Mirabella und die Neun Welten. Isabelle Pard

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Название Mirabella und die Neun Welten
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754172490



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begleitete seine Aussage und Mirabella musste lachen. Yasmin war manchmal etwas überbesorgt und Marcus spottete regelmäßig darüber. Die Jungfräulichkeit, so hatte es Mira zumindest beschrieben, welcher der Vestalinnendienst forderte, schien Jasmin sogar sehr zu beruhigen. Sie hatte immer etwas Angst gehabt, Mirabella könnte ein ähnliches Schicksal wie ihre viel zu früh schwanger gewordene Mutter ereilen. Die junge Halbgöttin rannte auf ihr Zimmer, zog ein schlichtes Sommerkleid über den Bikini und drehte den Mond dreimal. „Vesta.“

      Im nächsten Augenblick stand Mirabella im Heiligtum der Göttin des Herdfeuers und der Familieneintracht, in moderneren Zeiten war sie zur Chef-Diplomatin der Olympier ernannt worden. Über ihnen schwebte ein Energieball zur Beleuchtung des Raumes und vor Mirabella saß Minni Mouse im rosa Kleid mit weißen Punkten. „Vesta?“, fragte Mirabella unsicher lächelnd. In dem Moment nahm die Göttin ihre gewohnte antike Gestalt an und seufzte. „Ich habe Herkules und Iuventas gerade ins Euro-Disney begleitet, Jupiter hat allen befohlen, möglichst viel Energie zu generieren…“ Mirabella grinste breit. „Und haben dich viele kleine Mädchen bewundert?“

      Vesta nickte und vollführte eine wegwerfende Bewegung mit ihrer Hand. „Und nicht nur die Mädchen!“

      Sie machte eine kleine Pause und sah Mirabella ernst an. „Aber nun zu uns. Du bist gestern fünfzehn geworden. Herzlichen Glückwunsch übrigens!“

      „Danke“, hauchte Mirabella fast etwas eingeschüchtert. „Die Vestalinnen“, fuhr die Göttin fort, „kamen zu mir früher im Alter von sechs bis zehn Jahren und verpflichteten sich für eine mindestens dreißigjährige Dienstzeit.“

      Mirabellas Augen wurden groß und ihre blasse Haut schimmerte noch ein wenig bleicher.

      Vesta lächelte. „Keine Angst, ich werde dich nicht für dreißig Jahre verpflichten, du kannst gehen, wann immer du möchtest. Während du jedoch bei mir bist, verlange ich vollen Einsatz und Gehorsam mir gegenüber. Du musst dich außerdem von allen emotionalen Abhängigkeiten versuchen zu lösen.“ Sie sah Mirabella ernst an und diese nickte zum Zeichen des Verstehens, diesen Punkt hatten sie schon mehrfach erörtert. Die Berufung zur Vestalin brachte Gefahren, Unabhängigkeit und Ungebundenheit sollten vor Erpressungsversuchen schützen.

      „Du wirst mich nicht nur zu den Verhandlungen mit dem Norden und anderen Gebieten begleiten, die sechs Vestalinnen waren früher für das konstante Lodern der Flamme im Tempel zuständig. Im oberen Tempel“, die Ruinen des Resttempels an der Oberfläche, „brennt kein Feuer mehr, wichtig ist das Innere hier.“ Mirabella und die Göttin befanden sich in der Zwischenwelt des Vesta-Heiligtums. Hier stand ein komplett erhaltener Tempel. Im Innenraum des Originaltempels, zu dem früher nur die Vestalinnen und der Pontifex Maximus, der Hohepriester, Zutritt hatten, wurden wichtige Dokumente und Artefakte aufbewahrt, beispielsweise das Palladion, die Statue aus Troja, welche nun als eine der beiden Zwillingsstatuen bekannt war. Hier in der Zwischenwelt versperrte eine schwere Metalltür den Weg ins Innere. Mirabella hatte bereits mit Vesta und den Schülern zusammen diesen Tempel besucht. Zwei Olympische Götter waren notwendig, um den Schlüssel für die Metalltür zu formen, dessen Gestalt sich ständig änderte. Jeder der Götter gab ein Artefakt, um die Statue zu schützen.

      „Erinnerst du dich, an die ‚Kammer des Schreckens‘, wie Leon sie getauft hatte?“

      Mirabella nickte. „Dieses Feuer muss ich am Laufen halten?“

      „Du musst verhindern, dass jemand hier eindringt und die Statue geklaut wird. Das Feuer selbst ist meine Gabe zum Schutz, es ist ein Teil von mir selbst und wird brennen, solange ich existiere. Sollte es jemandem gelingen, das Feuer zu löschen, schwindet all meine Energie.“

      „Könntest du dann sterben?“, fragte Mirabella entsetzt.

