Tod im ewigen Eis. Hans Säurle

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Название Tod im ewigen Eis
Автор произведения Hans Säurle
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753128030



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herbei, damit er sich um die drei Jungen kümmere. Er selbst ging mit Celso beiseite und sie tuschelten geheimnisvoll. Dabei schielte Celso unablässig auf Marabeos Gürtel, an dem ein großer lederner Beutel hing, dessen Inhalt bei jedem seiner Schritte dumpf und hart schepperte. Marabeo hatte einen rötlich glänzenden Dolch in seinem Gürtel stecken, einen Dolch, der ganz sicher nicht aus Feuerstein gefertigt war. ʼOb so das Kupfer aussieht, das hier in der Mine gefördert wird?ʼ fragte sich Öcetim im Stillen.

      Marabeos Helfer stellte sich ihnen als Wurkaz vor, er war Marabeos rechte Hand. Er bat sie Platz zu nehmen und bot ihnen Pastosaako, Fleisch und Fladenbrot an. Ausgehungert vom langen Marsch machten sich die drei Jungen über das Essen her und bestürmten Wurkaz mit Fragen. Der blickte sie nur griesgrämig an, antwortete aber nicht. Stattdessen deute er auf eine alte und windschiefe Hütte und meinte, dass sie dort würden schlafen können. Morgen bei Sonnenaufgang sollten sie sich genau hier an dieser Stelle einfinden. Er oder ein Wächter wären tags und nachts unterwegs, um nach dem Rechten zu schauen. „Nicht dass hier noch was verloren geht….“, erklärte er ihnen mit bösem Grinsen.

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      Die drei Jungs schauten sich unschlüssig an, schulterzuckend brachten sie ihr weniges Gepäck in die vor Dreck starrende Hütte. Nachdem sie den Unrat aus der Hütte geschafft und das Ungeziefer vertrieben hatten, streiften sie ziellos auf der Bergkuppe umher. Überall waren geschäftige Menschen zu sehen, viele Männer, einige Jugendliche in ihrem Alter, jedoch nur wenige Frauen. Auffallend waren die vielen Kinder, die aber nicht spielten, sondern arbeiteten und auch keinen fröhlichen Eindruck machten.

      Am nächsten Morgen wurden Gilger, Öcetim und Hirgelo verschiedenen erfahrenen Arbeitern zugeteilt und erhielten knappe Unterweisungen über die zu erledigenden Tätigkeiten. Den Anweisungen ihrer Vorgesetzten hatten sie unbedingt Folge zu leisten. Wurkaz stellte ihnen das recht drastisch dar, in dem er auf einen Pfahl deutete. „Arbeitsverweigerer werden dort angebunden. Sie bekommen nichts zu essen und zu trinken, nur etwas Honig, aber der ist nicht für die Elenden gedacht. Er wird ihnen auf die Haut geschmiert und lockt die Insekten an, die an den Gefesselten hochkrabbeln, um den Honig zu fressen. Ihr seid doch ganz erpicht hier zu arbeiten, oder nicht?“ Dabei blickte er jedem fest in die Augen. „Jedenfalls hat es Celso so Marabeo berichtet, bevor er für seine Vermittlungsdienste von ihm entlohnt wurde. Diese Rad schuldet ihr jetzt uns, die habt ihr hier abzuarbeiten! “

      Niedergeschlagen gingen Öcetim und Gilger mit dem ihnen zugewiesenen Mann zu einer Stelle, wo keine Bäume wuchsen und auch das wenige Gras nicht gesund aussah, nur Moose und Flechten konnten sich auf diesem kargen Boden behaupten. Der steinige Boden war von rotbraunen Streifen durchzogen.

      „Hier liegt das Erz verborgen. Wenn es Kupfer enthält, wächst fast nichts mehr. Das ist gut für uns, denn dann müssen wir nicht tief graben, sondern es einfach nur freihacken“, sagte ihnen ihr Meister, der sich Golgor nannte. Er war von kräftiger Statur, hatte einen langen Bart und trug eine Mütze auf dem Kopf. Sie war aus kleinen Kaninchenfellen zusammen genäht und wurde mit einem Lederriemen um das Kinn gebunden.

      „Gestern hatte ich auf diesem Stück ein Feuer gemacht, hier am Rand sieht man noch das verbrannte Moos. Die Hitze mag der Fels nicht, er erschrickt, wenn anschließend kaltes Wasser darauf gegossen wird und bekommt dann feine Risse. Dann lässt es sich für uns leichter arbeiten, hier könnt ihr das sehen.“ Golgor fuhr mit seinem Finger den zarten Rissen im Fels nach. „Hier ist der Stein schon gesprungen. Nehmt diese Schlägel, und immer feste auf den rotbraunen Streifen schlagen, bis sich handliche Steine herauslösen.“

      Golgor drückte jedem von ihnen eine Astgabel aus Eichenholz in die Hand, auf deren kürzerem Ende ein gut faustgroßer Serpentinstein mit Lederriemen festgebunden war. Er wies sie an, gut auf diese besonders harten Steine zu achten, weil diese nur auf den höchsten Berggipfeln gefunden werden und deshalb sehr wertvoll waren.

