ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR. Eberhard Weidner

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Название ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636366



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anderer Kram, den sie jedoch nicht genau erkennen konnte. Ein großer, schwarzer Vorhang teilte den Innenraum in zwei Hälften.

      »Und was ist hinter dem Vorhang?«

      »Das Bett natürlich«, sagte er und zwinkerte ihr zu. Dann griff er in einen der Haufen und zog einen langen, metallisch glänzenden Gegenstand hervor. »Und hier ist auch die zweite Taschenlampe. Ordnung ist eben das halbe Leben.« Er knipste die Lampe an und richtete den Strahl in den Himmel.

      Bettina kicherte.

      Andi schaltete die Lampe wieder aus, befreite sich aus ihrer Umklammerung seines Armes und stieg in den Bus. Er drehte sich um und streckte ihr die Hand entgegen. »Na los, komm rein. Du musst mir helfen, das Werkzeug zu finden. Ich hab im Augenblick vergessen, wo es steckt.«

      »Und ich dachte, Ordnung sei das halbe Leben«, neckte sie ihn.

      Er grinste. »Das Werkzeug gehört leider zur anderen Hälfte.«

      Sie reichte ihm die Hand und ließ sich von ihm hochziehen, bis sie ein wenig gebückt neben ihm im Innern des Busses stand.

      »Wo sollen wir bloß anfangen?«, fragte sie und betrachtete skeptisch die Unordnung, die überall herrschte.

      »Gute Frage«, sagte er.

      Plötzlich ertönte von draußen ein lautes Krachen.

      Bettina wirbelte erschrocken herum und warf sich an Andis Brust. »Und was war das?«, fragte sie ängstlich. »Das war doch kein kleines Tier, oder?« Für ein Eichhörnchen, eine Maus oder einen Igel war das Krachen entschieden zu laut gewesen. Der Schein der Innenbeleuchtung umgab sie zwar wie eine schützende Kuppel, er reichte jedoch nicht weit in den Wald hinein. Dahinter erhob sich drohend tiefste Finsternis zwischen schemenhaft erkennbaren Baumstämmen, die sie auf der Suche nach der Ursache des Geräuschs vergeblich mit ihren Blicken zu durchdringen versuchte.

      »Da ist vermutlich jemand auf einen morschen Ast getreten«, beantwortete Andi ihre Frage.

      »Jemand? Aber wer kann das sein?«

      »Warte, das werden wir gleich haben«, sagte Andi zuversichtlich und knipste die Taschenlampe wieder an. Er richtete den Strahl nach draußen und bewegte ihn langsam von einer Seite zur anderen. Plötzlich riss der helle Schein eine geisterhafte Gestalt aus der Dunkelheit. Bettina schrie leise auf, als sie die Person sah. Im nächsten Moment erkannte sie auch, um wen es sich handelte. Es war die junge Frau, die sie in der Diskothek kurz gemustert, dann aber wieder weggesehen hatte. Aber wie kam sie hierher? Und was wollte sie von ihnen?

      »Wer …?«

      »Ach ja«, unterbrach Andi sie betont beiläufig. »Das ist übrigens Christina. Christina ist meine Schwester.«

      Nun verstand Bettina überhaupt nichts mehr. Verwirrt wanderten ihre Blicke zwischen Andi und Christina hin und her.

      »Ich hab dir doch von ihr erzählt. Erinnerst du dich nicht?«

      »Ja, aber …«

      »Du bist wohl etwas verwirrt, aber das macht gar nichts«, sagte Andi beruhigend und strich mit der freien Hand über ihr Haar. Im nächsten Moment packte er ihren linken Oberarm. »Aber da wir gerade dabei sind, möchte ich dir noch jemanden vorstellen.« Er schob sie auf den schwarzen Vorhang zu, bis sie direkt davor stand. Er stand seitlich hinter ihr und hielt sie am Arm fest, dann beugte er sich vor und riss mit einem Ruck den Vorhang zur Seite. »Bettina, darf ich dir Christinas und meine Mutter vorstellen. Sie heißt Berta. Sag schön Hallo zu Mama Berta.«

      Bettina wollte schreien, konnte es jedoch nicht, denn ihre Kehle war wie zugeschnürt. Gleichzeitig verspürte sie den entsetzlichen Drang, sich zu übergeben, aber auch das blieb ihr verwehrt. Am liebsten wäre sie davongelaufen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr. Alles, was sie tun konnte, war, wie erstarrt dazustehen und auf das zu starren, was auf dem breiten Bett vor ihr lag.

