plötzlich noch schneller zusammen als ich, weil ihm schmerzhaft und mit viel Elan in die Weichteile getreten wurde.
Der zweite bekam eine Tasche gegen den Hinterkopf geschleudert und er sackte zusammen, als wäre ein Hinkelstein der Inhalt des Beutels.
Dem dritten, der sich mit mir befasste, sprang die Frau auf den Rücken und lange Nägel zerkratzen sein Gesicht.
»Meine Augen, meine Augen«, schrie er, auch wenn die Kratzer nur über seine Wangen gingen.
Die Frau sprang von seinem Rücken und hieb ihm mit der Faust vor die Schläfe. Sofort gaben auch seine Beine nach und er landete auf den Knien.
Innerhalb von Sekunden hatte sich das Bild gewandelt. Jetzt knieten die drei vor mir, denn inzwischen hatte ich mich mühsam wieder aufgerappelt.
Okay, genauer gesagt knieten sie vor der Rachelady, die einem Quentin Tarantino Film entsprungen