Wende auf Russisch. Michael Blaschke

Читать онлайн.
Название Wende auf Russisch
Автор произведения Michael Blaschke
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752961270



Скачать книгу

Beutemacher bereits eingesackt. Moskwin hatte keine sittlichen Skrupel, es auch mit kriminellen Mitteln zu versuchen. Volkov aber versuchte Moskwin in seine Geschäfte mit einzubeziehen, um ihn besser unter Kontrolle zu haben. Moskwin war geschieden, hatte einen Sohn, der in der damaligen Jugendorganisation Komsomol einen höheren Posten hatte und über wichtige Interna der Organisation Bescheid wusste. Mit Billigung des ZK und der KPdSU entstanden Anfänge einer kapitalistischen Betriebsform. Unter Gorbatschow und später unter Jelzin sollte sich eine Unternehmerelite bilden, die in der Lage war, den wirtschaftlichen Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft zu realisieren.

      Trotz der wirtschaftlichen und politischen Wirren, hatten sich die Jungunternehmer durchgesetzt und der Versuch, alles wieder unter politische Aufsicht zu bringen, war gescheitert.

      Die Büchse der Pandora ließ sich nicht mehr schließen.

      Auch der junge Moskwin hatte vorgesorgt. Mit dem Einvernehmen seiner jungen Unternehmerkollegen, hatte er sich mit günstigen Krediten ins russische Erzgeschäft eingekauft.

      Für die prekäre Finanzlage seines Vaters hatte er kein Verständnis. Um die Privatisierung der Wirtschaft voran zu treiben, hatte Jelzin jedem Bürger Anteilscheine zum Nennwert von zehntausend Rubel ausgehändigt. Da sie namentlich nicht gebunden waren, machten viele Russen die Scheine zu Bargeld, was in diesem Land immer knapp war. Wer viel Geld besaß, kaufte diese Anteilscheine auf und war über Kredite in der Lage, Miteigentümer von Staatsbetrieben zu werden. Auf diese Weise war auch Volkov zu seinem Vermögen gekommen. Ihm hatten auch frühere Mitarbeiter, die bereits als Eigentümer wichtige Entscheidungen trafen, geholfen. Er hatte große Teile einer staatlichen Baufirma gekauft und war dabei, die Firma vollständig in seinen Besitz zunehmen.

      Gregori Moskwin, ein kleiner, schmächtiger Mann, der für seine fünfzig Lebensjahre weit älter aussah, saß in sich versunken vor Volkov und sah mißmutig vor sich hin.

      „Nikolai, Nikolaiwitsch ich bin pleite, du musst mir helfen, ich brauche einige Rubelchen.“

      Volkov sah listig zu Moskwin und sagte: „Du brauchst hier nicht herumzubetteln, ich habe einen Auftrag für dich.“

      Moskwin sah überrascht auf, man merkte, wie erleichtert er war.

      „Grigori, ich brauche für meinen Fuhrpark noch Baufahrzeuge. Was ich habe ist veraltet und zum Teil schrottreif. Du bist ein Mann vom Fach und ich glaube, ich kann dir vertrauen. Besorg dir ein Touristenvisum und flieg nach Berlin. Es gibt da ein großes Angebot an Nutzfahrzeugen aus Beständen der NVA. Die sind preiswert und in einem guten Zustand.“

      Volkov griff in seine Schreibtischlade, holte ein Kuvert heraus und legte es vor sich hin.

      „In diesem Kuvert sind dreißigtausend Dollar. Ich hoffe, du kommst damit zurecht, in Berlin. Dein Flugticket liegt bereits am Flughafenschalter. Du fliegst von Kursk nach Minsk und von da nach Berlin. Du hast einen gültigen Reisepass?“

      „Habe ich“, sagte Moskwin und ließ schnell das Geld in der Innentasche seiner Jacke verschwinden.

      „Ich suche dir schon was Brauchbares, und was geschieht weiter?“

      „Im Vergleich zu Neufahrzeugen habe ich die Hälfte gespart. Beim Transport haben wir zwei Möglichkeiten, entweder demontieren oder auf Tieflader und wir können die Fahrzeuge hier sofort einsetzen. Was meinst du?“

      „Ich würde alles auf Tieflader nach Russland schaffen“, meinte Moskwin und Volkov gab ihm Recht.

      Volkov griff in den Schrank, um eine Flasche Wodka und zwei Gläser zu nehmen und beide tranken auf den Erfolg ihres Unternehmens. Auf den Sachverstand seines früheren Berufskollegen konnte Volkov sich verlassen. Was seine charakterlichen Qualitäten anging, war Moskwin oft unübliche Wege gegangen. Es wurde gemunkelt, dass er als Zuträger für den KGB gearbeitet habe. Auch mit der Mafia, in Sowjetzeiten, soll Moskwin seine Geschäfte gemacht haben. Beweisen konnte man ihm nie etwas, aber er wurde mit Missachtung gestraft. Böse waren nur die, die nie eine Gelegenheit fanden, sich das Eine oder Andere unter den Nagel zu reissen. Ungewöhnlich war das Verhalten des Genossen Grigori nicht. Über Korruption wurde in der Sowjetunion nicht gesprochen, denn mancher glaubte, er sei das Volk, wenn es um Volkseigentum ging.

