Abgelenkt. Adam Wutkowski

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Название Abgelenkt
Автор произведения Adam Wutkowski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738020281



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ich meine Schultasche und mache mich auf den Weg zur Schule. An diesem Morgen ist weit und breit kein Johannes in Sicht.

      Vielleicht ist er krank? Vielleicht auch nicht? Der Gedanke an Johannes wird aber schnell von den Gedanken an das Königreich Morg verdrängt. Die Streitkräfte dieses Königreiches waren bereits durch mehrere große Auseinandersetzungen stark dezimiert. Ein geschickter Vorstoß hinter die feindlichen Linien und schon wird der Untergang nur noch eine Formsache sein. Super Idee. Ebenfalls könnte ich eine Armee über den Seeweg genau im Rücken des feindlichen Königreiches landen lassen, um dort die feindlichen Burgen zu übernehmen. Wie auch immer. Ob nun die eine oder die andere Strategie. Eines ist sicher. Das Schicksal des Königreich Morg ist besiegelt.

      An der Schule angekommen, bemerke ich, dass draußen vor der Eingangstür zum Klassenzimmer keine Jacken auf den Kleiderhaken hängen. Der Dezember dieses Jahres, im Vergleich zu den vorangegangenen, ist eher Milde ausgefallen. Diese Tatsache erklärt aber nicht den vorgefundenen Sachverhalt. Des Weiteren kommt hinzu, dass das Klassenzimmer abgeschlossen ist.

      «Was ist das für ein Mist?» sage ich, allein vor dem Klassenzimmer stehend.

      «Auch zu spät?» höre ich, eine Stimme hinter mir sagen.

      Ein Blick nach hinten gibt der vertrauten Stimme ein Gesicht.

      «Wie ich sehe, bin ich nicht der Einzige, der zu spät ist.» stellt Johannes fest.

      «Der Unterricht hätte schon vor zwei Minuten beginnen müssen.» sage ich an Johannes gerichtet, während mein Blick auf die Uhr um mein Handgelenk fällt. «Aber das erklärt nicht die verschlossene Tür.»

      «Die Tür ist verschlossen?» wiederholt Johannes unglaubwürdig.

      «Ja.» sage ich und frage weiter. «Hast du eine Idee, was hier vor sich gehen könnte?»

      «Nee du. Keine Ahnung. Ich bin genauso verwirrt wie du.» erwidert Johannes, ein wenig in Gedanken verloren zu sein. «Ach doch. Ja, natürlich. Jetzt fällt es mir wieder ein. Heute findet eine außerordentliche Hauptversammlung in der Sporthalle statt. Was der Grund dieser Versammlung ist, kann ich dir aber auch nicht sagen!»

      «Bist du dir sicher? Ich habe nichts von einer Versammlung mitbekommen.» erwidere ich.

      «In der Schule habe ich davon auch nichts mitbekommen. Habe aber vorgestern beim Einkaufen zufällig Franziska getroffen. Wir haben uns kurz unterhalten und dabei erwähnte sie nebenbei die Versammlung. Es muss mir aber wieder entfallen sein. Na ja, bis jetzt! Muss mir wohl beim Computerspielen entfallen sein.» erwidert er mit einem leichten Schulterheber.

      Auf dem Weg zu den Sporthallen treffen wir auf Frank.

      «Na.» begrüßt Johannes Frank, «Du scheinst wohl die Hauptversammlung auch vergessen zu haben. Was?»

      «Hauptversammlung? Was für eine Hauptversammlung?» fragt Frank verdutzt.

      «Na die, die grade stattfindet. Frag mich aber nicht, worum es geht!» erwidere ich grinsend.

      «Also von einer Hauptversammlung habe ich nichts mitbekommen. Naja. Egal. Aber ich muss euch etwas Wichtiges erzählen. Ich habe gestern einen coolen Zombiefilm gesehen. Der war so der Hammer, dass ich ihn mir sogar zweimal hintereinander reinziehen musste. Ein wirklich cooler Streifen. In dem Film spritzt das Blut nur so vor sich hin. Das haben die Filmemacher schon richtig genial gemacht.» erzählt Frank, von einem Glitzern in den Augen begleitet.

      «Du bist einfach nur ein Freak.» sagt Johannes und fügt hastig hinzu. «Ein Zombie Freak!»

      «Der Film ist, nehme ich wieder mal an, ab 18 oder?» frage ich.

      «Was denkst du denn!» erwidert Frank. «Alles andere ist Kinderkram und kommt mir nicht ins Haus.»

      «Und was sagt deine Mutter zu deiner Leidenschaft?» frage ich weiter.

      «Was soll sie schon sagen. Die Welt ist schon brutal genug! Da machen hier und da ein paar Blutspritzer nichts mehr aus.» antwortet Frank. «Außerdem achtet sie auch nicht wirklich drauf, was ich im Fernseher oder auf Video schaue. Ich meine, welche Eltern tun das schon? Etwa deine?» fragt Frank seinerseits.

