Hautmalerei. David Goliath

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Название Hautmalerei
Автор произведения David Goliath
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752921861



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wird dich abziehen«, sagte er tonlos.

      Jasmin schaute stur aus dem Fenster. Die Tiefgarage fasste hunderte Fahrzeuge, inklusive gepanzerter Spezialfahrzeuge. »Schmidt wird nichts erfahren.«

      Nathan musste lächeln, angesichts ihrer Naivität. »Spätestens bei der Identifizierung. Willst du deine Ehe vertuschen?« Er dachte wieder an den Einfluss vom Staatsschutz und dass seine Partnerin ein Spitzel im braunen Sumpf sein könnte – eine unvorstellbare Mehrfachbelastung aus Mutter, Kriminalkommissarin und Informantin.

      Jasmin zappelte mit den Beinen, als wäre sie Schlagzeugerin und würde ihre Beinarbeit üben. Unterbewusste Nervosität. »Und dann?« Sie wandte sich an Nathan. »Soll ich zuhause rumsitzen und Däumchen drehen, während mein Leben von Kurz und Klein durchleuchtet wird? Ich kenne«, sie setzte ab, »Ich kenne meinen«, erneut eine Pause, »Ich kenne meinen Mann am besten. Und ich kenne seine Kontakte. Darunter werden wir den Mörder finden!« Sie hatte sich in Rage geredet.

      Nathan suchte ihre pikierten Pupillen. »Du glaubst, es war Mord?«

      Sie schnaufte verächtlich. »Natürlich! Was denkst du denn?«

      Ein Schulterzucken. »Könnte er sich in den Tod gestürzt haben?« Er bereute seinen Einwurf, denn er konnte ihren Hauch des Todes förmlich an seiner Nasenspitze aufwirbeln sehen, ihn blendend, ihn erstickend.

      »Nein!«, schüttelte Jasmin vehement den Kopf, führte aber nicht weiter aus. Sie wusste selbst nicht, was sie denken sollte. Als sie sich mit den möglichen Theorien befasste, beruhigte sie sich wieder. Ihr Kollege gewährte ihr die Zeit, auch zum Selbstschutz.

      Ihr Telefon klingelte. Sie fädelte es umständlich heraus. »Ja«, begann sie ein wenig zu aufbrausend, was den Anrufer für eine Sekunde durcheinanderbrachte, weshalb nichts zu hören war. »Kommissarin Xander hier«, ergänzte sie deshalb gezügelter. »Aha … So schnell? … Aha … Nein, das überlasse ich Ihnen. Dafür haben wir keine Zeit. Wir sollten die Gelegenheit nutzen … Sie haben meine Mailadresse? … Genau … Wir schicken Ihnen unsere Befunde und die Fotos … Gut … Wiederhören.«

      Nathan schaute sie fragend an.

      »Die Forensik. Sie wollten wissen, ob wir der Leichenschau beiwohnen wollen.«

      Nathans flehender Blick ließ Jasmin zögern. »Ich habe abgelehnt.«

      Sofort verdunkelte sich seine Mimik.

      »Kannst du deine Aufzeichnungen und die Fotos schicken?«, verpackte sie eine Anweisung in eine höfliche Frage.

      Enttäuscht zückte Nathan sein Diensttelefon, fotografierte seine Notizen ab, fasste sie als Paket mit den Fotos vom Fundort zusammen und sendete es an das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum, wo es in einem verschlüsselten Posteingang landete, der der Kommunikation mit den Strafverfolgungsbehörden diente.

      »Was machen wir jetzt in den drei Stunden, bis die Ergebnisse da sind?«, hakte er nach und steckte das Gerät wieder ein.

      »Rapport bei Schmidt. Danach schauen wir uns die Kameraaufzeichnungen der Uferpromenaden und Brücken an. Irgendwo muss er ja hergekommen sein.«

      Sie wollte schon aussteigen, da haute Nathan gegen das Lenkrad. Die Hupe schallte durch die Tiefgarage. Jasmin erschrak. Irgendwo in den Winkeln des Stahluntergeschosses zuckte wahrscheinlich auch jemand zusammen.

      »Willst du mich verarschen?«, beschwerte er sich. »Dein Mann ist tot und du willst weiter ermitteln? Was stimmt nicht mit dir? Wenn dich das so kalt lässt, dauert es nicht lang und du kommst auf die Verdächtigenliste. Dann bist du nicht nur beurlaubt, sondern im Fadenkreuz!«

      Jasmin atmete tief ein und aus. Sie musste ihrem Kollegen nicht sagen, dass jeder Mensch anders verarbeitet. Sie musste ihm nicht sagen, dass sie der Beruf abgestumpft hatte. Sie musste ihm nicht sagen, dass ihr der Tod eine Entscheidung abgenommen hatte.

