Mord aus kühlem Grund. Achim Kaul

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Название Mord aus kühlem Grund
Автор произведения Achim Kaul
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750231757



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ja, ja, ick weeß, ick weeß. Aber heute Morgen wolltest du ihn noch stundenlang inner Sauna schmoren lassen, haste schon vajessen?« Fred winkte ab.

      »Jetzt verrat mir nur mal, warum du’n weghaben wolltest«, raunte er ihr zu. Johanna wischte ein paar Mal mit der flachen Hand unsichtbare Krümel vom Tisch.

      »Et hat’n Toten jejeben«, sagte sie leise. »Ick will nüscht, dat der Junge nochmal irjendwat mit Toten zu tun hat.« Fred schaute sie mit großen Augen an.

      »Inner Therme? Heut Morjen?« Sie nickte und zupfte am Tischtuch.

      »Een junger Mann. Lag als Leiche inner Sauna.«

      »Welche Sauna?«

      »Is doch ejal, Mensch. Die Stollensauna jloob ick. Katharina hattet von eener Freundin, die dort arbeetet. Angeblich soll er ertrunken sein.«

      »Ertrunken? Inner Sauna?« Fred fehlten die Worte. Und Elias, der neben der Balkontür stehengeblieben war, um zu lauschen, fiel das weiße Gesicht ein, das ihn an diesem Morgen so erschreckt hatte.

      Lucy tat etwas Verbotenes: Sie lauschte. Der Polizeichef von Bad Wörishofen, Alois Klopfer, telefonierte in seinem Büro. Von Angesicht zu Angesicht konnte Klopfer bedrohlich leise sein, wenn er wütend war. Am Telefon dagegen konnte er sehr laut werden. »Ich lausche ja gar nicht«, sagte Lucy zu sich selbst, als sie sich an seine Bürotür schlich, »ich höre nur nicht weg.«

      »Hat man Ihnen als Sie klein waren nicht die Uhr erklärt?«, dröhnte es klar und deutlich von drinnen. »Wissen Sie, was man im Westen unter einer Viertelstunde versteht? Möchte der Herr Kommissar vielleicht, dass ich ihm hinterher telefoniere?« Lucy hätte zu gern Zweifels Antworten mitbekommen. Sie schienen jedenfalls nicht dazu geeignet, den Chef zu beruhigen. »Nein, ich habe das BKA noch nicht alarmiert. In weiser Voraussicht, wie mir scheint. Gottseidank habe ich noch andere Informationsquellen als Sie. Den Geschäftsleiter der Therme zum Beispiel, Herrn Schilling.« Eine Zeit lang war nichts mehr zu hören. Offenbar wurde der Chef mit den ersehnten Informationen gefüttert. »Ist Frau Zick bei Ihnen? Ja. Ja doch! Ist mir bekannt, wir werden das schon regeln mit ihrem Urlaub!« Klopfers Stimme schien näher zu kommen, obwohl er deutlich leiser redete. »Ja. Ist mir bekannt. Ist mir egal! Wir sehen uns in meinem Büro. Um 17 Uhr!« Die Tür ging auf, und Lucy stand perplex vor ihrem Chef. Vor Schreck blieb ihr die Spucke weg. Sie deutete stumm mit ausgestrecktem Arm auf ihren Arbeitsplatz, wobei sie sich um einen unschuldigen Gesichtsausdruck bemühte. Klopfer fixierte sie.

      »Wollen Sie mir sagen, dass Sie von da drüben nichts verstehen können?«

      »Ääh …«

      »Hätte ich lauter werden sollen?«, fragte er und verschränkte seine Arme.

      »Äähm …«

      »Was ist los, Frau Lucy, so kenn ich Sie ja gar nicht? Sind Sie etwa verlegen? Oder sind Sie nur um Worte verlegen? Werden Sie mir ja nicht rot.« Lucy schluckte.

      »Kaffee, Cognac, Tabletten vielleicht …?«, sprudelte es aus ihr hervor.

      »Was soll das nun schon wieder?«

      »Ich dachte — nur so — zur Beruhigung vielleicht …«

      »Kaffee können Sie meinetwegen haben. Cognac und Tabletten verbiete ich Ihnen!«

      »Ähm, nein — ich dachte eigentlich — für Sie …«

      »Für mich? Mache ich den Eindruck als sei ich unruhig?« Lucy hatte sich, ihren umfangreichen Körper vorsichtig rückwärts schiebend, ihrem Schreibtisch genähert. Klopfer hatte sie langsam vor sich hergetrieben.

