Mimikri. Dennis Weis

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Название Mimikri
Автор произведения Dennis Weis
Жанр Языкознание
Серия Mimikri
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742769961



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wollte.

      „Hey, alter Mann“, rief auf einmal eine der Wachen und Dyako wusste ganz genau, dass er gemeint war.

      Er blieb sofort stehen und schaute nur etwas nach oben, um nicht unhöflich zu sein, aber nicht zu viel, damit er sein Leben nicht riskierte, denn Dyako wollte, dass die Wachen ihn auf keinen Fall als Bedrohung ansahen, denn dann machten sie kurzen Prozess mit ihm.

      „Ja, Herr?“ fragte er mit schwacher Stimme, um seine Schwäche offen zu demonstrieren.

      „Was liefern sie?“ stellte die Wache ihm und kam näher.

      „Eier und etwas Milch“, antwortete Dyako so schnell er konnte.

      „Gut, das brauchen wir nicht“, sagte die Wache und winkte ihn weiter, „Opa, du kannst passieren.“

      „Danke, Herr“, hauchte Dyako und senkte seinen Kopf wieder nach unten- das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass ihm die Wachen alles abnahmen, was er mitgebracht hatte und er mit leeren Händen nach Hause gehen musste.

      Er wollte innerlich rasch weitergehen, wenn nicht gar laufen, aber sein Verstand sagte ihm, dies nicht zu tun und ruhig zu bleiben. Er würde sonst auffallen und dies bedeutete auf jedem Fall Ärger, Schmerzen oder gar den Tod. Eine andere, ganz leise Stimme wiederum meinte, dass es nicht verkehrt wäre, denn was für einen Sinn machte so ein trostloses Leben, wie er eines führte, überhaupt noch? Er musste sich zusammenreißen, um diesen Funken im Keim zu ersticken. Die Stimme seiner Frau hinderte ihn daran.

      Ohne weiter einen Gedanken daran zu verschwenden, sich in selbstmörderischer Absicht mit den Wachen anzulegen, begab Dyako sich an eine freie Stelle des Marktes und bot seine Eier und die Milch an. Es dauerte etwas, ehe er alles loswurde und ein wenig Taler damit gemacht hatte. Durch das viele Feilschen, war es weniger als das letzte Mal, aber genug, um zu überleben und darum ging es immerhin. Die Leute hatte halt nicht mehr so viel Geld, wie noch vor Jahren, da sie immer weiter ausgebeutet worden. Seine Figuren hatte er vergessen und würde diese beim nächsten Besuch mitbringen. Dann würde es wieder etwas mehr sein.

      Dyako kaufte davon Brot, Käse und Äpfel, den Rest behielt er. Dann machte er sich auf dem Heimweg. Irgendwie war heute der Wurm drin und er lief dem Tag hinterher. Heute war er später dran und er fürchtete, dass die Sonne untergegangen war, ehe er zu Hause ankam. Hauptsache war, dass er den Wald durchquert hatte, sonst würde er wohl bis zum Morgengrauen nicht hinausfinden.

      „Hey, alter Mann, da bist du ja wieder“, fiel der Wache auf, als Dyako erneut das Tor passieren wollte.

      Sofortig hielt er inne und blickte, wie zur Hinreise wieder nur zur Hälfte nach oben. Dass die Wache sich an ihn erinnerte, ließ bei Dyako ein ungutes Gefühl aufkommen. Es war nie ein gutes Zeichen, wenn Soldaten der Nocta sich das Gesicht gemerkt hatten. Zu oft hatte er mitbekommen, dass es für jene mit übelsten Verletzungen oder sogar tödlich endete. Aber was sollte Dyako unternehmen? Weglaufen konnte er nicht.

      „Was hast du nun dabei?“ fragte ihn die Wache.

      „Äpfel, Käse und Brot“, teilte Dyako wahrheitsgemäß mit, „und noch drei Taler, mein Herr.“

      Dyako wollte ehrlich sein, denn er war der Überzeugung, dass sie ihn durchsuchen würden, hätte er gelogen oder auch nur den Anschein gemacht. Mit der Wahrheit riskierte er, alles zu verlieren, aber er behielt sein Leben und des war ihm wichtig geworden. Seine Frau hätte nicht gewollt, dass er sich auf eine dumme Art opferte.

      „Das trifft sich gut, denn ich habe Hunger und noch nichts Vernünftiges in meinem Magen“, sagte die Wache, „magst du mir dein Essen geben?“

      Dyako wusste, dass die keine wirkliche Bitte war, sondern vielmehr eine Fangfrage. Dyako war nicht dumm, aber auch er hatte Hunger und freute sich schon den gesamten Tag, nach Hause zu kommen, um das Brot, den Käse und die Äpfel zu verspeisen.

