Mannesstolz. Georg von Rotthausen

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Название Mannesstolz
Автор произведения Georg von Rotthausen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783741805707



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greift Malvoisin der Diagnose vor.

      „Sicher! Wenn der Knoten richtig gesetzt wurde − knack und weg!” Anderson macht eine ruckartige Doppelhandbewegung, als würde er einen stärkeren Zweig durchbrechen wollen.

      „Tatzeit?” Anderson legt für einige Sekunden seine rechte Hand auf den Oberkörper des Toten.

      „Ungefähr Mitternacht, nicht später als zwei Uhr, aber Du weißt ja …”

      „Ja, ja, nach der Obduktion …”

      Anderson besieht sich den Oberkörper des Toten nochmals.

      „Er hat Salz auf der Haut, also war er im Wasser und hat nicht mehr geduscht.”

      Dann sieht er nach dem großen Blutfleck auf der weißen Badehose, die sorgfältig zugebunden ist, löst den Knoten, zieht sie leicht herunter − ein dichter schwarzer Pelz ist zu sehen. Er zuckt zusammen, dreht sich um.

      Anderson wendet sich aufgerichtet an Malvoisin:

      „Ich habe das mal in einem Mafiafilm gesehen, aber noch nie im Dienst. Schau Dir das an − er ist kein Mann mehr!”

      „Wie bitte?”

      Malvoisins Mimik zeigt Ungläubigkeit, er beugt sich zu dem Toten vor, Anderson zieht die nun schlabberige Badehose herunter − Malvoisin prallt zurück. Das Ungläubige in seiner Mimik weicht dem blanken Entsetzen.

      „Mein Gott, wer macht denn so ‘was?” stößt Malvoisin hervor.

      „Wenn Du mich fragst, mein Lieber, jemand der sehr haßt oder sehr liebt − und Du weißt, das liegt nicht weit auseinander!”

      Der Professor zieht die Handschuhe aus. Im Hintergrund stapfen die Sargträger der Rechtsmedizin heran.

      „Kann ich ihn mitnehmen?” fragt Anderson.

      „Nein, noch nicht. Die Spusi war doch noch nicht hier −” Malvoisin ringt mit der Fassung.

      „Weber! − WE-BER!”

      Der Gerufene eilt herbei.

      „Ja, Herr Hauptkommissar?”

      „Mensch, rufen Sie das K6 an! Wo bleiben die denn?”

      „Mach’ ich.”

      Weber zieht sein Funktelephon, tippt die Nummer ein, hält sich das Gerät ans rechte Ohr, wartet.

      „K6? − Weber, Einsatzort Kellenhusen. Mensch, wo bleibt Ihr denn? Malvoisin wird schon grätig! − Was, Trecker? − Dann fahrt doch ‘rum! − Ende!”

      „Übrigens, er ist nicht hier gehenkt worden -”

      Malvoisin ist noch etwas verwirrt: „Wie?”

      „Der Strandkorb ist nicht hoch genug, um ihm das Genick zu brechen.”

      „Schlaumeier, das weiß ich auch!”

      „Na, ich mein’ ja nur. Ein Galgen steht hier weit und breit nicht, aber such’ doch mal die Seebrücke ab … Von den Aussichtstürmen wird ihn keiner hergeschleppt haben, hm?”

      „Verstehst Du das, Klinge?” Malvoisin grübelt.

      „Hals durch, Messer im Bauch, Kopfschuß, aber Hängen und … Du weißt schon … ab − wer macht denn so etwas?”

      „Malle, Du wiederholst Dich! − Na ja, Fräulein Kronborg wird sich freuen. Endlich hat sie mal etwas Schönes auf dem Tisch, nicht immer nur Wasserleichen und erbbereinigte Opas, obwohl das Seil des Glockenspiels fehlt …”

      „Klinge! − Dein Humor ist wie immer unübertrefflich!”

      Malvoisin sieht ihn mit hochgezogener rechter Augenbraue an.

