Der Gott des Zwielichts. Joachim Kurtz

Читать онлайн.
Название Der Gott des Zwielichts
Автор произведения Joachim Kurtz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187104



Скачать книгу

bereits zum Gehen gewandt hatte: „Bring deine kydhrischen Huren mit, Großkönig. Sie sollen gegen meine Gespielinnen von jenseits des Meeres antreten, und dann möchte ich sehen, ob nicht auch du auf den Geschmack kommst...!“

      * * *

      Schweigend saßen sie in der Dämmerung beisammen. Hinter ihnen, weit jenseits der Steppe und was danach kommen mochte, entfaltete die Nacht ihre kobaltischen Schwingen. Sie hatte den Sommer im Gefolge, und ehe ein ganzes Jahr vergangen war, würde sie nicht mehr so rasch vorübergleiten wie heute.

      Am Horizont verglomm die Leuchtspur des fliehenden Tages. Funkenflug stob von Haeldwyrs eisenbeschlagenen Rädern, aus dem tiefer werdenden Blau des Himmels blitzten die ersten Sterne hervor. An mehreren Stellen wurde Holz und Reisig übereinandergeschichtet. Durch das geschäftige Treiben drang das Aufeinanderschlagen von Feuerstein und Schlageisen, begleitet vom Singen der Grillen. Der Boden darunter, die sanft nach Westen hin abfallende Hügelflanke, war frisch getränkt vom Blut der siebenundzwanzig geopferten Ochsen.

      Mraeghdar griff nach dem Trinkhorn auf dem Tisch neben ihm, nahm einen tiefen Zug und nickte anerkennend:

      „Man kann sich daran gewöhnen, durchaus. Wie sagtest du, heißt das Zeug? Wayim?“

      „Yahim, meine ich von den Fremden gehört zu haben“, antwortete Lyghdar. „Es freut mich, daß er dir mundet. Dies hier ist schwarzer Yahim. Es gibt ihn nämlich auch von einer durchscheinenden Farbe. Das hängt von den Früchten ab, habe ich mir erklären lassen. Jedenfalls....“

      „Jedenfalls steigt er gehörig zu Kopf“, ließ sich Aedhwyn von der anderen Tischseite her vernehmen. „Womöglich haben deine Fremden recht, und man sollte ihn mit Wasser verdünnen.“

      „Der Meinung bin ich auch“, stimmte Mraeghdar zu. „Aber schließlich feiern wir heute ein Fest und ehren die Götter, also sollten wir nicht kleinlich sein. Sonst danken Dhwyrd und die Seinen es uns ebenso, wenn sie den Sieg austeilen.“

      „Schön“, knüpfte Lyghdar an den Hinweis an, und seine Miene wurde augenblicklich ernster: „Laß uns auf deine Pläne zurückkommen, Mraeghdar. Du willst also allen Ernstes mehr Fußvolk ausheben lassen?“

      „So ist es.“

      „Und es mit Pfeilen und Bögen bewaffnen?“

      „Mit Kriegsbögen kydhrischer Bauart. Irmwyn ist bereits beauftragt, Pfeilspitzen zu schmieden wie die, welche mein Bote ihm überbrachte. Seine darin erworbene Fertigkeit soll er an die fähigsten Schmiede nach ihm weitergeben, und die werden sie wiederum im gesamten Land verbreiten. Auch Vaelundar setzt alles daran, dem kydhrischen Metall seine Geheimnisse zu entlocken.“

      „Und dieser Paimoktas....“

      „Piloktas. Er ist ebenfalls nach Kadhlynaegh unterwegs, zusammen mit Kalyomelas, und in Begleitung einer Eskorte. Unter Kalyomelas' Aufsicht wird er die ersten khyltrischen Bogenschützen ausbilden; sein Bogen aber, wie auch der seines toten Stammesbruders, soll den tüchtigsten Waffenbauern diesseits und jenseits des Bhréandyr als Vorlage dienen.“

      „Und wer wird das alles bezahlen, wenn ich fragen darf?“

      „Das Volk natürlich, zu dessen Wohl dies alles geschieht.“

      Lyghdar schwieg in sich hinein und starrte hangabwärts auf die Feldfeuer, die wie eine Hinterlassenschaft des Sonnengottes vor dem zusehends verblassenden Widerschein am Himmelsrand aufloderten. Wenn der Lugdhir grübelte, nahmen seine Züge einen etwas vierschrötigen Ausdruck an. Zumal, wenn ein Trinkhorn oder ein Bierkrug in Griffweite stand.

