Mirabella und die Neun Welten. Isabelle Pard

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Название Mirabella und die Neun Welten
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754172490



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annehmen müssen, reine Energiewesen, die sich nicht in einen Körper verwandeln, leiden hier größte Qualen. Das ist das Werk von Vulcanus, wirklich genial. Am besten ist jedoch, dass die Statue nicht teleportiert werden kann. Wir wissen nicht, warum, aber die Statue kann nur auf irdischem Wege transportiert werden. Es muss also jemand Körperliches hineingehen und sie als Statue hinaustragen, anders kann man sie nicht stehlen.“

      „Wow, könntest du überhaupt unbeschadet hineingehen?“

      Vesta zögerte. „Nur, wenn alle Götter ihren Artefakten Einhalt gebieten, kann der Raum unbeschadet betreten werden. Ich kann über die Feuerstelle, wie ich dir vorhin erklärte, jederzeit in den Raum einblicken.“

      „Natürlich.“ Mirabella überlegte. „Und wie merke ich, dass hier jemand eindringen will?“

      „Dir ist von mir nun eine gewisse Macht verliehen worden. Du kannst deinen göttlichen Energieanteil jederzeit hierher teleportieren, dieser Teil spürt, wenn Gefahr droht, es wird eine untrennbare Verbindung mit dem Heiligtum aufgebaut werden, langsam. Du wirst es spüren. Allerdings kann der Energieteil nur beobachten. Wenn du körperlich anwesend sein möchtest, musst du Dianas Armband verwenden.“

      Sie konnte ihren Energieanteil vom Körper trennen und hierher entsenden? Mirabella wurde es heiß und kalt bei der Vorstellung. „Hat seither noch einmal jemand versucht, die Statue zu klauen?“

      „Nicht ernsthaft, die Sicherheitsmaßnahmen wurden derart verschärft. Vor dem Diebstahl haben nur die Tür, die Mauern, das Feuer und Nyx die Statuen bewacht.“

      „Das heißt, jemand hat auch damals die Tür öffnen können? Gab es eine Vestalin?“

      Vestas Miene verdunkelte sich und sie nickte schwer. „Eine Halbgöttin, ich fand sie tot hier auf, nachdem die Statue verschwunden war. Sie war die letzte Vestalin – bis heute.“

      Mirabellas Mund wurde trocken. Worauf hatte sie sich eingelassen? Sie hörte das Blut in ihren Schläfen pulsieren. Als sie sprechen wollte, kam nur ein Krächzen heraus, schnell räusperte sie sich und versuchte mit ruhiger Stimme zu sprechen. „Er-mordet?“

      „Wie sie starb, weiß ich nicht, ich fand nur das, was Nyx von ihr übrigließ.“

      Mirabella schluckte erneut, während sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Du meintest, es würden Ermittlungen laufen bezüglich des Diebstahls. Hast du jemanden unter Verdacht?“

      „Wir haben keinerlei Beweise, daher bin ich sehr vorsichtig mit Anschuldigungen. Ich möchte dich auch nicht auf eine möglicherweise falsche Fährte führen.“

      „Womöglich gab es Verräter aus den eigenen Reihen, einen der Olympier?“ Mirabella sah Vesta fragend an.

      Diese nickte. „Ich kann dir nichts Konkretes sagen.“

      „Mars?“ Mirabellas Lieblingsfeind. „Er will doch sicher keinen Frieden.“

      Vesta nickte. „Die Möglichkeit besteht, wobei ich ihm eigentlich keine betrügerischen Handlungen zutraue. Das ist nicht seine Art.“

      „Heißt es nicht: ‚Silent leges inter arma‘ ?“ (Im Krieg schweigen die Gesetze. (Cicero)) Allyra, Mirabellas Lateinlehrerin im Olymp, war ein großer Fan von Cicero und ließ die Schüler sämtliche Reden lesen.

      „Im Krieg und in der Liebe, so lauten die Sprichwörter“, gab Vesta zu. „Wenn ich ehrlich bin, kann ich nur sicher uns drei Amazonen ausschließen.“

      „Was? Selbst Jupiter?“

      „Nun, er könnte sich verantwortlich gefühlt haben, den Krieg zu beenden. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass sie jemand mit besten Absichten stahl, die Verhandlungen jedoch nicht so verliefen wie geplant. Natürlich kann man auch nicht ausschließen, dass jemand Jupiter mit Hilfe der Asen stürzen wollte. Der Krieg ist fast 1500 Jahre her, wir haben uns alle weiterentwickelt.“

      „1500 Jahre?“

      „Kurz vor dem Ende des Römischen Reiches.“

      „Und ihr habt immer noch nicht herausgefunden, was passiert ist?“

      „Priorität hatte der Schutz der verbliebenen Statue. Dass sie seit 1500 Jahren sicher ist, beweist die Qualität unseres Sicherheitssystems.“

      „Ihr wollt gar nicht mehr so genau wissen, was damals passierte?“, dachte Mirabella laut. Erschrocken über ihre eigenen Worte sah sie auf.

