Mord aus kühlem Grund. Achim Kaul

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Название Mord aus kühlem Grund
Автор произведения Achim Kaul
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750231757



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      »Mit Pink Floyd fing alles an.«

      »Mit Pink Floyd?«

      »Ach kommen Sie, Herr Kommissar, Sie werden sich doch an Pink Floyd erinnern.«

      »Das schon, aber …«

      »Sie haben bei mir einen anderen Musikgeschmack erwartet. Sie gehen nach Äußerlichkeiten. Das ist ein Fehler. Das habe ich mir schon sehr lange abgewöhnt, Herr Kommissar.« Er ließ ein heiseres Lachen hören. »Okay, ist für mich auch ganz easy, seitdem ich auf die visual effects verzichte. Man soll mit Geständnissen sparsam sein, vor allem gegenüber dem Staat, aber Ihnen trau’ ich, daher geb’ ich offen zu, dass Led Zeppelin, Black Sabbath und Deep Purple meine Heroes sind. Aber eben auch Beethoven. Irgendwann dazwischen hatte ich eine Phase, in der ich voll auf Pink Floyd abgefahren bin.« Zweifel war verwirrt. Wie sollte er mit diesen Informationen umgehen? Wollte Elvis jetzt seine Playlist runterbeten?

      »Sie wollen mir damit was sagen?«

      »Klar Mann!« Zweifel kratzte sich am Kopf.

      »Es könnte sein, dass meine Musikintelligenz dazu aber nicht ausreicht. Geben Sie mir einen Tipp.«

      »Ich erzähl’s lieber am Stück«, brummte Elvis und drehte seinen Kopf nach allen Seiten, als wolle er sichergehen, dass niemand mithört. »Den ganzen Vormittag wurde ich zugekleistert mit den Geräuschen die hier so üblich sind: Halblautes Blablabla, Wassergeplätscher, nasse Plattfüße auf nassen Kacheln, das Quietschen der Glastüren, die nach draußen führen, gedämpfter Quark aus den Lautsprechern, ab und zu ein kreischendes Pubertier und dann ein Flash.« Er hatte zwei Finger erhoben, wie zum Schwur. »Gleich darauf ein zweiter.«

      »Sie meinen die Schreie? Konnten Sie erkennen, von wo sie kamen?«

      »Klar Mann, vom Band.«

      »Vom Band? Sie meinen …«

      »Muss ’ne ganz spezielle Aufnahme gewesen sein, war aber hundertpro Pink Floyd pur.« Zweifel ließ den Kopf sinken, schloss die Hände um seinen kahlen Schädel und kramte in seinem Musikgedächtnis. Elvis ließ ihm ein paar Minuten Zeit und verschränkte die Holzfällerarme. Dann begann er, ganz leise ein Thema zu brummen. Zweifel hob den Kopf.

      »Natürlich! Pink Floyd, 1970 oder so, ›UmmaGumma‹hieß die Platte, da gab es einen Song, in dem es um eine Axt ging.«

      »Yes Sir. ›Careful with that axe, Eugene‹. Ganz leise und drohend gesprochen, mit Synthesizer unterlegt, man ist eigentlich ganz relaxed und dann folgen Schreie, die mich damals die ganze Nacht wachgehalten haben.«

      »Und die haben Sie heute gehört? Sind Sie ganz sicher?«

      »So sicher, wie ich Sie und Ihre Assistentin, die sich gerade heranpirscht, nicht sehen kann.« Melzick hatte etwas in der Hand und winkte Zweifel mit fragendem Gesichtsausdruck damit zu. Der gab ihr ein Zeichen, noch etwas zu warten.

      »Ich kenne den Song. Ich kann mich gut erinnern«, sagte Zweifel. »Ich weiß bis heute nicht, ob da ein Mann oder eine Frau schreit.« Elvis grinste.

      »Deswegen wollte ich nur mit dem großen Boss reden, Herr Kommissar. Oder glauben Sie, irgendeines von Ihren Greenhorns hätte etwas mit ›UmmaGumma‹ anfangen können? Wie gesagt, das muss ’ne ganz spezielle Aufnahme gewesen sein. War irgendwie bearbeitet. Tontechnisch, meine ich. Schlagzeug, E-Gitarre und Synthesizer waren komplett gelöscht. Blieb nur der pure Schrei übrig. Kam übrigens nicht aus allen Lautsprechern. Hat den Eindruck noch verstärkt, dass da gerade was ganz Übles passiert.« Er machte eine Pause, nahm die dunkle Brille ab, fuhr sich mit seiner riesigen Hand über das Gesicht und setzte sie wieder auf. »Wer immer das abgespielt hat, muss eine ganz böse Ader haben, Herr Kommissar, denn jetzt ging es los. Ich habs sofort gespürt, das aufgeregte Gemurmel, die Unruhe, immer mehr Leute, das Gedränge nimmt zu, irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo alle nur noch raus wollten. Ich hab mich nicht gerührt. Ich konnte sie riechen, die Panik. Aber sie hat mich kalt gelassen.«

      »Was haben Sie gemacht?«

      »Abgewartet. Irgendwann musste das ganze Chaos ja vorbei sein. Jedes Chaos läuft sich irgendwann tot. Also blieb ich liegen und dachte an Eugene.«

      »Haben Sie in dem Tumult noch irgendwas heraushören können?« Elvis schüttelte langsam den Kopf.

