Abgelenkt. Adam Wutkowski

Читать онлайн.
Название Abgelenkt
Автор произведения Adam Wutkowski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738020281



Скачать книгу

das sich in ein Roboter verwandeln kann. Super. Sofort macht mein Herz ein rissen Sprung in die Höhe. Ein schneller Blick in den Teletext zeigt, dass die Sendung erst vor wenigen Augenblicken angefangen hat. Zur dieser freudigen Überraschung gesellt sich die Tatsache, dass heute eine Doppelfolge gesendet wird. Welch ein Glück!

      Etwa 10 Minuten nachdem die Sendung begonnen hat, klingelt es an der Tür. Ein Augenblick später öffnet meine Mutter die Tür und tritt in mein Zimmer ein.

      «Ja?» sage ich genervt.

      «Sebastian und ein anderer junger Mann sind an der Tür und möchten mit dir sprechen.»

      «Danke.» erwidere ich, genötigt aufzustehen und mich um das Problem zu kümmern. Wieso müssen die Leute immer dann auftauchen, wenn mal etwas Wichtiges im Fernseher läuft. Nie sind sie da, wenn man sich langweilt!

      «Hallo.» begrüßt mich Sebastian, an der Haustür gelehnt, als er mich aus meinem Zimmer kommen sieht.

      «Na, wie geht’s? Was kann ich für euch tun?» frage ich Sebastian und John, einen Jungen aus der Parallelklasse.

      «Wir waren grade in der Gegend und da fiel mir unser gestriges Gespräch ein. Du hast gestern von „Die Helden von Umbar“ geschwärmt und mir mitgeteilt, dass du Lust hättest, wieder das Spiel zu spielen.» sagt Sebastian, wobei er von mir zu John und wieder zurück zu mir schaut. «Na ja und nachdem ich John auf dem Spielplatz getroffen habe, kamen wir auf die Idee, dass wir bei dir vorbeikommen und fragen, ob du nicht Lust hast, mit uns das Spiel zu spielen.»

      «Och.» antworte ich überrascht und wusste plötzlich nicht, was ich erwidern sollte. Von einem Moment auf den anderen legt sich plötzlich Stille über den Raum.

      In meinem Inneren verspüre ich, wie ein Teil von mir unbedingt „Die Helden von Umbar“ mit Sebastian und John spielen möchte, während ein anderer Teil die Sendung zu Ende sehen möchte.

      «Nee du.» sage ich schließlich an Sebastian gewandt. «Die Idee ist echt super. Aber ein wenig zu spontan nach meinem Geschmack. Es läuft grade eine wichtige Sendung im Fernseher, die ich sehen möchte. Lass uns ein anderes Mal „Die Helden von Umbar“ spielen. Das Spiel kann uns ja schließlich nicht weg laufen.»

      Auf meine Antwort hin schauen sich Sebastian und John verdutzt an und ziehen, ohne dass sie lästig werden, von dannen.

      Der restliche Vormittag gehört dem Fernseher. Gegen vier Uhr geht die Haustür auf und mein Vater kommt nach Hause.

      Ich hoffe, er macht mir keine Szene, denke ich mir, während ich ein Kribbeln in mir verspüre. Nach etwa 10 endlos langen Minuten des Wartens, dass mein Vater in mein Zimmer hereinstürmt, um mir die Ohren lang zu ziehen, halte ich es nicht mehr aus und gehe in den Flur hinein.

      Schon von weitem ist eine Diskussion aus der Küche zu vernehmen.

      «So, tu doch was! Rede mit ihm! Von Mann zu Mann. Vielleicht hört er dir mehr zu als mir.» fleht meine Mutter meinen Vater an.

      «Ach.» höre ich meinen Vater sagen. «Er ist alt genug. In seinem Alter musste ich schon weitaus wichtigere Entscheidungen treffen. Jetzt muss er seine eigenen Entscheidungen treffen. Und wenn er jetzt nicht lernen will, dann muss er eben später hart arbeiten. Wenn er erst 8 Stunden auf dem Bau schuftet, dann wird er sich an unsere Worte erinnern. Dann wird er darum flehen, wieder zur Schule gehen zu können.»

      Einen Augenblick später vernehme ich wie mein Vater mit einem Getränk in der Hand ins Wohnzimmer geht und sich aufs Sofa setzt. Nach einem Schluck aus seinem Glas greift dieser nach der Fernsehzeitung, blättert sie durch und macht den Fernseher an.

      Der Rest des Tages verläuft entspannt vor dem Fernseher. Gegen Abend sendet ein Privatsender einen Film, der auf wahren Begebenheiten basiert.

      «Schön!» sage ich an den Fernseher gerichtet, in der rechten Hand eine Tüte Chips haltend.