      „Was?!“ fragte die Wache, nachdem Dyako gezögert hatte, „willst du nicht?“

      „Doch, natürlich, mein Herr“, antwortete Dyako, um sich aus der Situation zu retten, aber es war zu spät, denn das leichte Zögern vernahm der Soldat und kam näher.

      Die Wache holte aus und knallte dem alten Mann seine flache Hand mitten ins Gesicht, als ob Dyako ein kleines Kind wäre, dass nicht gehorchen kann.

      „Nun rück‘ das Essen schon raus, bevor ich ungeduldig werde, du alter Bastard“, verlangte die Wache.

      Dyako beugte sich nieder, ohne sich die schmerzende Wange zu halten. Er griff in seine Tasche und holte alle heraus, was sich darin befand und hielt es der Wache hin. Er drehte seinen Beutel einfach um. Das Essen lag allesamt auf den Erdboden.

      „Bitte, der Herr“, hauchte er.

      „Warum nicht gleich so?“ fragte die Wache und nahm alles an sich und drehte sich von Dyako weg.

      Dyako konnte es nur sehen, weil er auf die Schuhe des Mannes starrte. Es machte sich ein wenig Erleichterung in ihm breit. Dies änderte sich schlagartig, als die Wache sich erneut umdrehte und einen Schritt auf Dyako zumachte.

      „Bevor ich es vergesse“, meinte er, „die 3 Taler möchte ich ebenso…, weil du nicht gehorcht hast, Bastard.“

      Dyako gab ihm das Geld, ohne auch nur einen Ton von sich zu geben. Er machte es sehr rasch, auch wenn er sich am liebsten die Wange halten wollte, denn der Soldat hatte erstaunlich gut getroffen. Er guckte dabei weiterhin zu Boden. Sein Hunger war in diesem Moment verflogen, da Angst sich in ihm breit machte. Was, wenn er nicht mehr lebend nach Hause kam? War er nun so weit, um zu seiner Frau zu gehen? Etwas in ihm wollte dies unbedingt, aber etwas anderes nicht.

      Es war wie ein Traum als er die Stimme seiner Frau hörte, wie sie ihm sagte, dass alles gut werde und er nicht aufgeben sollte. Sie wolle nicht, dass er trauere, sondern dass er lebe. Ein verschmähtes Leben war gar kein Leben. Sie wolle nicht, dass er so ende.

      „Bastard?“ fragte die Wache und unterbrach seine Gedanken.

      „Ja, Herr?“ reagierte Dyako im letzten Augenblick, ehe die Wache auf andere Gedanken kam.

      „Viktor?“ rief die andere Wache fragend in die Richtung der beiden.

      „Was?“ rief der Angesprochene widerwillig, denn er wusste wohl, was kommen würde.

      „Lass‘ ihn laufen“, sprach die andere Wache mit einem sehr energischen Ton.

      Viktor sagte nichts, aber Dyako verspürte, dass es ihm nicht passte, wie die andere Wache mit ihm sprach. Dennoch hatte er wohl keine andere Wahl und ließ von Dyako ab. Er drehte sich um und ging schnurstracks zu seinem Wachkameraden. Dyako war wie erstarrt und traute sich nicht, aufzustehen oder fortzugehen. Vielleicht war es eine Falle?

      „Du kannst gehen“, meinte die andere Wache, „los, alter Mann, bevor ich es mir anders überlege.“

      Schnellstens machte sich Dyako auf. Er schnappte sich seinen Stab, seinen leeren Beutel und zog von dannen. Als er aus Sichtweite war, blieb er stehen und fing an zu weinen. Es begann mit einigen Tränen und endete in einen kurzen Heulkrampf. Er musste sich am Stab abstützen, um nicht zusammen zu brechen.

      Zum einen war er erleichtert, aber zum anderen war ihm in diesem Moment bewusst, dass er nie wieder hier vorbeikommen könnte, wenn Viktor Dienst hatte. Er würde dort fortsetzen, wo er heute aufhören musste. Er würde sich für die Worte der anderen Wache an Dyako rächen. Die andere Wache würde nicht immer im Dienst sein, wenn Viktor dort war.

      Dyako hatte keine Zeit zum Nachdenken- er musste nach Hause! Die Sonne war schon in der Nähe des Horizonts und drohte zu verschwinden. Also macht er sich der alte Mann auf- mit Tränen, die er sich wegwischte und einer schmerzenden Wange. Und dann war es so, wie es immer war, wenn es schnell gehen musste: Es ging nicht.

      Dyako war vom Tag und von dem Vorfall sehr erschöpft und hastete aus nur einem einzigen Grund nach Hause- wegen der kommenden Dunkelheit. Die Sonne war schon zur Hälfte vom Horizont verschlungen worden und war bereit für ihren täglichen Untergang, als Dyako gerade erst den Wald betrat. In diesem Moment fühlte