      »Irgendjemand hat sich meine Tasche geschnappt. Was soll’s, dachte ich.« Zweifel nickte Melzick zu, die jetzt nähertrat.

      »Wir haben jede Menge Zeug aus dem Becken gefischt, Herr …«, begann sie.

      »Elvis, immer noch Elvis«, sagte er und drehte den Kopf in ihre Richtung.

      »… Elvis, und wir glauben, dass das Ihnen gehört.« Sie drückte ihm das kleine elektronische Gerät in die Hand, über dessen Funktion sie vorhin gerätselt hatten. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

      »Sie haben C-3PO gefunden. Ich bin schon wieder geflasht.« Er hielt das Gerät ans Ohr und schüttelte es leicht hin und her. »Scheint okay zu sein. Wissen Sie, was man damit anstellt, Lady?«, fragte er.

      »Sie finden raus, ob Ihr Müsli Traubenkernextrakt enthält, oder Ihr Haarshampoo Zucker oder ob Ihre«, Melzick musterte kurz sein Outfit, »neuen Bikerhosen in Sri Lanka gefertigt wurden.« Elvis ließ sein heiseres Lachen ertönen, dann nickte er.

      »Oder ob ich mit meinen Wurstfingern Räuchertofu aus dem Tiefkühlfach gefischt habe.«

      »Wie, das ist Ihrer?«, fragte Melzick verdutzt.

      »Wenn Sie einen gefunden haben, der bis 17.09. haltbar ist, dann ist das meiner.«

      »Scheint ein guter Tag für Sie zu sein«, meinte Zweifel, während Melzick schon wieder verschwunden war. Elvis Miene wurde ernst.

      »Gilt das für alle, die heute hier waren, Herr Kommissar?« Zweifel zögerte.

      »Nun ja, es gibt zumindest einen, der da anderer Meinung wäre.«

      »Exitus?«

      »Wir wissen noch gar nichts, außer dass er blond war, kaum dreißig Jahre alt und tot in der Stollensauna lag.« Elvis pfiff leise durch die Zähne.

      »In der Ecke bin ich nie gewesen. Ah, vielen Dank, Lady.« Melzick war zurückgekommen und hatte ihm den Räuchertofu in die Hand gedrückt. »Sollten Sie auch mal probieren.«

      »Ein veganer Rocker«, sagte Melzick wenig später zu Zweifel, »wie finden Sie das?« Sie hatten sich in Fischlis Büro zurückgezogen, um ungestört reden zu können.

      »Zuerst einmal möchte ich wissen, ob Sie jetzt weiter auf der Suche nach Entspannung sind, Melzick, oder ob ich Sie für ein Seminar anmelden soll.«

      »Was für ein Seminar denn?«

      »Hilfe, ich hab Urlaub. Überleben ohne zu arbeiten. Intensivkurs.«

      »Brauch ich nicht, Chef.«

      »Dacht’ ich mir schon.«

      »Soll ich mich um diesen Studenten kümmern?«

      »Lukas Freun? Kann sein, dass der was mit der Autowerkstatt zu tun hat. Die Werbung kennen Sie doch:

      ›Freun Sie sich auf Ihr Auto‹.«

      »Keine Ahnung. Bringen Sie da immer Ihren Cadillac zur Behandlung hin?«

      »Erraten Melzick. Paul Freun freut sich jedes Mal auf mein Auto.«

      »Dann wird Lukas Freun wahrscheinlich sein Sohn sein, so oft gibt’s den Namen ja nicht.«

      »Fragen Sie ihn bei der Gelegenheit, ob er Leute kennt, die tontechnisch versiert sind.« Melzick schaute ihn fragend an. »Sie haben Elvis ja gehört. Die Schreie sind mehr als vierzig Jahre alt und wurden manipuliert. Genauso übrigens wie die Stimme, die mich heut’ morgen angerufen hat.« Melzick stutzte.

      »War es ’ne Kinderstimme?«

      »Wie kommen Sie darauf?« Sie zog ihr Handy hervor.

      »War