      „Ich könnte aufhören zu existieren.“

      Mirabella schluckte. „Und früher waren es sechs Vestalinnen?“

      „Ja, aber sie hatten auch andere Aufgaben, ich zeigte mich den rein menschlichen nicht. Das Feuer oben war ein rein irdisches.“

      „Bin ich jetzt die einzige Vestalin oder gibt es andere?“

      „Nein, es wird nur dich geben. Die Kinder der anderen Götter erhalten meist genug andere Aufgaben und in Friedenszeiten empfand ich es nicht als notwendig, jemanden auszubilden, aber die Zeiten haben sich geändert... Und du weißt, dass die Statue dich erwählt hat. Bist du dir sicher, dass du diesen Schritt gehen willst?“

      Mirabella schluckte leicht und nickte. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich das machen muss.“

      Vesta betrachte das junge Mädchen ernst. „Den Willen der Statuen kann selbst ich nicht beeinflussen, aber du hast meine volle Unterstützung. Als ältere Schwester deines Vaters bin ich so eine Art Patentante zu dir, wie ich dir bereits sagte. Ich hoffe, unser Verhältnis wird ein enges, aber ich rate dir: binde dich emotional nicht zu stark.“

      Mirabella nickte erneut, hörte ihren eigenen Atem und spürte Gänsehaut an Armen und Beinen.

      „Nun trete näher. Traditionell sagte der Pontifex Maximus etwas Ähnliches, mein Spruch betrifft natürlich unsere Welt. Knie nieder.“

      Mirabella sank auf ihre Knie und beugte das Haupt. Vesta legte dem Mädchen ihre rechte Hand auf den Kopf und sprach feierlich: „Sacerdotem Vestalem, quae sacra faciat, quae ius sciet sacerdotem Vestalem facere pro genti intermundo Olympiisque, uti quae optima lege fuit, ita te, amata Mirabella, capio.“ (Dich, geliebte Mirabella, ergreife ich als vestalische Priesterin, die die heiligen Handlungen ausführen soll, wie sie die Vestalin nach Recht und Gesetz zum Wohle der zwischenweltlichen und Olympischen Geschlechter auszuführen hat.)

      Mirabella spürte, wie Energie auf sie überging, die vom Kopf abwärts durch ihren Körper strömte. Ihr Armband begann wieder zu glühen. Nun nahm Vesta ihre Hand von Mirabellas Kopf und gebot ihr aufzustehen.

      Sie ergriff die Hand der jungen Vestalin und führte sie zur Metalltür. Mit ihrer und Vestas Hand gemeinsam formten sie einen Schlüssel, der die Metalltür aufsperrte. Vesta öffnete jedoch nicht die Tür, sondern verschloss sie sogleich wieder und ließ Mirabellas Hand los.

      „Ich dachte, es braucht zwei Vollgötter dafür“, sagte die neu geweihte Vestalin erstaunt.

      „Ein Gott kann durch eine Vestalin ersetzt werden. Sage mir nun, welche Schutzmaßnahmen existieren im Inneren?“

      „Dein Feuer unter der Statue im Boden, das die gesamte Fläche in Brand setzen könnte. Minerva spendete ihr Ziegenfell mit dem versteinernden Medusenhaupt, das durch die Spiegel der Venus in alle Richtungen blickt. Jupiters Adler kommt geflogen und pickt die Augen aus. Neptuns Dreizack spaltet die Erde, so dass der Dieb in einem Spalt verschwindet. Ein Fangnetz von Vulcanus fällt von der Decke.“

      Mirabella überlegte weiter. „Mars hat einen Speer gegeben, Diana Pfeil und Bogen, Herkules seine Keule, Ceres die Doppelaxt, die zielen alle auf den Dieb.“

      „Und Apoll?“

      „Dessen Kitharaspiel schläfert den Dieb ein, ein unwiderstehlicher Krug mit Wein von Bacchus soll ihn betrunken machen.“

      „Wer lauert noch?“

      „Ach ja, Nyx, der Bruder des Zerberus.“ Zerberus war der dreiköpfige Höllenhund, ein fürchterliches Ungeheuer.

      „Du hast noch jemanden vergessen. Merkur.“

      „Oh, stimmt, der Meister der Magie, der macht die Statue unsichtbar. Für alle außer dich und Merkur.“

      „Und dich.“

      „Stimmt“, Mirabella erinnerte sich, dass sie damals beim kurzen Öffnen der Tür, als Vesta und Merkur der Schulklasse die Kammer zeigten, die graue unscheinbare Statue sehen konnte.

      „Was ich noch nicht verstanden habe, am wahrscheinlichsten ist es doch, dass die Nordischen Götter die Statue stehlen wollen. Das sind doch Energiewesen wie ihr, oder? Können die nicht einfach durch die Wand und die Statue mitnehmen?“

      Vesta