Abgelenkt. Adam Wutkowski

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Название Abgelenkt
Автор произведения Adam Wutkowski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738020281



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über das Programm von heute zu informieren. Nachdem das Abendprogramm feststeht, werfe ich noch einen abschließenden Blick auf das Programm von Samstag.

      «Cool!» sage ich an den Fernseher gerichtet. Aus dem Teletext ist zu erkennen, dass am Samstag ein guter Actionfilm läuft, gefolgt von einem interessanten Science-Fiction Film. Der Samstagabend ist somit also verplant. Zufrieden über die Aussicht, sich am Wochenende gut zu unterhalten, werfe ich noch einen abschließenden Blick auf das Vormittagsprogramm am Wochenende. Zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass das Wochenende noch mehr gute Unterhaltung zu bieten hat. Um ein Uhr am Vormittag soll ein Science-Fiction Film über einen Monsteraffen gesendet werden. Diese Art von japanischer Science-Fiction Film hat mich schon immer fasziniert. Nun ist das Wochenende endgültig verplant.

      Plötzlich fällt mir jedoch ein, dass ich mich mit Sebastian am Samstag verabredet habe. Und zwar genau zu der Zeit, in der der japanischer Science-Fiction Film gesendet wird.

      Mist. Doch bereits einen Augenblick später entscheide ich, mich von diesem kleinen Problem nicht abhalten zu lassen. Ich überlege mir, die Verabredung morgen in der Schule zu revidieren. Als Grund irgendeine Art von Familientreffen, in der meine Anwesenheit Pflicht ist, vorzugeben. Anschließend den Enttäuschten heraushängen zu lassen und im nächsten Satz zu versprechen, dass das nächste Mal alles ganz anders sein wird.

      Schließlich habe ich mir auch etwas Entspannung verdient.

      «Na alles klar bei dir?» fragt Johannes am nächsten Morgen auf dem Weg zur Schule.

      «Ja, alles bestens. Hab nur kein Bock auf Schule.» antworte ich müde. «Was haben wir heute eigentlich für Unterricht?»

      «Zwei Stunden Deutsch, Mathe und zum Schluss Englisch. Wieso fragst du?» sagt dieser und schaut mich verwirrt an. «Du solltest es doch wissen. Schließlich hast du doch deine Schultasche gepackt!»

      «Schultasche gepackt! Ich habe seitdem das Schuljahr angefangen hat, die Tasche nicht mehr gepackt. Seitdem trage ich alles mit mir rum.» erwidere ich mit einem Lächeln auf den Lippen. «Und weißt du was? Der Vorteil an dieser Vorgehensweise ist, dass man nie mehr in die Verlegenheit kommt, etwas zu vergessen.»

      «Das erklärt jetzt einiges.» gibt Johannes mit einem Blick auf meine Schultasche zu verstehen.

      «Bitte. Was meinst du?»

      «Nun. Deine Tasche, die sieht so überladen aus. Ich hab mich schon öfters gefragt, was du alles so mit dir herum schleppst?» antwortet Johannes.

      In dem Klassenzimmer angekommen, nehmen wir unsere Plätze ein und packen die Schulbücher aus.

      «Guten Morgen.» begrüßt uns Frau Thal zu unserer ersten Unterrichtsstunde. «So. Bevor wir mit dem Unterricht beginnen, möchte ich eure Hausaufgaben einsammeln.»

      «Hausaufgaben?» klingelt es plötzlich in meinem Kopf.

      So ein Mist. Ich hab die Hausaufgaben wieder vergessen. Oh nein. Jetzt regt sich die Alte wieder auf.

      Während ich verzweifelt nach einer Lösung meines Dilemmas suche, beobachte ich wie alle anderen Schüler ihre Hefte abgeben. Hinter dem Rücken von Stefan verborgen, warte ich erst einmal ab. Vielleicht habe ich Glück. Und sie guckt sich die Hefte erst zu Hause durch und merkt erst dann, dass mein Heft nicht dabei ist.

      Während ich gespannt so da sitze, nimmt Frau Thal die Hefte in ihre Hand und zählt sie durch. Vielleicht bemerkt sie es nicht. Schon am Montag musste ich mir eine Standpauke von ihr anhören wegen nicht gemachter Hausaufgaben. Heute wäre es zuviel des Guten.

      Nachdem Frau Thal ihre Zählung beendet hat, schaut sie sich im Klassenzimmer um. Anschließend nimmt sie die Schulhefte noch einmal in die Hand und beginnt von Neuem an zu zählen, während sich ihr Gesichtsausdruck langsam aber stetig verändert. Einen Augenblick später schaut sie erneut hoch, wobei sie diesmal der Reihe nach in die Gesichter der Schüler schaut, bis sie schließlich bei mir stehen bleibt.

      Mist!

      «Wo sind deine Hausaufgaben Sven?» höre ich ihre Stimme in meinen Ohren donnern.