      Der Professor grient, wie nur ein langgedienter Profi seines Faches in des Todes Nachbarschaft lächeln kann und geht weg.

      Weber kommt heran und meldet Malvoisin:

      „Herr Hauptkommissar …”

      „Ja?”

      „K6 meldet unterwegs Treckerhindernis.”

      „Wie bitte?“ Er zieht eine gespielt gleichgültige Miene, innerlich ist er sauer. „Na ja, wi hebbt jo Tiet. Gott schuf die Zeit, hat der ‘was von Eile gesagt?” Weber muß grinsen.

      Nun schaltet sich rauchig die Bürgermeisterin wieder ein.

      „Und was wird hier jetzt weiter passieren, Herr Kommissar? Der Strandbetrieb muß weiterlaufen! Wir verlieren sonst Gäste und Kurtaxe!”

      Malvoisin wird deutlich.

      „Frau Bürgermeisterin, hier laufen erst einmal unsere Ermittlungen und sonst gar nichts. Es hat ein junger Mensch sein Leben verloren, und ich will zum Donnerwetter wissen, warum!”

      „Aber unser guter Ruf”, protestiert sie.

      „Erstens haben wir auch einen guten Ruf zu verlieren, oder wollen Sie, daß die Tat nur deshalb nicht aufgeklärt wird, weil wir zu früh Ihre Gäste hier herumlaufen lassen und wertvolle Spuren vernichtet werden? Und zweitens ist das hier ein Tatort und Sie stehen im Weg. Also bitte!” Malvoisin macht eine verabschiedende Handbewegung mit Aufforderung zum Gehen.

      „Impertinent!”

      Die Bürgermeisterin stapft mit zorniger Miene davon.

      „Oh, diese Verwaltungsleute”, murmelt Malvoisin leise und schüttelt den Kopf.

      Malvoisin wendet sich zunächst an die junge Kriminalbeamtin.

      „Sie können gehen, Frau Kollegin, ich übernehme jetzt hier.”

      Die Angesprochene steht vom Strandkorb auf und entfernt sich. Malvoisin spricht betont leise die schwarzhaarige Schöne im H 76 an.

      „Mein Name ist Malvoisin, Kripo Lübeck. Ich leite hier die Ermittlungen. Darf ich fragen, wie Sie heißen?”

      Sie schaut hoch, sieht ihn verweint, aber gefaßt an:

      „Nicole. Nicole Neumayer.”

      „Sind Sie im Urlaub hier?”

      „Ja, wir haben Semesterferien.”

      „Oh, Sie studieren?”

      „Ja, Kunstgeschichte und Französisch.”

      „Wo?”

      „In Tübingen.”

      „Ah, aus dem Ländle, hört man aber gar nicht …”

      „Nein, ich bin aus Essen. Meine Eltern leben noch dort. Sie kommen bald her.”

      „Sie haben hier eine Ferienwohnung?”

      „Ja, im Haus Lehmann”

      „Ah, bei Mama Lehmann.”

      „Sie kennen sie?”

      „Oh ja. Bitte gehen Sie jetzt, ruhen Sie sich aus, halten sich aber zu unserer Verfügung.”

      Malvoisin wendet sich ihr im Weggehen nochmals zu.

      „Wie lange haben Sie den Korb H 55 schon?”

      Nicole steht auf.

      „Eine Woche.”

      „Haben Sie den Toten schon vorher gesehen, ich meine, als er noch lebte?”

      Malvoisin sieht sie forschend an.

      „Oh ja, er gehört zu den Rettungsschwimmern. So wie der sich vor der Rettungsstation immer aufbaute war er nicht zu übersehen. Na ja,” − sie schaut traurig − „ein Angeber, aber ein schöner Typ war er schon, irgendwie. Ist ja auch groß, äh, war …”

      Sie schnieft.

      „Dankeschön. Wir kommen auf Sie zu. Übrigens, wie lange bleiben Sie noch?”

      „Drei