Mirabella und die Neun Welten. Isabelle Pard

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Название Mirabella und die Neun Welten
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754172490



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sprachen? Mirabella berichtete kurz und fragte nach dem Amulett.

       „In Reparatur.“

       „War Jupiter sauer?“

       „Nicht wegen des Amuletts, aber auf Mars.“

       „Minerva auch.“

       „Seine Verteidigung war: sie wollten es unbedingt machen, er hätte uns auch eine Simulation angeboten. Außerdem wäre ja nichts passiert.“

       „So ein Aas.“

      Sie ließen sich noch eine Weile über Mars aus, dann beendete Mirabella den Chat. Vielleicht würde ihm nachher noch einfallen, dass sie Geburtstag hatte. Mirabella nahm sich nun tatsächlich das Buch über den Großen Krieg zwischen dem Norden und dem Süden vor.

      Den von Vesta angesprochenen Vorfällen mit Holzraub und Gebietsüberschreitungen waren andere kleine Streitigkeiten vorausgegangen, hauptsächlich hatten die Riesen im fremden Terrain gewildert. Mit der Besetzung des Pterippus-Landes des Südens war jedoch eine rote Linie überschritten worden, die Olympier besetzten angrenzende Gebiete der nordischen Zwischenwelt, die Teil des Trollenlandes waren. Direkte Kämpfe zwischen den Göttern wurden lange vermieden, es fielen jedoch viele Zwischenweltwesen, insbesondere die Riesen auf beiden Seiten schlugen mit Begeisterung auf den Feind ein. Schließlich flohen einige Zwischenweltwesen über die Portale in die irdische Welt und die Götter beauftragten die Halbgötter, der Sache Herr zu werden und sich an den Kämpfen zu beteiligen. In dieser Zeit entstanden eine Reihe von sogenannten Sagen über Drachen, Elfen und andere Fabelwesen. Viele Halbgötter starben auf beiden Seiten, die Olympier verloren dreiviertel aller Halbgötter. Nach einer kurzen Ruhephase verschwand plötzlich die zweite Zwillingsstatue aus Vestas Tempel.

      Einer Legende nach hatten die Titanen zwei Zwillingsstatuen aus einer Zwischenwelt zur Erde gebracht, sie symbolisierten Eintracht und Harmonie zwischen den europäischen Göttern. Die Titanen galten als die Vorgänger der Olympier, waren jedoch nicht so mächtig und verloren daher die Vorherrschaft. Die Olympier verwahrten die Statuen eine Zeit in der berühmten Stadt Troja, nach seiner Zerstörung durch die Griechen wurde jedoch eine Statue nach Athen, die andere nach Rom gebracht. Nach dem Machtverlust der Griechen gelangte auch die zweite Statue nach Rom. Seit dieser Zeit wurden sie in der Zwischenwelt des Vesta-Tempels von den Olympiern bewacht. Als eine verschwand, vermuteten sie die Nordischen Götter hinter dem Diebstahl und kidnappten schließlich Thors Pflegesöhne Wingni und Hlora, um die Statue freizupressen und einen Waffenstillstand zu erwirken. Thor war ein Sohn von Odin, welcher als Göttervater über die Asen herrschte, der Jupiter des Nordens sozusagen. Nach den Kindsentführungen vernichteten die Nordischen Götter die Titanen, Jupiter hatte es einen Genozid genannt, und der direkte Kampf zwischen den Göttergeschlechtern brach aus. Die göttlichen Schlachten wurden hauptsächlich in den Zwischenwelten ausgetragen. Keiner der Olympischen Götter starb, obwohl sie nicht unsterblich waren, wie man immer glaubte, aber Asgard, der Sitz der Nordischen Götter, und der Olymp wurden beinahe gänzlich zerstört. Beide Geschlechter verloren so viel Energie, dass eine vollständige Auflösung aller drohte, was einem Sterben gleichgekommen wäre, sie flüchteten sich in ihre jeweiligen Unterwelten. Unter diesen Umständen handelten Vesta und Baldur, ein weiterer Sohn des Odins, einen Waffenstillstand aus, der bis zum heutigen Tag bestand. Offiziell war es kein Friede, aber jede Seite schien bedacht darauf zu sein, die andere nicht zu provozieren.