      «Meine? Nein. Die sagen zwar, ich soll nicht solange Fernsehen schauen, aber achten, geschweige denn kontrollieren, tun sie mich dabei nicht.» antworte ich. «Aber jetzt wo wir davon reden, fällt mir auf, dass ich wirklich gar keinen kenne, den die Eltern beim Fernsehen kontrollieren. Oder kennst du jemanden?» frage ich Johannes.

      «Also, ich kenne niemanden. Und bei mir zu Hause achten meine Eltern auch nicht drauf, was ich bzw. meine Schwestern im Fernseher schaue.» erwidert Johannes. «Ich meine vorher, als ich noch keinen Fernseher in meinem Zimmer hatte, dann haben meine Eltern schon das Programm bestimmt bzw. mich und meine Schwestern schlafen geschickt, wenn es an der Zeit war. Irgendwann aber, als meinen Eltern die ständigen Diskussionen über das Programm überdrüssig wurden, da kauften sie uns unsere eigenen Fernseher, damit wir Ruhe gaben. Seitdem heißt es vielleicht, schau nicht so lange fern. Mehr aber auch nicht.»

      «Es wäre auch noch schöner, wenn uns unserer Eltern kontrollieren würden.» gibt Frank von sich und fügt hastig hinzu. «Wartet! Wir sind aber auch blind! Natürlich kennen wir jemanden. Sebastian. Seine verklemmten Eltern erlauben ihm erst ab einer bestimmten Zeit Fernsehen zu schauen. Außerdem, schauen darf er nur das, was sie grade für richtig erachten.»

      «Also denen haben wir es zu verdanken, dass Sebastian hinter dem Mond lebt und uns ständig mit seinen Anrufen belästigt, von wegen wir sollten draußen spielen. Na vielen Dank!» sagt Johannes und verdreht spielerisch die Augen, woraufhin alle plötzlich anfangen, zu lachen.

      Am Eingang zur Sporthalle steht eine Lehrerin und empfängt die Nachzügler mit einem grimmigen Gesichtsausdruck.

      «Ihr seid zu spät.» begrüßt uns die Lehrerin. «Die Versammlung hat bereits angefangen. Ihr müsst euch ein wenig besser organisieren. Ihr seid nun auf dem besten Weg, erwachsen zu werden.»

      Dein Gerede interessiert doch keinen, schießt es mir durch den Kopf. Spar dir doch deine Worte. Aber so denken wohl auch Frank und Johannes, denn ein paar Meter weiter, immer noch in Hörweite der Lehrerin, sagt plötzlich Frank. «Habt ihr eine Ahnung, was die eigentlich von uns wollte?»

      «Nee, du? Keine Ahnung.» antwortet Johannes, «Aber sie schien sehr zufrieden, überhaupt mit jemanden reden zu können. Einfach nicht beachten, nett grinsen und weiter gehen!»

      Nach diesen Worten beginnen wir von neuem an zu lachen und führen unseren Weg zum Eingang der Sporthalle fort.

      Um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich durch unser verspätetes Erscheinen auszulösen, benutzen wir den hinteren Eingang zur Sporthalle. Anschließend schleichen wir uns zu unseren Klassenkammeranden und nehmen möglichst unbemerkt Platz auf dem Boden.

      «Hast du die Computerzeitschrift mit?» flüstere ich Johannes zu.

      «Ja, warte.» antwortet Johannes. Holt die Zeitschrift aus seinem Rucksack heraus und reicht sie mir herüber.

      «Du solltest lieber zuhören, anstatt dich wieder mit etwas anderem zu beschäftigen!» meldet sich Franziska zu Wort und schaut mich an.

      «Hast du nichts Besseres zu tun? Kümmere dich um deinen eigenen Kram.» erwidere ich gereizt. Man was will die schon wieder. Die hat es wohl in der letzten Zeit auf mich abgesehen.

      Unverhofft schaltet sich Frank in das Geschehen ein. «Halt bloß dein Mund und steck deine Nase nicht in Dinge, die dich nichts angehen!»

      Die von Franziska verursachte Unterhaltung bleibt zu meiner Verärgerung nicht ungehört, denn plötzlich meldet sich meine Klassenlehrerin zu Wort. «Ruhe! Erst kommt ihr zu spät und dann besitzt ihr noch die Frechheit, diese Versammlung zu stören. Dafür gibt es einen Klassenbucheintrag. Und wenn ich nur noch ein Wort von euch höre, dann werde ich mich mit euren Eltern in Verbindung setzen. Habt ihr das verstanden?» fragt sie mit verärgertem Gesichtsausdruck.

      «Ja, ja. Dein Eintrag ins Klassenbuch interessiert doch sowieso keinen. Und die Eltern rufst du doch sowieso