Abgelenkt. Adam Wutkowski

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Название Abgelenkt
Автор произведения Adam Wutkowski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738020281



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zu sein. Seitdem Johannes mir die Computerzeitschrift gezeigt hat, in dem die Veröffentlichung von „Die Tore von Hall“ und „Die 6 Armada“ angekündigt wurden, kann ich Weihnachten kaum noch erwarten. Immer und immer wieder habe ich in den letzten Tagen meine Mutter auf diese beiden Spiele aufmerksam gemacht, so dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit unterm Weihnachtsbaum ihren Platz finden werden.

      Das letzte Level von „Die Helden des Krieges“ bietet alles, was das Herz eines Spielers zum Finale erhofft. Spannung, gewaltige Explosionen und einen Gegner, der es einem nicht leicht macht, zu gewinnen. Letzteres führt des Öfteren zum Neustart des Levels. Aber am Ende zeichnen sich Geduld, analytisches Vorgehen und ein sicherer Umgang mit dem Gewehr als die Schlüsselkriterien zum Sieg heraus. Den Endgegner, zu meinen Füßen liegend, breitet sich ein gutes Gefühl in mir aus. «Ich wusste doch, dass ich gut bin.» sage ich zufrieden über meinen Triumph.

      Noch während ich selbstzufrieden auf meinem Computerstuhl sitze und mich im Glanze meines Sieges sonne, geht plötzlich die Tür zu meinem Zimmer auf und meine Mutter erscheint ihm Türrahmen. «Kommst du bitte in die Küche. Das Essen ist fertig.» sagt sie kurz angebunden und verlässt das Zimmer genauso schnell, wie sie es betreten hat.

      Mit gutem Gefühl im Bauch gehe ich in die Küche. Zum Essen gibt es einen Eintopf mit Fleischstücken.

      «Heute ist es etwas vegetarisch.» sagt meine Mutter entschuldigend, als sie mich auf das Essen schauen sieht.

      Und was macht dann das Fleisch in der Suppe? Aber anstelle etwas zu sagen, verkneife ich mir eine Bemerkung. Der Tag hat bisher gut begonnen. Schade nur, dass ich aufgrund dieser nervigen Sache mit dem Auto auf meinen Film verzichten muss.

      Wieso kann er es einfach nicht in eine Werkstatt fahren? Geld genug haben wir auf dem Konto, um solche Dinge zu bezahlen. Also wozu der Umstand? Ich verstehe das nicht. Egal was es auch ist, er muss es immer selbst reparieren. Na ja. Meine Mutter versteht das manchmal auch nicht. Aber inzwischen vermeidet sie es, mit ihm über dieses Thema zu diskutieren. Denn wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist es schwer, ihn davon abzubringen.

      Das Essen läuft wie gewöhnlich ab. Alle zwei Minuten versucht meine Mutter, ein Gespräch in den Gang zu bekommen, in dem sie die eine oder andere Geschichte, die sie von ihrer Nachbarin erfahren hat, zum Besten gibt. Und als das keine Wirkung zeigt, fragt sie immer wieder, wie das Essen schmeckt, bis schließlich mein Vater genervt seufzt und uns damit ein paar Minuten Ruhe am Esstisch verschafft.

      «Such dir ein Job oder leg dir ein Hobby zu. Dann kommst du wenigstens hier raus und kannst anderen Leuten deine Geschichten erzählen.» sage ich leise, in mein Essen murmelnd. Kurze Zeit später legt mein Vater seinen Löffel zur Seite, nimmt einen letzten Schluck Saft aus seinem Glas und richtet das Wort an mich. «So, bist du bereit?»

      Nein, bin ich nicht! Außerdem würde ich lieber meinen Film im Fernseher schauen. Aber das interessiert sowieso hier keinen.

      «Ja, ich bin’s.» erwidere ich stattdessen und beuge mich meinem Schicksal.

      Schweren Herzens stehe ich auf und gehe mit meinem Vater nach draußen. Innerlich bete ich, dass während der Reparatur nicht etwas Unvorhersehbares geschieht, wodurch mein Vater ein Ausraster kriegt.

      Am Auto angekommen, drückt mein Vater mir den Wagenheber in die Hand.

      «Hier!» sagt er knapp. «Heb schon mal den Wagen auf der rechten Seite hoch!»

      Das wird wohl nicht so schwer sein. Im Fernsehen hab ich schon mal gesehen, wie das die Leute machen. Auf der rechten Seite stelle ich den Wagenheber ein Stück weiter links von dem Vorderrad auf dem Boden ab und beginne zu kurbeln.

      «Was machst du da?» fragt mein Vater ungläubig, auf mich herunterschauend.

      «Na, dass was du gesagt hast. Den Wagen auf der rechten Seite hoch heben.» antworte ich verunsichert.