      »Du konntest ihn doch auch nicht leiden«, stellte sie unangebracht und trotzig fest, »Bist du dann auch verdächtig?«

      Hätte sie nicht geschmunzelt und hätte er nicht diese Gefühle für sie empfunden, er hätte sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag geohrfeigt. Trotz der Umstände behielt sie ihre lockere Art bei. Auch ein Weg, um mit Trauer, oder was auch immer, umzugehen.

      »Bevor wir hoch gehen«, lenkte Nathan ab, »sag mir, was in den letzten Tagen auffällig war.«

      »Willst du mich vernehmen?«

      »Ich will die Kontrolle behalten, ehe Kurz und Klein Trampeltier spielen. Je mehr ich vorher weiß, desto besser kann ich mich in Stellung bringen, um Schmidt zu zeigen, dass er mich in den Fall einbeziehen muss.«

      »Wenn ich beurlaubt werde, wird er dich erst recht aus dem Scheinwerferlicht holen. Du bist immerhin mein Partner. Schmidt kann sich schon denken, dass du mich auf dem Laufenden halten wirst und ich dir exklusive Informationen gebe. Eine unautorisierte, abtrünnige Nebenermittlung wird er verhindern wollen.«

      »Und wie stellen wir das an, dass ich in den Ermittlungen eingebunden bleibe, während du Hausarrest hast?«

      Jasmin wusste, was zu tun war, aber sie versuchte noch eine Ausweichroute zu skizzieren. Es gelang ihr nicht. In ihrem Gedankenspiel gab es nur diesen einen, unangenehmen Weg, wenn sie nicht Kurz und Klein das Feld überlassen wollten. Aber würde sie so weit gehen, um den, zugegeben verdienten, Tod ihres Gatten aufzuklären? Was würde passieren, wenn Kurz und Klein ihr gesamtes Leben auseinander nehmen? Würde sie zu ihrem Mann auch noch ihren Sohn verlieren? Würde sich das Jugendamt einschalten? Könnte sie glaubhaft versichern, dass sie eine gute Mutter war? Und würde sie jemand schützen, wenn ihre direkte Verbindung zum rechten Rand durch das Präsidium flatterte? Zum Schluss würde sie auch noch ihren Job verlieren, ohne Aussicht auf Amnestie.

      »Jasmin?«

      Sie wurde aus ihrem Kopfkino gerissen. Und nicht nur das. Wie er ihren Namen aussprach. Sofort flogen Erinnerungen in ihr Gedächtnis. Erinnerungen an die Affäre und seine Gefühle, die er ihr am Ende gestanden hatte. Erinnerungen, wie er Gefühle in ihr hervorholte, von denen sie dachte, sie wären auf ewig verschollen, begraben unter Tonnen von Wut, Angst und Distanz. Doch diese Gefühle, die er auslöste, hatte sie ihm nie offenbart. Sie wollte ihm das Ende des Seitensprungs nicht noch schwerer machen. Sie wollte ihm keine Chance einräumen, sie doch noch herum zu bekommen. Wenn er gewusst hätte, wie wenig dazu fehlte, er wäre mit gezogenem Schwert auf seinem Ross herangeritten gekommen und hätte sie aus den Fängen des Drachen befreit, ihr die Ketten von den Gelenken geschlagen, sie aus dem Turm getragen und zurück auf den Pfad von Glück, Liebe und Geborgenheit geführt.

      »Ich habe ihn ermordet«, sagte sie entschlossen.

      Nathan stutzte. »Wie bitte?«

      »Das ist die einzige Möglichkeit. Du verhaftest mich, weil ich dir gegenüber den Mord zugegeben habe. In der Zeit meiner Untersuchungshaft kannst du nach dem wahren Mörder suchen und die beiden Trampeltiere in niedere Aufgaben einspannen, sie beschäftigen.«

      Er schüttelte den Kopf. »Du spinnst! Es muss noch einen anderen Weg geben«, überlegte er fieberhaft.

      »Wir haben nicht viel Zeit, Nathanael«, schon wieder pochte ihr Herz. Mit vollem Namen hatte sie ihn zuletzt angesprochen, als es körperlich wurde. Und er hatte entsprechend reagiert. Sie schaute ihn an und erkannte gerötete Wangen sowie geweitete Pupillen. Er reagierte immer noch darauf – erregt.

      »Hast du eine bessere Idee?«, holte sie ihn zurück aus seiner unehrenhaften Vorstellung, ihr auf der Rücksitzbank nahe zu kommen, wie es schon einmal passierte.

      »Noch nicht«, schindete Nathan Zeit, die Hirn und Glied brauchten. Er hielt sie am Arm fest. Den Blitz, der ihn durchzuckte, musste sie auch gespürt haben. Trotzdem fokussierte er sich auf die kommende Schachpartie. »Gehen wir von Selbstmord aus.« Sein fester Druck auf ihren Arm verhinderte, dass sie protestieren konnte. »Eine Psychologin erklärt dich für diensttauglich, nach einer angemessenen Trauerfrist. Und wir haben uns umsonst den Kopf zerbrochen.«

      »Warum