Mannesstolz. Georg von Rotthausen

Читать онлайн.
Название Mannesstolz
Автор произведения Georg von Rotthausen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783741805707



Скачать книгу

zu dicke Teenager. Sie hat für niemanden einen Blick übrig. Neben dem Strandkaufhaus baut die Obstverkäuferin ihren Stand auf. Sie hat schon gehört, was passiert ist. „Wird der wieder lebendig, wenn ich mich jetzt aufrege”, denkt sie bei sich. „Der kauft mein Obst nicht mehr und die 20 Neugeborenen von Hamburg heute morgen auch nicht, aber die Gäste, die heute zum Strand kommen. Also bau ich mein gutes Obst auf − fertig.” Gemütsruhe ist etwas Wunderbares.

      Der Tote wird in den Sarg gelegt. Der wird geschlossen und weggetragen.

      Professor Anderson sieht dem Abtransport kurz hinterher und wendet sich Malvoisin zu.

      „Du hast meinen Bericht heute abend, bekommst eine schöne Bettlektüre.”

      „Hau schon ab!”

      Malvoisin spricht seinen stumm das Geschehen beobachtenden Kollegen Hauke Tewes an.

      „Kommst Du, Mokwi? DLRG.“

      „Jou.“

      Malvoisin und sein schweigsamer Kollege stapfen im Sand auf die Promenade zu und wenden sich dort in Richtung der DLRG-Station. Die Spusi-Leute betreten gerade die Seebrücke und suchen auf beiden Seiten die Geländer ab.

       *

      „Was ist denn da los?“

      „Haben Sie schon gehört was da passiert ist?

      „Einen Toten soll es gegeben haben!“

      Einige Leute sind stehengeblieben und beobachten jenseits der inzwischen funktionierenden Sperre, was am sonst so beschaulichen Strand los ist. Es kommen erste Gäste, um sich über die Absperrung zu beschweren, aber sie müssen wieder gehen. Drei Kinder nörgeln:

      „Mami, warum dürfen wir nicht an den Strand?”

      „Keine Ahnung. − Frau Horch, was ist denn hier los?”

      „Frau Hansen, wir haben einen Toten …”

      „Bitte was? Um Gottes Willen, was ist denn passiert?”

      Herr von Greiff übernimmt.

      „Kommen Sie bitte gegen Mittag wieder, dann ist der Strand sicher wieder frei”, und sieht sie freundlich an.

      „Kommt Kinder, wir gehen zum Waldspielplatz” und zu Horch und Greiff gewandt, „… und den halben Tag bekommen wir doch erstattet, nicht wahr?”

      Herr von Greiff macht gute Miene zum bösen Spiel. „Selbstverständlich, Frau Hansen, immer Dienst am Gast!”

      „Na, wenn das so ist, sehr freundlich”, und schiebt damit ihre Kinder in Richtung Strandcasino und Ausgang.

      „Hört von einem Toten und denkt nur ans Geld.” Greiff schüttelt verständnislos den Kopf.

      Ein die Szene beobachtender Mann meint trocken zu seiner Frau:

      „Na Liebling, dann machen wir heute unseren Ausflug nach Fehmarn.”

      Horch und Greiff verschwinden kopfschüttelnd im Strandkorbhäuschen.

       *

      Malvoisin, begleitet von seinem Assistenten Hauke Tewes, genannt Mokwi, der zu ihm aufgeschlossen hat, nähert sich der DLRG-Station. Es ist baulich eine optische Beleidigung.

      Malvoisin kannte die wunderbar altmodische Lesehalle seit seiner Kindheit. Auf dem Platz vor ihr fanden früher die sommerlichen Platzkonzerte statt. Wie oft war er mit anderen Kindern dem Blasorchester zur Waldstraße entgegengelaufen und hatte den Musikern in ihren marineähnlichen, blauen Jacken mit goldenen Knöpfen und den weißen Mützen bis zur Promenade Marschgeleit gegeben. Die Einheimischen waren dagegen, aber ein traditionsloser Bürgermeister ließ den hübschen Bau in einer Nacht- und Nebelaktion abreißen. Malvoisin konnte sich damit nie abfinden. Aber es war ja auch das schöne alte Hotel zur Post am Ring beseitigt und gegen belanglose Architektur ausgetauscht worden. Die alte Schule, die Heimatmuseum werden sollte, verschwand über Nacht. Gewachsene Geschichte wird gegen geltungssüchtige Bürgermeister immer verlieren. Daß künftige Generationen damit bestohlen werden − wer fragt danach. An dem Betonmonster hochschauend murmelt vor sich hin:

      „Der Kasten wird auch nicht mehr schöner… dat süht ut as hinscheten.”

