Название | GRABESDUNKEL STEHT DER WALD |
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Автор произведения | Eberhard Weidner |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738053609 |
Sascha sah sie noch eine Weile mit ausdruckslosem Gesicht an, nachdem sie zu reden aufgehört hatte. Falls er irgendwelche Überlegungen anstellte, um eine Antwort auf ihre Frage zu finden, war ihm zumindest äußerlich nichts davon anzumerken. Dann zuckte er die Achseln und meinte: »Keine Ahnung. War ja auch nur so ‘ne Idee.«
Cora seufzte und schüttelte den Kopf. Das war mal wieder typisch Sascha. Erst kam er mit irgendwelchen Ideen oder Vorstellungen, und wenn man ihn fragte, wie er sich das eigentlich vorstellte, dann lautete seine Antwort meist: »Keine Ahnung.«
Dennoch hatte seine Bemerkung etwas in ihr ausgelöst, denn sie konnte nicht wie sonst einfach zur Tagesordnung übergehen. Stattdessen begann sie plötzlich tatsächlich darüber nachzudenken, wie man Saschas Vorschlag in die Tat umsetzen könnte. Während sie sich ihre Gedanken machte, setzte sie sich mit dem Rücken zu Sascha auf den Bettrand.
»Was ist los?«, fragte er, und sie konnte deutlich seine Irritation heraushören. Dass sie von ihren üblichen Gepflogenheiten abwich, sich nach dem Sex rasch anzuziehen und zu verschwinden, schien ihn zu verwirren. Sie spürte seine bratpfannengroße Hand, als er von hinten unter ihre Bluse fasste und überraschend zärtlich ihren Rücken streichelte. »Willst du etwa, dass ich es dir noch einmal besorge?«
»Nein!«, sagte Cora energisch. »Und jetzt halt gefälligst für ein paar Minuten den Rand, damit ich in Ruhe nachdenken kann.«
»Wie du willst.« Er zog seine Hand zurück, weil er vermutlich beleidigt war. Doch das würde nicht lange anhalten, wie sie aus Erfahrung wusste. Aber wenigstens blieb er still, wie sie es verlangt hatte, sodass sie nachdenken konnte.
Obwohl Markus und sie nun schon mehr als dreiundzwanzig Jahre verheiratet waren, wusste Cora noch immer nicht, womit ihr Mann eigentlich sein Geld verdiente. Einerseits hatte es sie nie sonderlich interessiert, andererseits hatte er auch stets ein Geheimnis daraus gemacht. Anfangs hatte sie zwar noch gelegentlich nachgefragt. Doch nachdem er ihr stets geantwortet hatte, dass sie sich darüber nicht ihr hübsches Köpfchen zerbrechen müsste und er schließlich genug Geld nach Hause bringen würde, um ihr ein angenehmes Leben zu ermöglichen und all ihre Wünsche zu erfüllen, hatte sie aufgegeben und sich damit abgefunden. Wichtig war ihr ohnehin immer nur gewesen, dass er tatsächlich, so wie er es versprochen hatte, eine Menge Geld verdiente.
Und das tat er auch. Obwohl Cora über ihre finanzielle Situation nicht Bescheid wusste, weil sich Markus um alles Geldangelegenheiten kümmerte, vermutete sie, dass sie ziemlich vermögend waren. Immerhin besaßen sie ein Haus im noblen Herzogpark, eine der exklusivsten Wohngegenden, die zum im Nordwesten von München gelegenen Stadtteil Bogenhausen gehörte. Die Villa besaß 16 Zimmer und war gewiss mehrere Millionen wert. Außerdem hatten sie einen ganzen Fuhrpark exklusiver Autos. Während sich Cora mit einem weißen Porsche 911 Turbo S Cabriolet zufriedengab, den ihr Markus zum zwanzigsten Hochzeitstag geschenkt hatte, hatte er die Wahl zwischen einem Ferrari 488 GTB, einem Porsche 918 Spyder, einem Mercedes-AMG GT S Coupé und einem BMW i8. Daneben besaßen sie ein Haus mit Seezugang und Bootshaus am Comer See.
Markus hatte also sein Versprechen gehalten und ermöglichte ihr ein angenehmes Leben, denn mithilfe ihrer Kreditkarte konnte sie ohne Limit einkaufen, was sie wollte, ohne auf den Preis achten zu müssen.
Allerdings wusste sie nicht, wie er dieses Geld verdiente. Sie wusste lediglich, dass er freiberuflich tätig war und seine Geschäfte, worin auch immer diese bestanden, von zu Hause aus erledigte. Meistens, wenn sie ihn in seinem großzügigen Arbeitszimmer im Erdgeschoss besuchte, sprach er gerade mit irgendwelchen Leuten am Telefon, verstummte allerdings sofort, sobald sie anklopfte, um seinen Gesprächspartner zu vertrösten und Cora hereinzubitten. Oder er starrte so konzentriert auf den Computermonitor, dass sie Mühe hatte, ihn auf sich und ihr jeweiliges Anliegen aufmerksam zu machen. Nur gelegentlich, ein- bis zweimal in der Woche, verließ er zu höchst unterschiedlichen Zeiten das Haus, um einen wichtigen geschäftlichen Termin wahrzunehmen, und blieb dann zwei bis vier Stunden, ganz selten auch einmal über Nacht weg.