      Mit aller Kraft hauten Öcetim und Gilger auf den rotbraunen Fels, Schweiß rann ihnen vom Körper herab, doch trotz ihrer Anstrengungen sprangen nur kleine Splitter ab. Als Öcetim gerade wieder kräftig auf das Gestein schlug, löste sich der Serpentinstein aus seiner ledernen Verbindung mit der Astgabel und fiel direkt auf seinen Fuß. Öcetim schrie auf, fasste instinktiv an die Stelle, wo der Stein seinen Fuß getroffen hatte. Es tat höllisch weh. Öcetim wurde blass, vor Schmerzen wurde ihm schwindlig und er musste sich auf den steinigen Boden setzen.

      Gilger rannte zu ihm so schnell er mit seinem behinderten Bein nur konnte. Er nahm Öcetims Fuß in beide Hände, um ihn genau zu untersuchen, die Haut war geschürft und blutig. Gilger drückte auf den Knochen, der blieb fest, verschob sich nicht. „Nur eine Schürfung, kein Knochenbruch, also nur halb so schlimm“, beruhigte er seinen neuen Freund.

      „Ihr müsst Euch Schuhe besorgen. Schaut her“, sagte Golgor und zeigte ihnen seine Fellschuhe. „Die Sohlen sind aus Bärenleder. Ich habe sie mit Heu ausgestopft, damit Schläge wie der, den Öcetim gerade erhalten hat, abgefedert werden. Am besten besorgt Ihr Euch große Treter, damit ihr sie gut ausfüttern könnt.“

      „Wie sollen wir uns jetzt Schuhe machen? Gras oder Heu gäbe es ja, aber wir haben kein Leder.“

      „Es gibt schon welches hier oben“, belehrte sie Golgor. „Aber nicht umsonst.“

      Mit Gilgers Unterstützung konnte Öcetim zu einem Schuppen humpeln. Marabeo, der auch hier das Kommando hatte, zeigte ihnen große Schuhe, die gut auszustopfen zu waren. „Die könnten passen, probiert sie mal an“, sagte er zu den beiden und fischte zwei Paar Schuhe aus einem hölzernen Kasten. „Sie haben eine Bärenfellsohle, feste Lederriemen und sind sauber gearbeitet. Ich gebe sie Euch für wenig Rad. Einverstanden?“ Öcetim und Gilger setzten sich auf den Boden, nickten zustimmend und zogen die Schuhe an.

      Daraufhin nahm Marabeo zwei frische Haselnussstöcke und ritzte ein paar seltsame Kringel hinein. „Das seid Ihr“, bedeutete er ihnen mit Blick auf die Haselnussstöcke, dann schnitt er in das Haselholz ein paar Striche. „Und das ist der Preis für Eure Schuhe“, erklärte er mit wichtiger Miene. „Damit ist alles festgelegt.“ Öcetim und Gilger schauten ihn verständnislos an, wagten aber nicht nachzufragen.

      Es war ein angenehmes Gefühl, in den weichen Schuhen auf dem steinigen Boden zu gehen. „Da drüben wächst noch Gras“, sagte Golgor, als sie wieder zu ihm kamen. „Stopft Eure Schuhe damit aus, dann aber mit doppelter Kraft weiter, noch habt ihr keinen einzigen Stein aus diesem Felsband gelöst.“

      Öcetim fühlte scharf den Schmerz, achtete aber nicht auf das heftige Stechen in seinem Fuß. Mit voller Kraft hieb er auf den harten Fels, jetzt endlich bröckelte ein kieselgroßes Stück ab und ein großer Riss entstand im rotbrauen Felsen. Auch Gilger hatte einen Riss im rotbraunen Gestein verbreitern können, mit genau platzierten Schlägen gelang es ihnen, die gewünschten faustgroßen Brocken aus dem Stein zu schlagen.

      In der Pause gab es gutes und reichliches Essen: Ziegenfleisch, Emmerbrei und Pastosaako. Frisch gestärkt arbeiteten Gilger und der verletzte Öcetim bis zum Einbruch der Dunkelheit weiter, trotz ihrer schmerzenden Körper und den Blasen an ihren Händen fühlten sie sich gut. Sie waren stolz, so viele Steinbrocken aus dem harten Felsen gelöst zu haben.

      Am Lagerfeuer auf dem großen Platz hörten sie den Geschichten der erfahrenen Arbeiter zu. Sie erzählten von kleinen Berggeistern, die tief im Inneren der Berge wohnten, von ihrem Herrscher, dem alle Berggeister zu dienen haben und den rauschenden Festen, die dort im Inneren der Berge gefeiert werden. Die Berggeister besitzen jede Menge an gelben, roten, blauen, grünen Steinen. Steine, die sich ganz kalt anfühlen und glänzen und schimmern wie der Mond am Himmel. Wegen dieser Steine gäbe es immer wieder Streit zwischen den Berggeistern, dann stampfe ihr Anführer mit seinem Fuß fest auf den Boden, so dass auch hier oben bei den Menschen die Erde wackelt.

      Über all diesen seltsamen Geschichten schliefen Öcetim und Gilger ein. Erst als das Lagerfeuer niedergebrannt und ihnen kalt geworden war, wachten sie wieder auf und schleppten sich müde und mit schmerzenden Gliedern in ihre Hütte, wo sie Hirgelo schon