Das Überlebensprinzip. Christian Ruf

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Название Das Überlebensprinzip
Автор произведения Christian Ruf
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742735614



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Jetzt blieb nur zu hoffen, dass keiner auf die Idee kommen würde den Besitzer dieser Sachen zu suchen. Ben und ich verhielten uns mucksmäuschenstill und lauschten. Die komplette Meute hatte sich nun im Haus versammelt. Froh über diesen Fund machten sie sich sofort über das Essen her. Es herrschte reges Diskutieren und lautes Rufen während sich um die Verteilung der Lebensmittel gestritten wurde. Wir warteten weiter ab.

      Als die Gruppe der jungen Leute am späten Abend immer noch im Haus war, wurde klar dass sie hier noch mindestens über Nacht bleiben werden. Im Schutze der Dunkelheit würden wir nun unseren Keller besser verlassen müssen. Ich schob mich zuerst durch den Lichtschacht hinaus. Draußen krabbelte ich unter den Fenstern entlang durch den weißen und eiskalten Schnee bis an die Hausecke. Danach schlüpfte Ben aus unserem Kellerversteck. Die Hauswand warf einen halbdunklen Schatten auf die vor uns liegende Fläche des Hofes.

      Hinter ein paar Holzbrettern lagen vorbereitet ein paar Tannenzweige mit denen wir unsere Spur verwischten. Wir gingen vorsichtig an der Wand entlang bis zur nächsten Hausecke. Von dort waren es nur drei Meter bis in die Nachbarscheune durch die wir ungesehen den Ort verlassen konnten… Solange keiner zufällig hier draußen herumliefe, durfte das auch kein Problem sein. In meiner Hand hielt ich mein Messer dennoch einsatzbereit. Allein der Gedanke, dass jederzeit jemand aus dem Haus kommen könnte, erzeugte eine ungeheure Anspannung. Vorsichtig spähte ich um die Ecke. Niemand war zu sehen. Das Gegröle im Haus war unverändert.

      Rasch ging ich die paar Schritte rüber in die Scheune. Kaum drüben angekommen blickte ich zu Ben zurück. Er hatte Angst - das sah ich. Ohne Worte nickte ich ihm mit Bestimmtheit zu - los doch!

      Er sprang mit klopfendem Herzen zu mir herüber. Im selben Moment ging die Tür auf und ein Typ kam heraus. Schnell griff ich Bens Ärmel und zog in zu mir. Jetzt bloß nicht bewegen oder weglaufen. Sonst hätten wir die ganze wilde Bande hinter uns her gehabt.

      Wir pressten uns an die Wand neben der Tür. Irgendwie schien dieser Kerl nichts Bestimmtes vor zu haben. Er lief herum als wenn er etwas suchen würde. Wenn er dabei allerdings in die Scheune gekommen wäre, hätte ich schnell handeln müssen bevor er hätte rufen können. Ich zog also mein Messer aus der Scheide und hielt es in meiner rechten Hand bereit…

      Plötzlich blieb er genau auf der anderen Seite unserer Holzwand stehen. Ich hörte sogar seinen Atem während wir unbeweglich versuchten nicht das kleinste Geräusch zu erzeugen. Er fing an irgendetwas wegzuräumen um Holzscheite für den Ofen hervorzuholen. Als er ein paar vom Stapel genommen hatte, hörten wir wie er schnell wieder ins Haus ging und dabei fluchte: „…scheißkalt!“

      Nun wurde es aber höchste Zeit sich zu verdrücken. Wir verließen den Ort indem wir rückwärts auf den Spuren unserer Besucher liefen. Nur geübte Spurenleser würden den Unterschied zwischen den frischen und den alten erkennen können. Im Wald angekommen begaben wir uns in unser Notquartier in der Höhle im Steinbruch. Wir kuschelten uns eng aneinander weil es hier draußen zwischen den Felswänden doch einiges kälter ist wie in den Häusern. Morgen werden wir weitersehen…

      4. Tag

      Unsere Nacht wurde jäh durch einen Höllenlärm unterbrochen! Von unten aus dem Dorf drang ein fürchterliches Geschrei herauf und laute Schüsse schallten durch das Tal.

      Aus dem Schlaf aufgeschreckt zog ich mir meine kalten und gefrorenen Schuhe an um aus unserem Unterschlupf in der Höhle raus ins Freie gehen zu können. Ben sagte ich noch, dass er besser dableiben solle. Der Lärm war zwar weit genug weg aber er klang überhaupt nicht gut. Er reichte mir noch das Fernglas.

      Im Schutz des Waldes ging ich bis an den Heckenrand und blickte hinunter ins Tal auf unseren Ort. Erst sah ich nichts. Dann hörte ich wieder ein Rufen und laute Befehle - als ich plötzlich zwei der Kerle auf der Straße mit Messern kämpfen sah. Leider konnte ich nicht deutlich genug verstehen, was sie sich zuriefen oder was der Grund für die Auseinandersetzung war. Mit dem Fernglas beobachtete ich ihren heftigen Kampf.