      Vor dem Bau steht ein etwa 45jähriger Mann mit roter DLRG-Kleidung und Fernglas in der Hand.

      Malvoisin und Tewes grüßen knapp.

      „Moin! − Moin.”

      Der DLRG-Mann sieht sie kaum an.

      „Moin!”

      „Wir suchen den Chef der Mannschaft …”

      Der DLRG-Mann sieht Malvoisin und Tewes prüfend an.

      „Sie haben ihn gefunden.”

      Malvoisin zückt seinen Ausweis.

      „Kripo Lübeck, Malvoisin. Das ist mein Kollege Tewes. Können wir hineingehen?”

      Der DLRG-Mann ruft hinter sich.

      „Hannes, komm’ ‘raus und übernimm die Aufsicht!”

      Ein etwa 22jähriger tritt heraus, der Stationsleiter hält Malvoisin die Tür auf.

      „Nach Ihnen.”

      Alle drei gehen hinein. Im Büro des Leiters nehmen sie Platz. Malvoisin legt vorher seinen Rembrandt auf einen freien Stuhl. Der DLRG-Leiter sieht Malvoisin erwartungsvoll an und wirft einen neugierigen Blick auf den Rembrandt. „Was ist das denn für ein Hut? Seltsames Teil.” Malvoisin unterbricht Kallweits Hutgedanken, legt gleich los.

      „Sie heißen bitte?”

      „Kallweit, Harm Kallweit.”

      „Oh, ostpreußische Familie?”

      „Sie kennen sich aus?”

      „Sind selber aus der kalten Heimat …”

      „… aber der französische Name Mal…”

      Malvoisin betont, besonders die nasale letzte Silbe: „Mal - vua - sän, Hugenotten, Sie wissen?”

      „Wir hatten mal einen Kapitän zur See als Nachbarn, der hieß de la Sauce, war aber ein Ur-Berliner −”, er unterbricht sich selbst, „… aber Sie sind sicher nicht wegen Fragen der Namenskunde hier?” Kallweit sieht Malvoisin fragend an.

      „Nein, allerdings nicht.” Malvoisin wird ernst. „Es ist heute im Strandabschnitt der Frau Horch, Sie wissen, rechts von der Seebrücke, wenn man Richtung Wasser sieht …”

      „Sicher weiß ich, wo das ist …”

      „Also, es ist dort heute morgen ein junger Mann in einem Strandkorb gefunden worden. Sicher über ein Meter neunzig groß, sehr gut trainiert, schwarze Haare, Dreitagebart, weiße Badehose. Kennen Sie den?”

      „Das hört sich nach unserem Malte Kröger an, allerdings hat er keine weiße Badehose − was ist mit ihm? Hat er zu toll gefeiert?”

      Tewes macht sich Notizen.

      „Wenn es das mal nur wäre. Er ist tot.”

      Kallweit reagiert ungläubig.

      „Bitte keine schlechten Scherze, Malte war kerngesund und durchtrainiert …” Er runzelt die Stirn.

      „Er wurde ganz ohne Zweifel getötet.”

      Kallweit springt auf und schreit.

      „Ermordet? Was? Wer ermordet denn einen von meinen Männern?”

      „Bitte nicht so laut. − Das herauszufinden sind wir hier.”

      Kallweit setzt sich wieder, ist sichtlich fassungslos. „Das gibt es doch gar nicht! Er war sehr selbstbewußt, vielleicht auch ein Angeber, wie halt die jungen Böcke so sind, ein Weiberheld, aber deswegen ermordet …?”

      „Sie