Название | Komparsen-Blues |
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Автор произведения | Mike Nebel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742746368 |
Stille. Er lächelte und warf mir den nächsten geistigen Brocken zu, nach dem ich schnappen sollte.
„Sehr gut, und jetzt sage ich Ihnen ein zweites Wort, was Sie sicherlich auch schon mal gehört haben. Es lautet: Marken! Und wenn ich jetzt beides miteinander kombiniere, dann ergibt das,…na was ergibt das dann?“
Ich neigte früher dazu, wenn man mich mit bestimmten Fragen aus der Reserve locken wollte, meinen Kopf etwas zur rechten Seite kippen zu lassen, ähnlich wie es eben auch Hunde manchmal tun.
„Hundefutter-Marken!“ blökte ich erfreut in den Raum.
„Und jetzt das Ganze andersrum!“, forderte er mich freudig schreiend auf.
Ich drehte meinen Kopf hoch in Richtung Deckenstrahler und dachte kurz über das „andersrum“ nach. Ohne meine Antwort abzuwarten, riss er sich aus seinem Ledersessel empor und donnerte seinerseits in die Weiten seines nicht gerade klein geratenen Büros. „Marken-Hundefutter, oh Mann, ich rede von Marken-Hundefutter, kapiert?“ Er war sehr erregt. Ich hätte nie gedacht, was eine einfache Packung Hundefutter mit einem Menschen so alles anrichten kann. In diesem Moment war ich mir ziemlich sicher, dass ich ihn nur noch in seiner grandiosen Erkenntnis bestätigen musste, um mir diesen Job zu angeln.
„Sag ich doch, darum geht es heutzutage, Marken-Hundefutter. Ein Thema, was meiner Meinung nach maßlos unterschätzt wird, wirtschaftlich wie auch gesamtgesellschaftlich betrachtet, meine ich.“ Meine Bestätigung war ein Treffer. Ich wusste, ich werde Hundefuttermann. Ich hätte überhaupt kein Problem damit gehabt, mit ihm den ganzen Tag nur über Hundefutter zu reden, zumal ich an diesem Tag sowieso nichts Besseres vorhatte. Dann holte er erneut aus und ließ dabei seine Arme kreiseln, etwas was ich aus irgendeinem Film kannte. Während seine Arme Kreise in die Luft malten, überlegte ich, aus welchem Film ich dieses dämliche Getue kannte.
„Was ist ein Kilo Pansen ohne einen Markennamen und ohne ein Markenschild? Richtig, mein Junge, nichts außer ein dreckiger, stinkender Haufen Mist, den Hunde fressen.“ Nun unterbrach ich ihn, erhob meinen linken Zeigefinger, beugte mich zu ihm vor und fiel ihm ins Wort.
„Und ein Kilo Pansen mit einem Markennamen und einem Markenschild ist alles.“ Ich fuhr, vor Erregung fast platzend, meinen Monolog fort. „Wenn wir diese Geschichte den Leuten nur lange genug ins Hirn hämmern, den Leuten und den Tieren, dann zahlen sie den Preis von drei Minipizzen, obwohl Pansen vielleicht nur die Hälfte von einer Minipizzahälfte kostet. Die Scheiße schmeckt sowieso immer gleich, egal, ob wir über Minipizzen oder Pansen reden.“ Er gaffte mich verdutzt an, da er wohl dachte, ich würde wissen, wie Pansen schmeckt. Wir beruhigten uns wieder, ließen uns in unsere Ledersessel fallen und er begann mir zu erklären, was ich in meinen neuen Job tun müsste. Meine Aufgabe würde es sein, von Haus zu Haus, von Wohnung zu Wohnung zu laufen, um zuerst eine sogenannte Testverkostung am lebenden Objekt, sprich am Hund, durchzuführen. Dann würde mit Frauchen oder Herrchen oder auch beiden, der Teil der Fragen folgen, wobei ich die Antworten in Fragebögen kritzeln müsste. Für den Fragenteil drückte er mir Hunderte Fragebögen in die Hand, für den Fütterungsteil sollte ich Dutzende von 1,5 Kilo Packungen eines vollkommen neuen Hundefutters mit auf den Weg bekommen. Er verschwand kurz hinter seinem Schreibtisch und zog eine Packung von eben diesem noch nie dagewesen Hundefutter hervor. Beste Qualität, neu aufeinander abgestimmte Nährstoffe, neues Geschmackserlebnis. Er pries mir das Futter mit einer Inbrunst an, als ginge es um Leben und Tod. Alles war so unglaublich neu an diesem Produkt und ich als Hundefuttermann mittendrin. Ich hatte nur noch darauf gewartet, er würde hinzufügen: „….und das Zeug ist sogar weltraumgetestet. Haben Sie verstanden? Weltraumgetestet!“
„Dies ist das neue Trockenfutter, um das es geht. Damit gehen Sie auf Reise. Wie gesagt, rein in die Wohnung, Verkostung durchführen, Fragebogen ausfüllen und seien Sie immer schön nett und freundlich. Lesen sie vorher was über Hunde, es macht sich immer gut, wenn Sie ihre Kunden besser kennen und eine Dogge von einem Dackel unterscheiden können. Sie kriegen einen Ausweis, dann sind Sie offizieller Marktforscher im Feld, und los, Feuer frei!“