      Erst jetzt entdeckte ich noch mehr auf der Straße verstreut liegende Körper - die brachten sich gerade gegenseitig um! Wahrscheinlich waren die so besoffen, dass sie voll durchgedreht waren…

      Plötzlich ergriff einer der Kämpfer eine herumliegende Waffe. Er schrie etwas von „aufhören“. Der andere warf im selben Moment sein Messer nach ihm und traf. Ein Schuss löste sich und verwundet sanken beide zu Boden. Danach herrschte Totenstille.

      Die ganze restliche Nacht hatte ich die Situation noch weiter beobachtet. Aber es sah nicht gut aus. Niemand regte sich. Nun zog der Morgen langsam auf. Ein gelblich fahler Streifen erhob sich über dem Nebelgrau des Waldes.

      Ich ging zu Ben zurück und erzählte ihm kurz was vorgefallen war während er mir mit ernstem Gesicht und bedeutungsvoll nickend zuhörte. Dann legte ich mich erstmal hin und schlief ziemlich unruhig und halb erfroren ein. Den Schlaf brauchte ich jetzt dringend.

      -

      Als ich aufwachte saß Ben schon voller Erwartung neben mir. Der gute Kerl hatte mich noch etwas länger schlafen lassen. Nach einem tiefgefrorenen Frühstück, welches wir durch stetiges lutschen und knabbern zu uns nahmen, machten wir uns auf den Weg.

      Es gibt hier einen prima Ausguck: das Flachdach eines Wasserhäuschens. Es ist rundum mit Tannen und Gebüsch zugewachsen, liegt aber genau oberhalb des Ortes direkt am Hang und hat den perfekten Überblick auf alle Straßen und Gärten. Ich ließ von da aus meinen Blick mit dem Fernglas hin und her schweifen. Auch Ben durfte mal durchschauen. Zusammen kamen wir auf nur fünf leblose Körper im Außenbereich. Wo aber waren nur die anderen?

      Gegen Mittag ging Ben kurz zu unserem Unterschlupf um uns etwas zum Essen zu holen. Den ganzen Vormittag hatte sich an der Szenerie unten nichts verändert. Waren die restlichen der Gruppe etwa abgehauen? Das konnte aber nicht sein, da sie die auf dem Boden liegenden Waffen bestimmt nicht einfach so zurückgelassen hätten. Es nutzte nichts - wir warteten noch die nächste Nacht ab. Ben war davon überhaupt nicht begeistert. Unser Proviant hier draußen war längst nicht so gut wie im Haus. Tiefgefrorene Erbsensuppe in Stücke schlagen und wie ein Eis schlecken ist nicht jedermanns Geschmack. Aber meine Entscheidung stand fest. Abwarten war schließlich eine der Gründe warum ich noch lebe.

      -

      Es war nun wieder Abend geworden. Keine Anzeichen von Leben oder Veränderung. Kein Licht, kein Geräusch.

      Wir entschlossen uns morgen früh zurück ins Dorf zu gehen und nachzuschauen. Selbst wenn jemand nicht tot sondern schwer verletzt wäre, so dürfte er die lange Zeit in der Kälte nicht überlebt haben. Wie ich mich bei diesen Gedanken fühle, möchte ich jetzt lieber nicht aufschreiben…

      5. Tag

      Wieder hatten wir eine eiskalte Nacht hier draußen in unserem Unterschlupf im Steinbruch verbracht. Mürrisch und ziemlich schlecht gelaunt verließen Ben und ich unser Versteck. Unsere Notvorräte waren seit gestern komplett aufgebraucht, so dass wir kein Frühstück hatten und in den Ort zurückgehen mussten.

      Nachdem wir uns von unserem Aussichtspunkt aus vergewissert hatten, dass sich seit gestern nichts verändert hat, gingen wir im Schutz der Hecken langsam auf den Ort zu. Unsere Fußspuren dabei immer wieder verwischend damit man unsere Herkunft nicht nachvollziehen konnte. Wir schlichen uns durch den Schnee zwischen den ehemaligen Gärten hindurch zu der Stelle, wo die ersten Körper lagen.

      Während Ben auf die Straße hinausging, blieb ich mit meinem Gewehr abseits am Rand zurück und passte auf das Umfeld auf… Nach kurzer Untersuchung des Ersten deutete Ben mit dem Daumen nach unten - kaum merkbar und ohne Andeutung einer Richtung, so dass er mich als Empfänge dieser Botschaft nicht verraten würde. Auch bei den nächsten drei zeigte er mir dieselbe Diagnose: kein Leben mehr.

      Ich kam langsam aus meinem Versteck hervor und ging nun auch zum ihm rüber auf die Straße vorm Haus. Die Gesichter der Kerle waren sehr fein und schmal, fast knochig schlank. Als ich bei Ben ankam sagte ich, dass er die Waffe, die auf dem Boden lag, zusammen mit der Munition nehmen