      In das allgemeine Schweigen hinein seufzte Aedhwyn:

      „Über kurz oder lang wirst du von Lyghdar und mir die gleichen Maßnahmen erwarten, fürchte ich?“

      „Nicht, ohne euch zuvor von der Richtigkeit meiner Entscheidung überzeugt zu haben.“

      „Wenn du uns davon überzeugst. Aber lassen wir das vorerst. Humh! Und um nicht einzurosten, willst du uns einstweilen in einen Feldzug gegen die Kydhrimar führen?“

      „Dagegen wirst du hoffentlich keine Einwände haben?“

      An Aedhwyns Gesicht war unschwer abzulesen, daß er diese Frage als Beleidigung auffaßte. Statt einer Antwort hielt er mit einem Rätsel dagegen:

      „Er schwingt keine Axt und wirft keine Lanze, und ist doch unser ärgster Feind; ihr wißt, von wem ich spreche?“ Die Lösung lag freilich auf der Hand, so daß er übergangslos einfordern konnte: „Ihm keinen Fußbreit! – Aber die Kydhrische Mark, soll sie etwa ungeschützt verbleiben?“

      „Ungeschützt? Die Kydhrische Mark?“ Mraeghdar lachte kurz und trocken. „Du überraschst mich, Aedhwyn. Als würde dein Reich nicht von den drei stärksten Festungen gehalten, welche die Vandrimar jemals erbaut haben! Die mächtigste davon, Dhiunan, nennst du deine Hauptstadt. Mit Fianagh im Norden und Gwylnagh im Osten bildet sie das Rückgrat der Mark, ein Bollwerk, das alle vandrischen Länder beschirmt. Seit wann bedarf der Schutz eines weiteren Schutzes?“

      „Und wozu sind wir dann überhaupt hier?“

      „Als Vorhut. Und als solche verfolgen wir den Feind, wenn er sich zurückzieht. Das ist genau das, was wir jetzt tun werden. Nicht mehr und nicht weniger“

      Aedhwyn wirkte beinahe verlegen, wie er sich mit der flachen Hand über das schlohweiße Haupthaar strich. Nach einer Weile griff er kommentarlos zum Trinkhorn und schien seine Aufmerksamkeit auf die Vorbereitungen für das Festmahl zu richten. Mraeghdar und Lyghdar warfen einander einen Blick zu, der stilles Einvernehmen ausdrückte. Beide kannten sie den bhyandrischen König gut genug um zu wissen, daß kaum etwas aus ihm herauszuholen wäre, was einer Zustimmung näher käme.

      Mraeghdar griff nach seinem eigenen Horn, lehnte sich befriedigt im gerundeten Armstuhl zurück und trank auf einen Zug den verbliebenen Inhalt aus. Dann hielt er das Gefäß mit ausgestrecktem Arm von sich und befahl mit schwer gewordener Zunge:

      „Mehr Wayin!“

      Kaum hatte er es wieder abgesetzt, bis obenhin voll mit dem tiefroten, die Sinne benebelnden Getränk, als Lyghdar ihn am Ellbogen packte und hangabwärts deutete.

      „Mraeghdar, was hältst du von einem weiteren Blutopfer? Dhwyrd zu Gefallen, und mit Bhrigyas Segen?“

      * * *

      Ein Kelch aus gleißendem Stahl, überbordend vor Licht, bog sich der Himmel über die windgepflügte Steppe. Nur scheinbar begrenzt vom Ring des Horizonts, wogte mageres Gras wie ein Flächenbrand. In Gestalt einer Raupe kroch das vandrische Heer auf der hitzeverzehrten Erde voran, dreigeteilt zunächst, nach Khyltrim, Bhyandrim und Lugdhrim, wobei jede dieser Einheiten noch einmal in Lehen unterteilt war, die sich unter Führung ihrer jeweiligen Herzöge voneinander absetzten. Während Mraeghdar seinen Männern vorausritt und Aedhwyn die Bhyandrim mit dem Streitwagen anführte, bildete Lyghdar mit seinen Leibgarden den Abschluß, um im Falle eines Hinterhalts, so unwahrscheinlich sich dieser auch darstellte, selbst der Erste sein zu können. Die Reiter flankierten das Fußvolk teils an der linken, teils an der rechten, aber nie bei zwei aufeinanderfolgenden Lehen auf der gleichen Seite. Zwischen Fußvolk und Reiterei gingen die Viehtreiber und peitschten die Ochsen vorwärts. Lärmend und staubend wälzte sich der Heerzug dahin, in all seiner Länge und Breite, und wirkte doch beinahe verloren angesichts der unermeßlich scheinenden Einöde.

      Lyghdars Opfer war zugleich ein großartiges Geschenk gewesen, wenn schon kein uneigennütziges. Als das Mädchen vor ihm stand, verschlug es ihm beinahe die Sprache – wie zuletzt an Kerothys' Sterbelager – und mehr als die Sprache, den Atem. Der Lugdhir hatte nicht übertrieben. Ein weißes, federleichtes Gewand, von einer Beschaffenheit, wie Mraeghdar sie noch nie zuvor gesehen hatte, lag um einen feingliedrigen, biegsamen Leib, hob die apfelgroßen Brüste ebenso hervor wie die anmutig geschwungenen Hüften. Vom freiliegenden Nabel aus, der seine Aufmerksamkeit als erstes in Anspruch nahm, ließ er langsam den Blick aufwärts wandern. Kohlschwarzes Haar ringelte sich um die schmalen Schultern, rahmte ein fein geschnittenes Gesicht mit hohen Wangen. Nicht weniger dunkel,