GRABESDUNKEL STEHT DER WALD. Eberhard Weidner

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Название GRABESDUNKEL STEHT DER WALD
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738053609



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wie es aussah, hatte sie sich zu früh gefreut, denn ihr Ehemann war gar nicht tot, sondern plötzlich wieder in ihrem Leben aufgetaucht.

      DRITTES KAPITEL

      1

      Als Cora von ihrem mentalen Ausflug in ihre Erinnerungen zurückkehrte, als erwachte sie aus einem Traum, saß sie noch immer im Bad neben der Toilettenschüssel und ließ ihren rechten Zeigefinger auf ihrer Kopfhaut kreiseln, sodass sich ihre langen Haare darum wickelten. Es war eine Angewohnheit, die sie sich einfach nicht abgewöhnen konnte, sosehr und sooft sie es auch versuchte, und die sie vor allem immer dann unbewusst ausführte, wenn sie unter starkem, emotionalem Stress stand.

      Sie befreite ihren Zeigefinger, dessen Spitze dunkel war, weil sich das Blut darin gestaut hatte, und stand auf. Dann stellte sie sich vor das Waschbecken und erwiderte den Blick ihres seitenverkehrten Ebenbilds im Spiegel. Was sie sah, gefiel ihr allerdings ausnahmsweise nicht so besonders.

      Ihr Haar war an der Stelle zerzaust, an der sie es um ihren Finger gewickelt hatte. Außerdem war sie blasser als sonst und hatte leicht gerötete, wässrige Augen, als wäre sie ernsthaft erkrankt. Und zu allem Überfluss hing auch noch ein Spritzer Erbrochenes an ihrem Kinn.

      Sie verzog angewidert das Gesicht und schüttelte den Kopf, weil es Zeit wurde, dass sie sich nicht so gehen ließ und ein ernstes Wort mit sich selbst sprach.

      Na schön, dann war Markus also wieder aufgetaucht. Und wenn schon? Das war schließlich kein Weltuntergang. Nach Angaben der Polizistin von der Vermisstenstelle hatte er nämlich sein Gedächtnis verloren. Also wusste er auch nicht mehr, was mit ihm passiert war. Und selbst wenn er seine Erinnerungen irgendwann zurückerlangte, würde er den Mordversuch nicht mit ihr in Verbindung bringen. Schließlich war sie weit weg gewesen und hatte eines der besten Alibis, die man sich nur wünschen konnte.

      Und während Coras Abwesenheit war eben ein Unbekannter ins Haus eingedrungen, als Markus gerade im Arbeitszimmer auf Coras Anruf gewartet hatte, und hatte ihren Ehemann erwürgt. Anschließend hatte der Fremde die Leiche in den Ebersberger Forst gebracht, einem ausgedehnten Waldgebiet fünfundzwanzig Kilometer von München entfernt, und dort verscharrt.

      So war es zumindest von ihr geplant gewesen, und genau so hätte Sascha es auch ausführen sollen. Was war also passiert, dass Markus noch immer am Leben war und so unerwartet und unwillkommen wie ein nächtlicher Albtraum wieder auf der Bildfläche erschien?

      Hatte Sascha ihn gar nicht getötet, wie er es ihr gegenüber hinterher behauptet hatte? Aber wieso nicht? Und wo war Markus seitdem gewesen? War er in der Gegend herumgeirrt, nachdem er im Wald ohne jegliche Erinnerung wieder zu sich gekommen war, und schließlich in Regensburg gelandet, um dort bei einem Ladendiebstahl erwischt zu werden und wieder in ihr Leben zurückzukehren?

      Cora spürte den Impuls, nach unten zu gehen und zum Telefon zu greifen, um Sascha sofort anzurufen und zur Rede zu stellen. Doch ihr wurde sofort klar, dass dies das Verkehrteste wäre, was sie tun könnte.

      Erstens hatte sie mit ihm eine Funkstille von einem halben Jahr vereinbart. Denn wenn niemand sie zusammen sah, würde auch niemand argwöhnen, Sascha könnte etwas mit dem Verschwinden ihres Mannes zu tun haben. Wenn er hingegen ein halbes Jahr nach Markus’ Verschwinden auftauchte, wäre das viel unverdächtiger, schließlich konnte niemand erwarten, dass sie ihrem verschollenen Mann ein Leben lang hinterherweinte.

      Zweitens hegte sie trotz des Fotos, das ihr die Ermittlerin per Mail geschickt hatte, urplötzlich den Verdacht, das Ganze könnte eine ausgeklügelte Falle der Polizei sein. Vielleicht verdächtigte man sie trotz all ihrer raffinierten Vorsichtsmaßnahmen und wollte sie auf diese Weise aus der Reserve locken und dazu verleiten, einen Fehler zu begehen.

      Aber nicht mit mir, Freunde!