      Die Gestalt war völlig nackt und lag auf dem Rücken. Die leeren Augenhöhlen starrten blicklos an die Decke des Busses. Einige Teile des leblosen Körpers wie die Nase, der linke Arm und das rechte Bein waren ziemlich zerfressen und befanden sich in einem fortgeschrittenen Grad der Verwesung. Andere Teile waren hingegen weniger angegriffen und sahen viel besser aus, hatten jedoch oft eine hellere oder dunklere Färbung als der Rest des Körpers und waren durch grobe Nähte aus dickem, schwarzem Garn an dem aufgeblähten Torso befestigt worden. Ein grässlicher Gestank ging von dem Körper aus, den jetzt, aus der Nähe, nicht einmal mehr der Tannennadelduft aus der Dose überdecken konnte. Außerdem krabbelten unzählige Fliegen über die wächserne, blutleere Haut oder summten, aufgeschreckt durch den zurückgezogenen Vorhang, durch die Luft, während bleiche Maden sich in Körperöffnungen und -höhlungen wanden.

      »Hallo Mama«, sagte Andi mit liebevoller Stimme. »Schau mal, wen ich mitgebracht habe. Das ist Bettina. Sag Hallo.« Er beugte sich an der schreckensstarren Bettina vorbei, ergriff die rechte Hand der Frauenleiche und bewegte diese dann auf und nieder, als würde sie winken. Der schwarze Faden, mit dem der Arm an der Schulter befestigt war, spannte sich, zerriss jedoch nicht.

      Bettina befreite sich aus Andis Griff und taumelte zwei unsichere Schritte nach hinten. Sie hob die Arme und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. Das alles durfte einfach nicht wahr sein. Stattdessen steckte sie inmitten eines grässlichen Alptraums.

      Andi ließ die Hand seiner Mutter los und wandte sich um. »Wie du sehen kannst, ist Mama Berta sehr krank. Sie braucht mal wieder eine Reparatur.«

      Bettina hörte seine Worte zwar, doch sie ergaben für sie keinen Sinn. Was redete er denn da? Reparatur? Mama Berta war nicht mehr zu reparieren. Begriff er das denn nicht? Alles, was Mama Berta brauchte, waren eine Kiste und ein tiefes Loch. Bettina nahm die Hände von den Augen und starrte ihn an. Andi musste vollkommen irre sein.

      Doch Andi sah sie weiterhin sanft lächelnd an. »Christina und ich werden Mama wieder reparieren. Das haben wir schon oft gemacht. Und du wirst uns dabei helfen.«

      Bettina verstand kein Wort. War denn auf einmal die ganze Welt komplett verrückt geworden? Oder wenn nicht, wo blieb denn dann die verdammte versteckte Kamera?

      »Wir brauchen dringend Ersatzteile«, sagte Andi. Er lächelte noch immer. Aber gerade dieser Widerspruch zwischen seinem freundlichen Gesichtsausdruck und seinen unsinnigen Worten trieb sie beinahe in den Wahnsinn.

      Aber plötzlich verstand sie, was er vor ihr wollte. Ersatzteile!

      »Nein«, hauchte Bettina zutiefst entsetzt, hob abwehrbereit die Arme und wich einen weiteren Schritt vor ihm zurück. Dabei trat sie allerdings ins Leere und fiel aus dem Wagen auf den tannennadelübersäten Waldboden.

      Andi kam zwei Schritte näher, blieb in der offenen Schiebetür stehen und sah auf sie herunter. »Pass auf, dass du nichts kaputtmachst«, sagte er sanft. »Wir können nur intakte Ersatzteile gebrauchen.« Dann blickte er über sie hinweg zu seiner Schwester. »Okay, Christina. Lass uns mit Mama Bertas Reparatur anfangen!«

      Bettina warf den Kopf herum und starrte mit geweiteten Augen und offenem Mund auf Andis Schwester, die unmittelbar hinter ihr stand und beinahe ebenso liebevoll auf sie herabblickte wie ihr Bruder.

      Endlich gelang es Bettina, laut zu schreien. Doch ihr gellender Schrei ging völlig unter im Aufheulen der Kettensäge, die Christina in Händen hielt.

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