      »Äh, nein, also — Sie sind eigentlich wie immer«, sagte sie und plumpste auf ihren Stuhl. Klopfer verzog keine Miene. Er baute sich vor ihrem Schreibtisch auf und ließ sie nicht aus den Augen. Lucy wusste nicht, wo sie hingucken sollte. Schließlich wurde es ihr zu dumm. Sie reckte trotzig ihr Dreifachkinn und stieß einen tiefen Seufzer aus.

      »Also gut, Herr Klopfer, ich habe gelauscht, wobei das bei Ihrer Lautstärke der falsche Ausdruck ist. Soll nicht wieder vorkommen.«

      »Glaub’ ich nicht.«

      »Aber …«

      »Schokolade!«, sagte er wild entschlossen.

      »Was meinen Sie?«

      »Strafe muss sein. Schokolade! Sie wissen schon, was ich meine. Los, her damit!«, sagte er mit einer fordernden Handbewegung.

      »Meine Schokolade?«, stammelte sie.

      »Muss ich sie mir selbst holen?«, polterte Klopfer.

      »Aber …«, sie zog beide Schubladen auf, »nix mehr da, Herr Klopfer.« Er überzeugte sich mit eigenen Augen.

      »Es ist unglaublich.«

      »Es tut mir sehr leid, Herr Klopfer. Ich hatte noch keine Zeit, welche zu kaufen.«

      »Keine Zeit also, aha. Wohl zu viel Arbeit, was?« Sie schüttelte verwirrt den Kopf, dann nickte sie heftig.

      »Hören Sie gut zu, Frau Lucy. Wenn ich das nächste Mal meine Bürotür aufmache, kleben Sie besser nicht mit Ihrem Ohr dran.« Wieder nickte sie eifrig. »Und wenn ich das nächste Mal Ihre Schublade aufmache, liegt gefälligst eine Schokolade drin. Beste Qualität. War ich laut genug?«

      »Ich — ich konnte nichts überhören.«

      »Gut, wie sieht Ihr Arbeitsplan für den Rest des Tages aus?« Sie zuckte zögerlich mit den Schultern und deutete vage auf ihren Schreibtisch. Klopfer starrte darauf.

      »So muss es damals in Pompeji ausgesehen haben. Nach dem Vulkanausbruch.« Er nahm sie ins Visier. »Wenn es Ihre geistige Verfassung wieder erlaubt, dann suchen Sie mir alles an Informationen zusammen, was Sie über Herrn Kronberger und seine Zwillingssöhne herausfinden können. Sagen wir – bis halb vier. Und passen Sie auf Ihren Nacken auf.«

      »Warum?«, hauchte Lucy, die so viel Zuwendung seitens Ihres Chefs nicht gewohnt war.

      »Sie nicken zu heftig.«

      6. Kapitel

      »Mein Büro kennen Sie ja bereits«, sagte Fischli. Zweifel hatte soeben sein Telefonat mit Klopfer beendet, wovon der Bademeister einiges mitbekommen hatte.

      »Ihr Chef kann ganz schön laut werden, wie?«

      »Er gibt sich Mühe, verstanden zu werden.« Zweifel unterdrückte einen weiteren Kommentar und warf einen Blick auf den Tisch mit den herausgefischten Schätzen. »Wie viele Mitarbeiter gibt es hier eigentlich?«, fragte er. Fischli kratzte sich am Kopf. Bevor er antworten konnte, mischte sich der junge Bademeister ein, der gerade zur Tür hereinkam und die Frage mitbekommen hatte.

      »In der Therme selbst sind es ungefähr neunzig. Dazu kommen aber noch die Leute, die sich um die Pflanzen kümmern, das Reinigungsteam, das Sicherheitsteam, die beiden Restaurants samt Poolbar mit ihren Mitarbeitern und natürlich die Angestellten in der Ladenstraße. Das werden insgesamt nochmal um die einhundertzwanzig sein. Aber davon arbeiten die meisten in Teilzeit.« Zweifel lächelte ihn an.

      »Sagen Sie mir doch Ihren Namen.«

      »Ich heiße Adnan.«

      »Und weiter?« Der junge Mann schüttelte den Kopf.

      »Seinen Nachnamen kennen nur wenige. Nur die, die ihn wissen müssen«, erklärte Fischli. »Er kommt aus Afghanistan und …«

      »Das stimmt nicht«, unterbrach ihn Adnan ruhig aber bestimmt. »Meine Eltern sind von dort. Ich bin hier geboren. Ich bin Deutscher.« Zweifel räusperte sich.

      »Fürs erste genügt mir Ihr Vorname, Adnan. Sie haben die Leiche zuerst entdeckt, stimmt das?« Adnan nickte. »Wie kam es dazu?« Adnan tauschte mit Fischli einen Blick.

      »Ich war bei der Felsendusche. Da gibt es ein kleines Tauchbecken, in das eine Treppe hineinführt. Ein alter Mann war dort ausgerutscht