Cora nahm an, dass Markus’ Tätigkeit mit dem Handel von Aktien zu tun hatte, denn wo sonst konnte man von zu Hause aus so viel Geld verdienen. Aber wie gesagt, es war ihr nie wichtig gewesen, genauer darüber Bescheid zu wissen, solange der Rubel weiterhin rollte und sie sich nicht einschränken musste.
Allerdings machte es ihr die Tatsache, dass Markus fast ständig zu Hause war und nur gelegentlich für wenige Stunden wegging, schwer, sich mit ihrem Liebhaber zu treffen. Da sie nicht vorhersehen konnte, wann Markus das Haus verließ, und es in der Regel erst kurz vorher erfuhr, konnte sie ihre Treffen mit Sascha nicht im Voraus planen, sondern musste flexibel sein. Und falls Sascha gerade keine Zeit hatte, weil er im Fitnessstudio arbeiten musste, dann ging es eben nicht. Und selbst wenn es klappte und sie sich bei ihm treffen konnten, musste es immer schnell gehen, weil sie nicht wusste, wie lange Markus heute wegbleiben würde.
So war es schon ein paarmal vorgekommen, dass sie noch unter der Dusche gestanden hatte, als er zurückgekommen war. Auf seine Frage, warum sie mitten am Tag duschte, hatte sie ihm vorgelogen, dass sie im Fitnessstudio gewesen wäre und keine Lust gehabt hätte, dort zu duschen. Und einmal war er schon da gewesen, als sie völlig verschwitzt heimgekommen war. Erneut hatte sie behauptet, sie wäre im Fitnessstudio gewesen und hätte im Anschluss sofort nach Hause gewollt, um zu sehen, ob er schon wieder zurück wäre. Cora hielt sich zwar für eine ausgezeichnete Lügnerin, hatte allerdings befürchtet, Markus könnte Saschas Geruch oder den Duft nach Sex an ihr riechen. Doch er hatte nichts davon bemerkt und sich gefreut, dass sie sogar im Fitnessstudio an ihn gedacht hatte. Anschließend hatte er ihr einen Kuss auf die verschwitzte Stirn gegeben, bevor er wieder in seinem Arbeitszimmer verschwunden war, um weiter seinen ertragreichen Geschäften nachzugehen.
Cora war klar, dass ihr außereheliches Verhältnis längst aufgeflogen wäre, wenn Markus nur ein wenig misstrauischer und aufmerksamer gewesen wäre. Doch er schöpfte trotz allem nicht den geringsten Verdacht, weil er sich vermutlich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass seine Frau Verlangen nach einem anderen Mann haben könnte. Schließlich bot er ihr alles, was sich eine Frau nur wünschen konnte. Sie lebte im Überfluss, musste sich keine Sorgen um ihr Wohlergehen und ihre Zukunft machen und nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, sondern konnte ihren eigenen Interessen nachgehen – in ihrem Fall neben dem Fitnesstraining die Malerei, die sie in einem eigenen Atelier im Dachgeschoss betrieb.
Dass eine Frau ein bisschen mehr als nur ein schönes Heim und Wohlstand haben wollte, schien ihm hingegen nie in den Sinn gekommen zu sein.
Kinder beispielsweise, doch davon hatte Markus von Anfang an nichts wissen wollen, und Cora hatte sich damit – wie mit vielen Dingen, über die sie hinweggesehen hatte – irgendwann abgefunden.
Oder tollen, die Sinne vernebelnden, manchmal auch harten Sex. Und an diesem Punkt war Sascha ins Spiel gekommen, der letztendlich auch den Anstoß für ihre jetzigen Überlegungen gegeben hatte, denn sie dachte noch immer darüber nach, wie sie mehr Zeit mit ihm verbringen konnte.
Doch so sehr sie sich auch den Kopf zermarterte, ihr fiel keine Lösung ein. Denn wie sollte sie Markus dazu bringen, mehr Zeit außer Haus zu verbringen, oder ihm erklären, warum sie so oft und lange weg war? Es war im Grunde die Quadratur des Kreises und daher unmöglich.
Die einzige Möglichkeit, die ihr einfiel, bestand darin, ihn einfach umzubringen. Aber das war natürlich vollkommen absurd!
Aber ist es das tatsächlich?
Coras Überlegungen kamen an diesem Punkt abrupt zum Stillstand, als wäre ihr Verstand gegen ein Hindernis geprallt, denn es irritierte sie, dass sie den Gedanken, ihren Ehemann zu töten, nicht augenblicklich verworfen hatte, sondern sogar einen zweiten und dann auch noch einen dritten Gedanken daran verschwendete.
Schließlich hatte sie Markus noch nie zuvor den Tod gewünscht, noch nicht einmal dann, wenn sie richtig wütend auf ihn gewesen war. Schließlich war