      Vesta nickte steif. „Manch einer findet es besser, die alten Geschichten nicht mehr anzurühren. Ich möchte vor allem, dass die beiden Statuen wieder vereint werden.“

      „Klar. Hat das alles mit dem Tod von Thors Sohn zu tun?“

      Vesta sah anerkennend auf. „Du hast in dem Buch gelesen, das ich dir gab? Ja, es hat mit Wingnis Tod zu tun. Es heißt, er wäre im Kampf gefallen, er war nicht unsterblich.“

      „Aber?“, hakte Mirabella neugierig nach.

      „Ich denke, er starb in Gefangenschaft. Mars, Neptun und Jupiter scheinen als einzige zu wissen, was wirklich passierte, aber sie schweigen sich dazu aus und bestehen offiziell auf dem Heldentod im Kampf.“

      „Zweifelt der Norden die Version an?“

      „Ich fürchte.“

      „Stimmt es, dass der Norden die Titanen vernichtete? Das waren doch auch ihre Vorfahren oder nicht?“

      Vesta lächelte leicht. „Du spürst zielsicher die wunden Punkte auf, Mirabella. Auch dazu gibt es zwei Versionen. Riesen, Titanen, Wanen und Giganten entstanden in den Zwischenwelten, entwickelten sich zu gottähnlichen Wesen und ließen sich teilweise auf der Erde verehren. Als wir kamen…“

      „Seid ihr anderen Ursprungs?“, unterbrach Mirabella spontan. „Entschuldige!“

      Vesta lächelte milde. „Ehrlich gesagt, ist unsere Evolution zu Energiewesen so lange her, dass wir nicht mehr wissen, woher wir ursprünglich kamen, wohl aber mit den Statuen. Seit vielen Jahrtausenden sehen wir Eurasien und die Zwischenwelten als unser Zuhause an. Wie du weißt, verteilten wir uns und beanspruchten Gebiete. Sowohl die späteren Asen als auch die späteren Olympier gingen Verbindungen mit den Riesen und anderen Zwischenweltwesen ein, so mancher Gott hat Zwischenweltvorfahren. Die Titanen erwählten uns als ihre rechtmäßigen Nachfahren, es gab Verbindungen, wie die Neptuns mit Amphitrite. Die Giganten erwählten die Asen zu ihren Nachfahren, obwohl Odin ebenfalls die Nähe der Titanen suchte. Als die Titanen jedoch den Kontakt mit Odin ablehnten, stürmten die Giganten auf Geheiß der Asen den jungen Olymp. Du hast sicher von dem Kampf gehört, an dem sich auch Herkules und Bacchus, damals noch nicht Olympier, beteiligten?“

      Mirabella nickte fasziniert.

      „Die Giganten wurden geschlagen. Die Asen kämpften danach mit den nordischen Wanen und wurden später als ihre Nachfolger akzeptiert. Seit der Gigantenschlacht herrschte jedoch Hass zwischen den Göttergeschlechtern. Der Krieg brach in der Zwischenwelt aus. Nach dem Diebstahl der Statue, wurden zwei Söhne Thors vom Süden gekidnappt, Wingnis Tod besiegelte das Schicksal der Titanen, der Norden sann auf Rache.“

      Mirabella verstand plötzlich. „Daher die Vernichtung der Titanen.“

      Vesta nickte traurig. „Wobei sich die Asen der Riesen bedienten. Thor ordnete wohl die abscheuliche Tat an und Odin duldete sie.“

      Mirabella erschauerte. „Odin ist irgendwie gruselig.“

      Vesta lächelte. „Der Einäugige, er opferte sein Auge für die Weisheit, heißt es. Ohne seine Weisheit würden wir vielleicht immer noch Krieg führen oder nicht mehr existieren, aber er flößt selbst mir Respekt ein.“

      Sie schwiegen einen Moment. Mirabella spürte, wie die Verbindung zum Tempel konkreter wurde und ließ die neuen Sensationen und Informationen auf sich einwirken. Sie wusste nicht, wie lange sie dort gestanden hatte, als sie plötzlich Vestas Blick auf sich ruhen sah. Sie lächelte verlegen,