      10.

      Auch Nikolai hatte einen Flug nach Berlin gebucht. Der Grund waren keine Baufahrzeuge, sondern er wollte sein Barvermögen im Ausland deponieren, um es später zu investieren. Außer seiner Frau wusste niemand von der Reise. Er hatte in der russischen Botschaft in Berlin einen alten Freund aus der Studienzeit. Er hatte ihn gebeten, sich einmal umzuhören. Letztlich suchte er einen deutschen Investor. Legationsrat Alexander Wasilewski war gerne bereit, die Möglichkeiten für seinen alten Freund zu sondieren. Er holte ihn vom Flughafen ab, brachte ihn in ein gutes Hotel und lud ihn zum Essen ein. Wasilewski, sehr gepflegt, mit schlohweißem Haar, demonstrierte alte, ehrenwerte Diplomtenschule. Er gehörte zur elitären Zunft, die in Russland immer schon profiliert war. Nach dem vorzüglichen Essen, wurde die Situation in Russland besprochen. Sie waren sich einig, dass es Jahre dauern würde, bis das Land wirtschaftlich und politisch festen Boden unter den Füßen haben würde.

      „Ich kann verstehen, dass du dein Geld in Sicherheit bringen willst“, sagte Wasilewski und schwenkte sein Cognacglas, hielt es ins Kerzenlicht, der Inhalt schien wie flüssiger Bernstein. Sein Gesicht hatte etwas aristokratisches, es gehörte zu seinem Image. Volkov hatte ihn um diese Art zu leben immer beneidet.

      Wasilewski war immer um Kleinigkeiten besser als Volkov, doch ihre Freundschaft wurde davon nie eingetrübt. Volkov, der runde, satte Typ eines altgedienten Apparatschiks und der wendige Diplomat, welch ein Kontrast!

      „Ich habe einen Immobilienkaufmann kontaktiert. Er ist an einem Geschäft interessiert und ich treffe ihn morgen in seinem Büro. Du kommst natürlich mit, schließlich ist es dein Ding. Es würde mich nicht wundern, wenn er auch jemanden mitbringt.“

      Es wurde ein langer Abend, es gab viel zu erzählen.

      Volkov schob die Vorhänge in seinem Hotelzimmer zurück und sah auf das nächtliche Berlin. Das beleuchtete Wahrzeichen der Stadt, das Brandenburger Tor, konnte er deutlich erkennen.

      Die Brüder Werner und Eugen Gruber saßen im Immobilienbüro und warteten auf den Russen Alexander Wasilewski. Sie waren sichtlich angespannt. Besonders Werner erhoffte sich positive Verhandlungen, seine Finanzlage war mehr als schlecht. Das Telefon klingelte, Werner nahm das Gespräch an. Es war eine kurze Frage, ob Wasilewski, ob Werner einverstanden wäre, wenn er einen zuverlässigen Geschäftsmann mitbringe. Er hatte nichts dagegen und ergänzte, dass auch er seinen Bruder in die Verhandlungen mit einbeziehen wolle. Dann kamen die beiden Russen.

      Nikolai Volkov hatte in seinem kleinen Handkoffer zwei Millionen US-Dollar mitgebracht. Sie stellten sich etwas umständlich vor und Wasilewski erklärte: „Ich fungiere hier hauptsächlich als Dolmetscher. Her Volkov spricht leider kein Deutsch, er bittet um Verständnis.“

      In einer kleinen Sitzecke im Büro machten die Herren es sich bequem. Keiner wollte mit der Tür ins Haus fallen und so wurden Höflichkeiten ausgetauscht. Nach einer Weile kam Werner zum Grund des Besuches.

      „Herr Wasilewski, ungewöhnliche Situationen verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Wenn ich Sie bei Kontaktaufnahme richtig verstanden habe, suchen Sie bzw. Herr Volkov, hier in Deutschland, eine gewinnbringende Geldanlage. Wir haben natürlich einige Optionen für Sie, ich glaube die Sanierung alter Bausubstanz, hier in Berlin, hat Zukunft. Was sehr gut läuft und sichere Rendite ab-wirft, sind Häuser im Zentrum der Stadt. Ehemals repräsentative Objekte, um die Jahrhundertwende gebaut.“

      Werner musste Pausen einlegen, es musste ja alles ins russische übersetzt werden. Volkov war von dem Angebot sehr angetan. Gruber hatte Unterlagen, die eine Vorstellung in Wort und Schrift von den Unternehmungen zeigte. Ein Schreibbüro hatte in Russisch übersetzt und kopiert, was nicht ganz billig war.

      Volkov nahm die Informationen zur Hand und blätterte mit Interesse die Angebote durch. Er fragte Wasilewski: „Wann werden die Arbeiten in Angriff genommen?“

      Nachdem Wasilewski übersetzt