      Der Freitagmorgen beginnt wie gewohnt mit den üblichen täglichen Ritualen. Auf dem Weg zur Schule spielen sich die Bilder von den gestrigen Fernsehsendungen in meinem Kopf ab. Erst an der Schule angekommen, fällt mir auf, dass mich Johannes, wie sonst auch, nicht auf dem Schulweg begleitet hat. Keinen weiteren Gedanken an Johannes verschwendend, betrete ich das Klassenzimmer.

      «Hallo Sven.» begrüßt mich der Klassenstreber. «Na, du siehst heute zufrieden aus! Was ist los?»

      «Hallo. Nichts Besonderes. Eine alte Zeichentrickserie, die ich früher gern gesehen habe, läuft wieder im Fernseher. Die Fröhlichkeit ist wohl die Vorfreude auf eine weitere Folge.» antworte ich zufrieden.

      Kurz darauf kommt Johannes in die Klasse, sieht in meine Richtung, dreht sich, ohne ein Wort zu sagen, um und nimmt Platz auf seinem Stuhl.

      «Was für ein kindisches Benehmen. So einen Freund wie dich brauche ich nicht. Wahre Freunde verhalten sich nicht so. Außerdem ist es deine Schuld, dass ich mir eine Ausrede für meinen Rückzug bei unserem Treffen ausdenken musste. Du hättest dich etwas beeilen sollen, als du am Zug warst. Du hättest nicht immer zweimal dieselbe Burg bzw. dieselbe Armee anschauen müssen, um noch einmal sicherzugehen, dass es wirklich auch noch die gleiche ist wie vor zwei Minuten. Nein, du bist selber schuld. Außerdem, echte Freunde verhalten sich nicht so. Echte Freunde stehen füreinander ein und verzeihen sich, auch wenn der eine Mal falsch gehandelt hat. So ähnlich wie die vier Freunde aus der Zeichentrickserie. Deswegen verzeihe ich dir. Denn ich weiß, was es bedeutet, ein Freund zu sein!»

      «Wie bitte?» fragt der Klassenstreber. «Was hast du noch mal gesagt? Du hast so genuschelt, dass ich dich nicht verstehen konnte.»

      «Oh. Ja? Ah. Nicht so wichtig.» sage ich und nehme den Blick von Johannes.

      Der einzige, der an diesem Tag zu mir hält, ist Sebastian. Im Gespräch bedauern wir beide, dass wir gestern nicht zum Spielen von „Die Helden von Umbra“ kamen.

      «Das nächste Mal klappt es bestimmt.» sage ich.

      «Ist schon OK. Aber danke noch einmal, dass du mir die Sportsendung aufgenommen hast. Das war wirklich nett von dir.»

      Zuhause angekommen, verspüre ich, wie sich mein Wohlbefinden steigert. Die Vorfreude eine weitere Folge meiner Lieblingszeichentrickserie zu sehen, sowie die Lust Computerspiele zu spielen, bestimmen meinen Gefühlszustand.

      Zum Mittagessen gibt es Steak mit Kartoffeln und einem kleinen Salat.

      «Super.» sage ich zu meiner Mutter. «Ich habe wirklich einen großen Hunger. Ich könnte ein Pferd verschlucken.»

      Nach diesen Worten stürze ich mich auf das Essen und verschlinge es innerhalb von ein paar Minuten.

      «Freut mich, dass es dir geschmeckt hat.» sagt meine Mutter mit einem Lächeln auf den Lippen. «Das Essen war wirklich gut.» erwidere ich und stehe vom Tisch auf. «So, jetzt muss ich aber los. Will noch etwas am Computer spielen und anschließend meine Lieblings- Zeichentrickserie sehen.»

      Nach dem der Computer das Spiel „Der Strategische Krieg“ hochgeladen hat, muss ich mich entscheiden, ob ich das alte Spiel zu Ende spielen möchte oder, ob ich ein Neues starten will.

      Ein Moment später entscheide ich mich schließlich, das alte Spiel zu Ende zu spielen. Ich bin schließlich Kane. Und Kane gibt nie auf.

      «Deine Niederlage wird schmachvoll sein und dein Held, der meinen Held zur Strecke brachte, wird dafür bluten.» sage ich an den Computer gerichtet.

      Die Truppen stehen bereit. Es ist nur noch eine gegnerische Burg zu erobern. Nirgendwo sonst kann der Held des feindlichen Königreiches mehr hin. Einst herrschte ein Bündnis zwischen meinem und seinem Königreich. Aber er hat es gebrochen. Er hat in einem Akt von Feigheit meine Städte angegriffen. Hätte er das nicht gemacht, hätte ich ihn vielleicht am Leben gelassen. Aber nein. Er wollte Krieg. Obwohl ich so gütig zu ihm war. Ich habe immer unsere Grenzen respektiert. Meine Truppen zwei, drei Tage länger marschieren lassen, um unser Bündnis nicht zu gefährden. Aber er musste eine Stadt von mir angreifen und somit unser Bündnis brechen. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo er für seine Taten bezahlen muss.