      Mein Hund hat sie aufgefressen.

      Aber das kann ich nicht sagen. «Ich…äh.. ich habe…äh..» stammle ich vor mich hin, während ich angestrengt überlege. Nachdem mir aber einfach nichts Gescheites einfallen will, beschließe ich, mich dem Unvermeidlichen zu stellen. «Ich… ich habe sie nicht gemacht.» gebe ich kleinlaut von mir und hoffe, mit dieser Antwort schnell die Dinge ohne großes Theater hinter mich zu bringen.

      «Oh, nicht schon wieder Sven.» höre ich meine Lehrerin sagen. «Das ist jetzt das zwölfte Mal in diesem Halbjahr, dass du deine Hausaufgaben nicht gemacht hast. Wie stellst du dir das vor? Wie soll es mit dir weiter gehen? Du hast dieses Jahr kein einziges Mal deine Hausaufgaben gemacht! Du scheinst kein Interesse am Unterricht zu zeigen. In keinster Art und Weise. Du bist unkonzentriert, müde, fällst bei deinen Mitschülern durch Pöbeleien, Handgreiflichkeiten und Wutausbrüche auf. So geht das nicht weiter.»

      «Ach, jetzt übertreiben Sie. Das stimmt doch gar nicht.» erwidere ich leicht gereizt. «Zugegeben. Ich habe die letzten zwei, drei Male meine Hausaufgaben nicht gemacht. Aber dass ich diese, kein einziges Mal in diesem Jahr gemacht haben soll, ist doch nichts anderes als purer Quatsch. Ich sehe ein, ich habe wiederholt einen Fehler gemacht. Entschuldigung. Kommt nicht mehr vor!»

      «Die letzten zwei, drei Male.» wiederholt Frau Thal ungläubig. Dreht sich im nächsten Augenblick um, nimmt das Klassenbuch, schlägt es auf und hält es mir unter die Nase. Anschließend blättert sie langsam die Seiten der letzten Monate durch bis heute.

      Während die meisten Schüler keine Bemerkungen neben ihren Namen vorzuweisen haben, sind neben meinem Namen durchgehend Bemerkungen verzeichnet. Oft am selben Tag von zwei unterschiedlichen Handschriften.

      Das war mir nicht so bewusst. Wie konnte das…

      «Das kann nicht sein,» sage ich, durch eine wachsende Wut in mir angetrieben. «Die anderen Lehrer übertreiben. Die haben es gegen mich abgesehen. So oft kann ich meine Hausaufgaben nicht vergessen haben. Diese Einträge sind falsch.»

      «Sven. Ich weiß nicht, ob du das selbst nicht merkst oder es einfach nicht wahr haben willst. Fakt ist aber, dass du dich in der letzten Zeit stark verändert hast. Du machst keine Hausaufgaben mehr, interessierst dich nicht für den Unterricht und schlägst deine Mitschüler. Inzwischen haben sich drei besorgte Eltern von deinen Mitschülern bei mir gemeldet. Sie beklagen, dass die Oberarme ihrer Kinder überseht von blauen Flecken sind. Im Englisch- Unterricht hast du aus Wut, als man dir eine Computerzeitschrift aus den Händen gerissen hat, mit deiner Trinkflasche geschmissen. So geht das einfach nicht weiter. Inzwischen haben ich und die anderen Lehrer genug von deinem Benehmen. Wenn du nicht endlich Verantwortung übernimmst...»

      Von einem Augenblick auf den anderen sehe ich nur noch rot. Nichts bringt mich mehr auf die Palme als eine Drohgebärde. In meinen Gedanken sehe ich, wie ich aufstehe, zu meiner Lehrerin hinübergehe und ihr eine verpasse. Genauso wie ich das bei meinen Gegnern in „Die Helden des Krieges“ auch tue.

      «dann müssen wir dich von der Schule verweisen.» beendet sie ihren Satz.

      «Ach ja!» sage ich aufgeregt. «Kein Problem. Tu es doch. Ich brauche dich und deine dumme Schule nicht. Du und deine Schule, ihr ödet mich sowieso an.»

      Ohne irgendeine Reaktion seitens meiner Lehrerin abzuwarten, stehe ich mitten im Unterricht auf und verlasse das Klassenzimmer Richtung Schulhof.

      «Was wollt ihr alle eigentlich von mir. Ich will doch nur meine Ruhe haben. Ich brauche euch nicht. Ich brauche nur meinen Computer und meinen Fernseher. Der Rest kann mir gestohlen bleiben.» sage ich, auf dem Schulhof ankommend, nach einer Dose tretend.

      «Scheiße!»

      Genauso schnell wie die Wut ausgebrochen ist, verschwindet sie auch und das Denken setzt wieder ein. Dieser Ausraster würde Folgen haben. Und diese mussten nach Möglichkeit abgemildert werden.

      Nun gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben.

      Der