Danach bekam ich noch ein paar Erklärungen zum Produkt eingebläut, welche die ganze Angelegenheit aber nicht gerade einfacher machten. Das Trockenfutter war angeblich nicht für jeden Hund geeignet. Besser gesagt, die Marketingfritzen derer, die die Brocken herstellten, waren allen Ernstes der Meinung, dass nur mittelgroße Hunde ab fünfzehn Kilo Lebendgewicht auf das staubtrockene Zeugs abfahren würden. Für alle kleineren Rassen und zu kurz geratene Mischlinge sollte der Fraß angeblich einfach nichts sein. Es passe einfach nicht zu dieser Zielgruppe, erklärte mir der Typ ernsthaft. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ein hungernder Rauhaardackel den Unterschied erkennen würde, ob irgendein Trockenfutter nicht für ihn speziell gemacht worden ist, sondern nur für seine deutlich größeren Artgenossen. Nein, das würde er nicht tun. Er würde sich genauso darauf stürzen, wie auf die Kartoffelschalen, die er unter dem Küchentisch finden würde. Eines war mir klar, bei mir wird jede noch so kleine Töle das Zeug testen, also fressen dürfen. Das Einzige, was aus Sicht meines neuen Bosses noch fehlte, war das Gebiet, welches ich beackern sollte. In seinem Büro hing an einer Wand ein übergroßer Stadtplan von Berlin. Ich schätzte die Karte auf ungefähr vier Meter in der Höhe und sechs Meter in der Breite. Ein wahrhaftiges Ungetüm, welches jede noch so kleine Straße der Stadt verschlang. Von Spandau bis tief nach Ostberlin rein war alles drauf. Der Osten war nur farblich grau unterlegt, wie üblich zur damaligen Zeit. Wir standen kaum eine Armlänge von der Karte entfernt stumm nebeneinander und mein Blick blieb auf dem Grunewald kleben. Ich zeigte wortlos genau dorthin, wie ein Kind, was sich von drei Lutschern genau einen aussuchen darf. An seinem Kopfschütteln erkannte ich, dass er das wohl anders sah. Er musterte mich kurz von Kopf bis Fuß und schloss seine Kurzanalyse meines Äußeren mit einem weiteren, heftigeren Kopfschütteln ab. Er war wohl der Meinung, dass ich für dieses Gebiet nicht ausreichend adrett wirkte. Na gut, wenn schon nicht dort, dann wenigstens in meinem Heimatbezirk, im Wedding. Dort kannte ich mich bestens aus. Die Leute dort hatten zwar wenig Geld, aber es gab tausende kleiner Recken. Mir war klar, dass Stadtteile wie Kreuzberg und auch mein geliebtes Schöneberg, in dem ich zwischen Yorkstraße und Mehringdamm so gut wie jede Kneipe kannte, schon deshalb nicht in Frage kamen, weil dort Typen, die mit einem Fragebogen in der Hand an fremden Türen klingeln, um unbekannterweise persönliche Fragen stellen zu wollen, einen derartigen Tritt in den Arsch bekommen, dass sie im Sturzflug durchs Treppenhaus fliegen würden. Noch überlegte mein Boss und ließ seinen Blick quer über die Stadt wandern. Oh Mann, wo will der Typ mich bloß hinschicken? Bitte, bloß nicht nach Spandau oder Tegel, da ist doch der Hund begraben, flehte ich in meinem Kopf. Ich musste ihm mit einem guten Vorschlag zuvorkommen und tippte meinen Finger auf den Wedding. Ich sang sodann ein Loblied auf diesen Stadtteil, dort, wo Frauchen und Herrchen noch ihr letztes Hemd für ihre Teckel geben würden. Dort wäre ich richtig aufgehoben, dort muss ich hin. „Glauben Sie mir, im Wedding gibt es genauso viele Hunde wie Menschen, und ich kenn jeden Baum, an dem sie ihr Bein heben,…also, die Hunde in der Regel.“ Er überlegte kurz und sagte: „Gut, der Wedding gehört Ihnen. Durchpflügen Sie ihn tief und gründlich! Seien Sie ein Fischer! Werfen Sie ihr Netz aus und kommen Sie mit reichlich Beute zurück!“ Ein interessanter Vergleich, dachte ich mir, ich bin also auch ein Fischer. Ein Hundefuttermann und ein Fischer. Die Sache war geritzt.
Ich gab ihm jedoch auch zu bedenken, Wochen würde ich möglicherweise brauchen, um den Wedding zu durchkämmen, und dass ich viele Packungen Hundefutter mitnehmen müsste, sehr viele. Er beruhigte mich, ich könne jederzeit genug Nachschub bekommen. Und was die Zeit angeht, zwei Wochen hätte ich Zeit, keinen Tag mehr. Mein Boss gab mir meine sechs Packungen Trockenfutter und eine Broschüre mit auf den Weg, in der all die famosen Vorteile des Futters zusammengefasst waren. „Durchlesen! Merken! Machen!“ waren seine letzten Worte, dann drückte er mich aus der Tür. Ich stapelte diese äußerst unhandlichen und sperrigen Pappkartons übereinander, schleppte sie das Treppenhaus hinunter, dann in die U-Bahn, dann wieder hoch auf die Straße, dann in meine Bude, um sie schließlich in meiner Küchenspüle fallenzulassen. Dort lagen sie dann und ich starrte sie minutenlang an. Was hatte ich mir denn da für einen unsinnigen Job eingebrockt? Ein Mann läuft zu Fuß,