      Coras Spiegelbild grinste sie an, während sie sich vornahm, sich weiterhin extrem vorsichtig zu verhalten und nach Möglichkeit keine vermeidbaren Fehler zu begehen. Ob die Polizei sie tatsächlich verdächtigte und auszutricksen versuchte, wusste sie nicht mit Sicherheit, sie beschloss allerdings, bis auf Weiteres so zu tun, als wäre das der Fall. Doch dazu musste sie einen kühlen Kopf bewahren und durfte nicht in Panik verfallen.

      Die überraschende Mitteilung von Anja Spangenberg, ihr Mann, den sie in einem Grab im Wald gewähnt hatte, sei wieder aufgetaucht, hatte ihr einen Schock versetzt und für eine Weile ihren gesunden Menschenverstand ausgeschaltet. Das durfte nicht noch einmal geschehen. Schließlich war es ja nicht so, als wäre Markus von den Toten wiederauferstanden und ein verfluchter Zombie. Nein, für sein Wiederauftauchen musste es eine normale, rationale Erklärung geben. Und die musste sie herausfinden, bevor sie sich überhaupt daranmachen konnte, die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen.

      Die wichtigste Frage war daher ganz einfach und lautete momentan wie folgt: Aus welchem Grund war Markus nicht tot?

      Und da Sascha nicht hier war, um ihr Rede und Antwort zu stehen, gab es für sie eigentlich nur eine Möglichkeit, wie sie rasch Licht ins Dunkel bringen konnte.

      2

      Nachdem sie sich das Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt hatte, um den ekelerregenden Geschmack nach Erbrochenem loszuwerden, ging Cora eilig zurück in ihr Arbeitszimmer.

      Markus und sie hatten schon immer getrennte Schlafzimmer gehabt, da Markus’ Schnarchen zeitweise die Lautstärke eines Presslufthammers erreichte und Cora von Haus aus einen leichten Schlaf hatte. Zwei Dinge, die unvereinbar waren. Und als sie dann vor sechzehn Jahren in dieses Haus gezogen waren, das über weit mehr Zimmer verfügte, als sie benötigten, weil sie keine Kinder hatten, hatte Cora neben ihrem Schlafzimmer und dem Atelier im Dachgeschoss auch noch ein eigenes, kleines Arbeitszimmer bekommen, in dem sich neben dem Schreibtisch mit ihrem Laptop und mehreren Regalen unter anderem auch ein Wandtresor befand.

      Cora nahm das Bild – eine limitierte Farblithografie von Pablo Picasso – von der Wand, hinter dem sich der Tresor verbarg, und lehnte es am Boden gegen die Wand. Anschließend tippte sie den sechsstelligen Code, den nicht einmal Markus gekannt hatte, in die LED-Tastatur, drückte zur Bestätigung die Taste mit dem Rautenzeichen und drehte den Metallklappgriff, um die Safetür zu öffnen.

      Im Tresor befanden sich ihre persönlichen wichtigen Unterlagen, ihre Sparbücher, etwas Bargeld für den Notfall und ihr Schmuck. Doch all das interessierte sie momentan nicht. Worauf sie es abgesehen hatte, lag auf der rechten Seite im oberen Fach. Sie griff danach und schloss die Tresortür wieder, verzichtete aber vorerst darauf, das Bild wieder davor aufzuhängen.

      Sie wandte sich um und ging zum Schreibtisch. Das Display des Laptops war noch immer aufgeklappt und der Rechner in Betrieb. Cora nahm hinter dem Schreibtisch Platz und öffnete das Speicherkarten-Etui, das sie dem Tresor entnommen hatte. Im Innern befanden sich zwei Speicherkarten, die lediglich mit den Ziffern 1 und 2 beschriftet waren. Sie nahm die Karte mit der 1 und schob sie in das Kartenlesegerät des Laptops.

      Die Daten wurden eingelesen, dann öffnete sich auf dem Bildschirm ein Menü mit mehreren Auswahlmöglichkeiten. Cora entschied sich für die Option, die es ihr erlaubte, den Ordner zu öffnen, um die Dateien anzuzeigen. Einen Augenblick später öffnete sich ein Fenster, und Cora hatte den Inhalt des Datenträgers vor sich. Es gab jedoch nur eine einzige Datei, und bei dieser handelte es sich um eine Videodatei.

      Cora doppelklickte auf die Datei, die den unverfänglichen Namen »Film1« trug, und wartete dann ungeduldig darauf, dass die Aufnahme abgespielt wurde.

      3

      Schon als Cora damals den Plan zur Ermordung ihres Ehemanns und anschließenden Beseitigung der Leiche gefasst hatte, war ihr bewusst gewesen, dass Sascha früher oder später zum Problembären werden könnte.

      Sie konnte sich nämlich partout nicht vorstellen, mit ihm den Rest ihres Lebens zu verbringen und alt zu werden. Als Liebhaber und gelegentlicher Sexualpartner war er aufgrund seiner körperlichen Vorzüge unschlagbar, doch als Lebenspartner wegen seiner intellektuellen Defizite vermutlich ein Reinfall.

      Die