      «Doch nicht so!» sagt er. «Auf der rechten und linken Seite des Fahrzeugs befinden sich kleine Ansätze, an denen du den Wagenheber positionieren musst. Ansonsten machst du mir noch den Unterboden kaputt. Außerdem sind wir hier auf einem sandigen Boden, d.h. du musst dir ein Brett holen, auf dem du den Wagenheber draufstellen kannst. Sonst kannst du ewig kurbeln.»

      Nachdem der Wagenheber auf einem Brett positioniert ist und der Wagen endlich seine Arbeitshöhe erreicht hat, beugt sich mein Vater herunter und schaut, so gut es geht, unter den Wagen.

      «Ok. Von hier kann ich nichts erkennen. Es kann sich also nur um kein großes Loch handeln. Gut. D. h., wenn alles gut läuft, dann sind wir in einer halben Stunde fertig und ich kann im Anschluss Skispringen im Fernseher gucken.» gibt mein Vater zufrieden von sich.

      «Skispringen?» murmle ich verärgert.

      Das hast du also vor. Deswegen konnten wir nicht später anfangen, weil du deinen geliebten Sport sehen willst. Bei mir heißt es gleich, ich soll meine Bedürfnisse, wenn es um familiäre Angelegenheiten geht, unterordnen, aber du selbst hältst dich nicht dran.

      Skispringen. Seit ich denken kann, hat er zu Weihnachten immer diesen langweiligen Sport gesehen. Inzwischen avanciert diese Sportart zu den meist gehassten Sportarten, die ich kenne. Und mein Vater trägt einen großen Beitrag dazu bei, dass es auch so bleibt.

      «So. Als erstes robbst du unter das Auto. Sobald du unten bist, beginnst du von vorne nach hinten den Auspuff nach Löchern abzusuchen. Ich bin der Meinung, dass es nur ein Loch ist. Aber wenn du schon dabei bist, dann schau mal genau hin!».

      Unter dem Auto angekommen, beginne ich den Auspuff Schritt für Schritt sorgfältig nach Löchern abzusuchen. Dabei kratze ich mit einem kleinen Schraubenzieher Dreck und leicht abblätternden Rost von dem Auspuffrohr, um ja kein Loch zu übersehen.

      «Was machst du da so lange? Suchst du das Auspuffrohr. Weißt du etwa nicht, wie es aussieht?» erklingt unverholt die Stimme meines Vater.

      «Ich mach genau das, was du gesagt hast. Und stell dir mal vor, ich weiß wie ein Auspuffrohr aussieht!» antworte ich verärgert. «Ich versuche nur, die Arbeit sorgfältig zu machen.»

      «Schon gut, schon gut.» antwortet er zähneknirschend und beruhigt sich wieder.

      Kurz darauf sehe ich auch das Loch. «Ich habe es gefunden. Es ist etwa so groß wie eine 10 Pfennig Münze. Weitere Löcher sind nicht zu erkennen. Um das Loch herum sieht der Auspuff gut aus. Du musst auf irgendetwas drauf gefahren sein oder hast einen Steinschlag abbekommen.» versuche ich die Schadensursache so gut wie möglich zu deuten.

      «Sehr schön. Dann ist alles halb so schlimm. So! Du musst jetzt einen Augenblick warten. Ich gehe jetzt noch einmal in den Keller und hole eine spezielle Klebemasse. Anschließend kannst du mit dieser und einem kleinen Blech das Loch verschließen.» sagt er und geht in den Keller.

      Während mein Vater in den Keller geht, um den Kleber und das Blechstück zu holen, warte ich geduldig unter dem Auto.

      «Gleich kann ich meinen Film sehen.» singe ich erfreut vor mich hin.

      Ein Augenblick später sind auch schon Schritte aus dem Keller zu vernehmen

      «So. Hier ist das Blechstück.» plaudert mein Vater vergnügt und gibt es an mich weiter. Das Blechstück ist bereits zu einem Halbkreis gebogen und mit Kleber beschmiert. Es bleibt also nichts weiter zu tun, als es mit der beschmierten Seite gegen den Auspuff zu drücken.

      «Wie lange muss ich dagegen drücken.» hake ich neugierig nach.

      «Ca. eine Minute.».

      Von unten gegen das Blechstück drückend, zähle ich konzentriert bis 90. Lieber etwas länger gegen drücken und es gleich richtig machen. So wie es der Anführer der galaktischen Vier in der letzten Sendung gesagt hat.

      Als ich schließlich mit dem Zählen fertig bin, nehme ich die Finger vorsichtig vom Blechstück und stelle zufrieden fest, dass dieses am Auspuffrohr haften bleibt. Als ich grade unter dem Auto hervor kommen will, fällt jedoch das Blechstück nach unten.

      «So ein Mist.»

      «Was