Название | Komparsen-Blues |
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Автор произведения | Mike Nebel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742746368 |
Gegen Mittag nahmen wir Platz auf einer der Tribünen. Rufus, so der Name seines Hundes, machte zwischen uns Sitz. Er sabberte nur allzu gern meine Hosen ein. Wir drei waren sofort wie angefixt von diesem Wetteifer der Pferderennen. Michalski war wie ausgetauscht. Die Trabrennbahn war sein Element. Er gestikulierte wild wie ein Verrückter, der er ja ohne Zweifel auch war, und erklärte mir dabei jedes Detail zu jedem Pferd und jedem dazugehörigen Jockey. Dann lief er los und besorgte uns Wettscheine und Bier, und zwar für uns drei, Rufus eingeschlossen, und er meinte das durchaus ernst. Rufus bekam eine Mischung aus Wasser und Bier in eine Trinkschale, die Michalski immer dabei hatte, wobei Michalskis Mischverhältnis selten zugunsten des Wassers ausfiel, was Rufus jedoch nicht weiter störte. Im Gegenteil, er stürzte sich förmlich auf seinen ersten Drink und schlabberte in schnellen Zügen seinen Napf leer. Er quittierte es mit zufriedenem, aber auch forderndem Bellen nach mehr. Auch für Rufus war der erste Napf nur der Beginn für einen feuchtfröhlichen Tag und er wurde von seinem Herrchen keineswegs außen vorgelassen. Rufus bekam regelmäßig, wie auch wir selbst, seine Portion. Michalskis Wettstrategie war, nur auf die hohen Favoriten zu setzen. Er war ein Schisser und mied das Risiko. Außenseiter gewinnen zu selten, brabbelte er ständig. Ich dagegen setzte nur auf Außenseiter und zwar die Form von Außenseiter, die nun wirklich keiner auf der Rechnung hatte. Auch die, denen Michalski totale Formschwäche attestierte. Michalski gewann oft und kassierte wenig, ich ganz selten, aber dafür bis zum Zehnfachen meines Einsatzes. Wir hatten immer einen Grund zu feiern. Rufus ließ es sich nicht nehmen, seine Kommentare in Form von freudigem Gebelle kundzutun. Er war genauso wild auf die Rennen wie wir und bellte die trabenden Pferde lautstark ins Ziel. Michalski übernahm das Ausfüllen von Rufus Wettscheinen, was aber nichts anderes bedeutete, als dass Rufus genauso risikolos wetten musste wie sein Herrchen. Ich war erstaunt, was der Hund vertrug, denn selbst nach vier, fünf leergeschleckten Trinkschalen bellte er keineswegs fahrig, launig oder überdreht. Er war die ganze Zeit wirklich gut bei der Sache. Ich dachte mir, wahrscheinlich wird er als Tier sehr wohl merken, das dort ebenfalls Tiere im Geläuf unterwegs sind, was vielleicht eine gewisse geistige Verbundenheit zwischen Hund und Pferd erzeugte. So konnte es gewesen sein. Sie gehören einer gemeinsamen Spezies an. Rufus und Michalski dagegen nicht und möglicherweise konnte Rufus das erkennen. Vielleicht kreisten in seinem Hundekopf auch Gedanken an eine zukünftige Neuordnung zwischen Tier und Mensch, das eben der Zeitpunkt komme würde, wo Hunde und Pferde sich den Menschen untertan machen und dressieren würden. Rufus war immerhin ein Hund, kein Idiot. Je mehr ich trank und darüber sinnierte, so realistischer erschien mir ein derartiges Bild der Zukunft. Noch nicht morgen, oder nächstes Jahr, aber irgendwann. Wir vertranken immer all unsere Wetteinahmen bis zum letzten Groschen und zogen dann von Glück besudelt, ein Hund und zwei Männer, zurück zur U-Bahn. Ja, es waren wunderbare Sonntage auf der Trabrennbahn.
Mit diesen wohligen Gedanken stand ich vor Michalskis Tür. Wir werden Fragebögen ausfüllen, er sein Gras rauchen, ich sein Bier trinken und beide werden wir Rufus dabei zuschauen, wie er sich genüsslich durch meine Probepackungen fressen würde. Mache den Menschen und Tieren Geschenke und sie sind außer sich vor Freude. Eine alte Binsenweisheit, die auch an diesem Nachmittag ohne Abstriche auf Michalski und Rufus passte. Drei Kilo Trockenfutter bedeuteten für Michalski, den guten alten Rufus über Wochen bei Laune und Kraft halten zu können und klein zerbröselt ginge das Zeug auch als Vogelfutter für seinen Sittich durch. Michalski war nicht der Typ für große Worte, seine Freude über den unerwartet großen Gabentisch zeigte er durch beherzte Schläge auf meine Schulter und einer anschließenden kurzen, aber wilden Luftgitarreneinlage, die so abrupt endete, wie sie begann. Wir machten es uns zu dritt auf seinem mit Brandlöchern durchsiebten Orientteppich gemütlich, tranken, und Rufus fraß die Brocken in sich rein. Michalski stellte noch den Vogelkäfig zu uns, so waren wir eine gemütliche Runde von zwei Menschen und zwei Tieren, jede Spezies war quasi pari vertreten. Ich fand es erstaunlich wie widerstandsfähig beide Tiere, auch der Sittich, waren. Michalski war ständig am Rauchen, egal ob Gras oder Zigaretten, und der Sittich befand sich permanent in einer dichten Wolke. Nur dank seiner gelben Signalfarbe blieb er für uns sichtbar und es war bemerkenswert, dass er nicht von Atemnot geplagt, von der Stange fiel.
Unglaublich, an diesem Nachmittag waren wir in der Lage sämtliche fünfzig Fragebögen auszufüllen. Tatsächlich war es so, dass Michalski nach zehn Bögen auf dem Teppich einschlief und ich die restlichen im Beisein seiner Tiere, die wach blieben und mir zuschauten, selbst bekritzelte. Ich machte schließlich einen großen Schritt über den schlafenden Körper meines Nachbarn, kraulte zum Abschied den borstigen Hundeschädel und schloss leise die Tür hinter mir. Michalski hatte sich seinen Schlaf redlich verdient.
Drei Tage später saß ich wieder im Büro meines Chefs, breitete sämtliche ausgefüllte Fragebogen auf seinem Schreibtisch aus und erzählte ihm, wie großartig und erfolgreich meine Zeit als Befrager und Verkoster gewesen ist.
„Keinen