      Mirabella klappte das Buch zu und drehte sich auf den Rücken. Sie lag am Strand im Halbschatten, um sie herum spielten Kleinkinder im Sand, Leute gingen baden oder aßen ein Eis, aber sie war mit ihren Gedanken in einer anderen Welt. Die Geschichte des Krieges nahm sie mehr mit, als sie vermutet hätte. Der Krieg hätte beinahe die Götter, ihre ganze Welt vernichtet. Thors Pflegesohn war gestorben, vielleicht im Kampf, vielleicht aber auch durch die Entführung? Neptuns Frau und alle anderen Titanen waren vernichtet worden, sowie unzählige Halbgötter und Zwischenweltwesen. So viel Grausamkeit und Unrecht auf beiden Seiten, kein Wunder, dass eine Versöhnung nicht in Aussicht stand. Dabei waren die Asen und die Olympier laut Jupiter miteinander verwandt, ebenso die indischen Veden. Hatten die Asen dann ihre eigenen Vorfahren, die Titanen, vernichtet? Mirabella stellten sich einige Fragen, die sie an Vesta richten würde. Diese hatte auch angedeutet, dass Ermittlungen zum Raub der Zwillingsstatue laufen würden. Unwahrscheinlich, dass Vesta das junge Mädchen einweihen würde, aber Mirabella würde auf jeden Fall nachhaken. „Das Ende des Göttergeschlechts naht, nur wer wahrhaft Frieden sucht, kann vereinen, was vereint gehört.“ Dies war ein Satz des Orakels von Delphi gewesen, den Nikolaos ihr später wiederholt hatte. Mirabella hatte im Tempel des Apolls zwei Sätze auf Griechisch wiedergegeben, konnte sich selbst jedoch nicht daran erinnern. „Was vereint gehört“, das konnten doch nur die Zwillingsstatuen sein, dachte sie. Deshalb wollte sie Vestalin werden. „Aus Freund wird Feind!“, war der erste Satz gewesen. Man konnte nicht behaupten, Olympier und Asen wären befreundet, wer war damit gemeint?

      Mirabellas Gedanken fingen wieder an zu kreisen und wurden wirrer und wirrer. Nebelschwaden der Sinne versperrten die Sicht, bis Vesta vor ihrem geistigen Auge erschien. „Wenn der Mond leuchtet, komm zu mir!“ Die Göttin lächelte sie so gütig an, dass Mirabella mit einem Lächeln aus ihrem Traum aufwachte. Sie musste in der Mittagshitze weggedöst sein. Sofort sah sie zu ihrem Armband, aber es leuchtete nicht. Sie hörte wieder das Rauschen der Wellen, das Zirpen der Zikaden im Hintergrund, gähnte herzhaft und trank einen Schluck Wasser. Nach einer Weile des müden Starrens aufs Meer, beschloss sie, ins Wasser zu gehen, um wach zu werden. Der Ozean war herrlich, nicht zu kalt, aber auch keine lauwarme Brühe wie das Mittelmeer im Sommer, sie plantschte vergnügt im flachen Wasser und schwamm dann ein wenig hinaus ins offene Meer, als sie weit draußen jemanden im Wasser bemerkte. Dieser jemand schien ihr zu winken. Träumte sie immer noch? Mirabella kniff die Augen zusammen, aber nach dem Öffnen der Augen winkte immer noch ein dunkler Arm, nun kam der Besitzer des Arms auf sie zu geschwommen. Mirabella schwamm auf der Stelle, sah etwas nervös zum Strand, der in der Mittagshitze nun menschenleer schien. Als sie sich wieder umblickte, erschrak sie. Direkt vor ihr im Wasser schwamm ein hübsches afrikanisches Mädchen mit langen, leicht algigen Rasta-Zöpfen. Mirabella versuchte, durch das Wasser zu schauen und meinte, eine glitzernde Flosse statt Beinen zu erkennen. „Hi, bist du eine Meerjungfrau?“

      „Meermädchen nennen wir uns. Ich habe eine Nachricht von Delphine für dich.“ Sie zog ihre rechte Hand aus dem Wasser, in der sie eine dunkelgrüne Flasche hielt. Mirabella musste lachen. „Eine echte Flaschenpost, ist ja cool. Danke!“

      „Du hast doch heute Geburtstag, oder? Dann darfst du sie auch öffnen.“

      Mirabella nickte. „Sag Delphine liebe Grüße und vielen Dank, ich habe jetzt leider nichts, was ich ihr geben könnte.“

      „Ich werde es ausrichten lassen, wir sind in Staffeln geschwommen, ich habe sie nicht direkt gesehen.“

      „Ah, okay“, Mirabella war noch ganz verwundert und bedankte sich noch einmal, dann tauchte die Meernixe wieder ab. Die Halbgöttin sah sich um, am Strand war immer noch niemand zu sehen. Deshalb hatte Delphine so genau wissen wollen, wo Mirabella Urlaub machte und ob sie heute Vormittag am Strand war! Gut gelaunt schwamm sie mit der Flasche zurück zum Strand, packte ihr Handtuch und ihr Buch und ging in ihren Bungalow. Dort stellte sie die Flasche auf ihren Nachttisch, das Glas der Flasche war so dunkel, dass sie den Inhalt nicht erkennen konnte. Zunächst hatte sie noch warten wollen, bis ihre Eltern zurückkamen, am Ende war sie doch zu neugierig. Sie zog am Korken, der leicht überstand, aber sie bekam ihn nicht heraus, auch wenn sie alle Kraft einsetzte. „Hm“, sie stellte die Flasche wieder hin. Dann begann sie zu lächeln, schloss die Augen und versuchte telekinetisch, den Korken zu entfernen. Tatsächlich schwebte der Korken aus der Flasche. Vorsichtig leerte sie den Inhalt auf ihr Bett. Eine zusammengerollte Karte und eine wunderschöne Muschelkette kamen zum Vorschein.

      „Cara Mirabella, tibi diem natalem felicem opto! Tua amica Delphine.“1

      Lächelnd las Mirabella den Text, Latein war die offizielle Verkehrssprache der Götter und Halbgötter. Sie hing sich die Muschelkette um den Hals, machte ein Selfie und schickte es Delphine mit Dankesgrüßen.