Название | Todesfalle Campus |
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Автор произведения | Dagmar Isabell Schmidbauer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745015096 |
„Weil er doch eine Freundin hat“, erklärte Stephanie Mittermeier, als breche sie ein großes Geheimnis „Und die wacht sehr eifersüchtig über ihn. Hab ich zumindest gehört.“
„Und wie heißt die Freundin?“ Franziska griff nach einem Blatt Papier, um mitzuschreiben.
„Bernadette Billinger, sie ist die Tochter des Baulöwen Billinger von Billinger und Co., der in Passau und Umgebung schon einige stattliche Komplexe gebaut hat.“
„Aber er hätte sich doch einfach von ihr trennen können“, resümierte Franziska, die nicht ganz nachvollziehen konnte, warum eine junge Frau, egal mit welchem Firmenvermögen im Rücken, das verhindern könnte.
„Nein, nein, nein“, erklärte Steffi geheimnisvoll und lehnte sich etwas zu Franziska hinüber. „Das würde Tom nie machen.“ Die junge Frau kaute auf ihrer Unterlippe herum und schien zu überlegen, wie sie das, was sie sagen wollte, am besten rüberbringen könnte. „Dazu hat der Papa von seiner Freundin zu viel Einfluss und Geld. Neuer Geldadel oder so. Und Tom wiederum hat kein Geld, verarmter Adel mit wenig Kapital und großen Allüren. Aber der ist dafür sehr ehrgeizig und will es zu was bringen. Darum nimmt er nicht jede.“
„Und wie passt da Vanessa rein?“, wollte die Kommissarin interessiert wissen. „Bei der war doch weder das eine noch das andere zu holen.“
„Es passt nicht, aber scheinbar konnte er ihr trotzdem nicht widerstehen. Das kann ja auch kaum jemand. Vanessa kriegte jeden rum. Auch ohne Geld.“ Die Zeugin lachte hell auf, brach ab und musterte die Kommissarin neugierig.
Diese versuchte indes, die neuen Informationen mit dem, was sie bereits über Vanessa Auerbach und ihre Familie wusste, zu verknüpfen. Hübsch war sie, vielleicht hatte sie auch eine Art, auf die bestimmte Männer abfuhren. Wenn Tom Vanessa begehrt hatte, dann nicht wegen ihres Geldes, sondern weil sie umwerfend aussah. Und vielleicht weil sie Dinge tat oder tun wollte, die seine Freundin nicht mochte. Sich zum Beispiel mit ihm an Orten treffen, an denen man Gefahr lief, entdeckt zu werden. Sie hatte zugestimmt sich ihm hinzugeben, ihm erlaubt mit ihr etwas zu machen, von dem sie nicht wusste, was es sein könnte und wie gefährlich es für sie werden würde. Aber hatte sie einkalkuliert, dass er sie dabei brutal misshandeln und am Ende sogar töten würde? Franziska sah Hannes an. Sie hätte jetzt gern gewusst, was er dachte, doch der zuckte nur mit den Schultern. Wäre also interessant, ob Stephanie Mittermaier jenseits ihrer romantischen Theorien wusste, was Vanessa vielleicht wirklich an Tom geschätzt hatte. „Und Sie haben mit Ihrer Freundin über alles geredet?“, fragte sie daher listig.
„Ja, natürlich. Wie sich das für beste Freundinnen gehört!“ Steffi strahlte.
„Dann wissen Sie ja sicher auch, ob Ihre Freundin auf Sado-Maso-Spiele stand. Ich meine auf richtig heftige. Vielleicht fand sie auch das romantisch?“
Die Zeugin wurde rot und nestelte verlegen an ihrer Tasche herum. „Nein, also ich glaube nicht.“
„Haben Sie nicht darüber gesprochen oder hat sie es nicht gemacht?“, hakte die Kommissarin energisch nach.
„Aber über so was spricht man doch nicht!“, erklärte die junge Frau mit entrüstetem Unterton und fragte dann ein wenig schnippisch: „Haben Sie vielleicht noch normale Fragen, ich hab nämlich gleich einen wichtigen Termin.“
„Ja, eine noch. Sind Sie sich eigentlich ganz sicher, dass sich Vanessa Auerbach wirklich mit Tom Seibert treffen wollte?“
Die Zeugin zögerte einen ganz kleinen Moment, bevor sie heftig nickte. „Natürlich wollte sie das, schließlich hat sie ja für ihn geschwärmt.“
Nachdem sie gegangen war, riss Franziska erst einmal das Fenster auf und wedelte sich mit einem Blatt Papier frische Luft zu. „Mir ist schon ganz schlecht von dem Gesülze“, stöhnte sie und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. „Wenn noch einmal jemand von einer romantischen Vergewaltigung schwärmt, ticke ich aus.“
Hannes kicherte über ihre köstliche Darbietung. „So, und jetzt?“
Franziska erhob sich, holte eine Flasche Wasser und schenkte sich in ein großes Glas ein. „Jetzt hoffen wir, dass der Chef möglichst schnell einen Spezialisten auftut, um den armen Gruber zu unterstützen, der hat nämlich gestern Abend eine Sonderschicht vor dem PC eingelegt.“
„Ja genau, erzähl mal“, forderte Hannes und Franziska fiel ein, dass sie ihn ja gar nicht mehr auf den neusten Stand hatte bringen können, weil in dem Moment die romantische Steffi eingeschwebt war.
„Also auf der einen Seite hat der Täter keine Mühe gescheut. Er hat extra eine Prepaidkarte angeschafft und hat sogar einen Facebookaccount gehackt, um die Fotos vom Tatort einzustellen.“ Sie machte eine Pause, damit Hannes ihr in Ruhe folgen konnte.
„Und das hat Gruber herausgefunden?“, fragte der ein wenig ehrfürchtig.
„Ja. Na ja, war wohl nicht so schwer“, relativierte Franziska Grubers Internetkompetenz. „Nachdem er erst einmal wusste, wem die Seite gehört. Du glaubst es nicht: einem Opa, der Miniaturwelten in Nussschalen baut und dessen Enkel meinte, dieses herrliche Hobby müsse er mit aller Welt teilen. Daraufhin hat er ihm einen Facebookaccount eingerichtet, doch der Opa hat sich nie darum gekümmert. Unser Täter dafür umso mehr. Das Passwort war übrigens der Name seiner verstorbenen Frau.“
„Und das ist sicher?“
„Das Passwort? Na du siehst ja, was dabei rauskommt, wenn man so einfache Passwörter verwendet …“
„Mann, Franziska, das weiß ich doch, aber ist es sicher, dass nicht der Opa …“
Franziska lachte. „Gruber war dort, praktisch in der Nacht, weil es ihm keine Ruhe gelassen hat. Der Mann lebt im Altenheim und macht so was sicher nicht. Nein“, sie wiegelte jeden weiteren Vorschlag ab. „Aber dafür besorgt ja Schneidlinger den Spezialisten. Und vielleicht“, sie machte eine unentschlossene Handbewegung, „wissen wir bald schon etwas mehr.“
Als ihr Blick an diesem Vormittag in den Spiegel über dem Waschbecken fiel, hätte sie schon wieder laut aufheulen können. Sie sah einfach schrecklich aus. Ihre glanzlosen mausbraunen Haare waren wie jeden Tag zu einem nachlässigen Pferdeschwanz gebunden, damit sie nicht so wild von ihrem Kopf abstanden. Früher hatte sie ihrer nichtssagenden Haarfarbe gern mit einer rötlichen Haartönung fröhliche Glanzlichter verpasst, aber jetzt … Unter ihren Augen lagen hässliche dunkle Schatten, die Haut war blass und welk und die Lippen so schmal und farblos, dass sie fast übergangslos mit Wangen und Kinn verschmolzen. Es war das Gesicht einer Fremden, einer Frau, die so gar nicht zu ihrem innersten Wesen passen wollte und doch immer massiver Besitz von ihr ergriff.
Wo war sie geblieben, die lebenslustige Mandy, die so vertrauensvoll und optimistisch in den Westen geflüchtet war, mit einem Mann, den sie deshalb liebte, weil er so kraftvoll und zuverlässig war und ihr versprochen hatte, dass im goldenen Westen für sie beide alles gut werden würde.
Wie ein kleiner Schatten huschte ein Lächeln über ihr Gesicht und verschwand gleich darauf zwischen den Falten ihrer Mundwinkel. Resigniert schloss sie die Augen und hielt sich schnell am Waschbecken fest, damit sie nicht völlig den Halt verlor.
Wie lange hatten sie als Familie schon nichts mehr unternommen, wie lange nicht mehr miteinander gelacht? Wo war die Liebe von damals geblieben?
Vanessa war ihr Sonnenschein gewesen, mit ihren Engelslöckchen hatte sie jeden betört. „So süß, die Kleine, und diese Haare, genau wie der Papa!“, hatten die Leute geschwärmt, wenn sie mit ihr auf dem Spielplatz war oder beim Ballettunterricht, im Schwimmbad, in der Musikschule und später – aber da war sie dann schon nicht mehr so süß, sondern langsam ziemlich schwierig – bei der Nachhilfe. Alles hätten sie getan, um Vanessa einen optimalen Start ins Leben zu ermöglichen, alles!
Als sie fünf gewesen war, bauten sie das Haus