Wegbier. L. A. Hermann

Читать онлайн.
Название Wegbier
Автор произведения L. A. Hermann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748587200



Скачать книгу

war. Gut, dass sie so betrunken war. Mimi musste lachen. „Findest du das etwa witzig?“ „Nein“, schüttelte sie ihre Haare. Dann sprang sie wieder wild hüpfend zur Musik auf und ab.

      „Hey“, flüsterte er irgendwann Mimi gefühlt Stunden später zu. Sie tanzten noch immer. Zumindest Markus. Mimi war fast an seiner Schulter eingeschlafen. Sie war ziemlich besoffen. „Wir müssen langsam abhauen. Die Putzleute rücken bestimmt gleich an.“ Mimi nickte. Ihre Haare waren verstrubbelt und die Wimperntusche verschmiert. Markus ging hintern den Tresen und schaltete Licht und Musik aus. Sonnenlicht fiel durch die getönten Scheiben. Auf der Tanzfläche, wo vor ein paar Minuten noch Mimi und Markus waren, tänzelten nun die Staubflußen. „Ich will nicht nüchtern werden. Das wird ein böser Kater“, sie setzte sich wieder auf einen der Barhocker. „Und was jetzt? Willst du noch zu mir? Auf nen Kaffee?“ Mimi lachte und schmiss dabei ihren Kopf nach hinten. „Auf einen Kaffee? Ja, warum denn eigentlich nicht?“ „Zwei Wegbier?“

      Sie hatten Glück, gerade noch so schafften sie die Tram. Während der Fahrt hielt Markus Mimi im Arm. Immer wieder musste er sie ansehen. Sie war eingeschlafen. In ihrem Armen hielt sie ihr Bier. Markus musste selbst bei seiner Flasche aufpassen, dass er sie nicht auskippte. Hastig trank er den letzten Schluck „Wir müssen hier raus.“ Mimi lies ihr noch halbvolles Bier an der Tram-Station stehen.

      Müde torkelten die beiden zu Markus Wohnung. „Wie du das nur aushalten kannst?“, fragte Mimi im Treppenhaus. „Was?“ „Die Arbeit in der Kneipe. Ich bin ja nach einmal schon total im Arsch.“ „Vorhin fandst du es noch ziemlich cool und warst neidisch“, Markus sperrte die Wohnungstür auf. Hoffentlich sah es nicht schlimm aus. „Ich bleib ja nicht jeden Abend so lange. Heute ist es schon etwas ausgeartet.“ „Ausgeartet? Das klingt gut. Das gefällt mir“, Mimi betrat seine Wohnung. „Willst du gleich einen Kaffee?“ Sie nickte. Während Markus Kaffee aufbrühte, sah sie sich um. Andächtig schritt sie durch die kleine Wohnung und stolperte dabei über Bücher und Klamotten, die verstreut auf dem Boden lagen. Als sie im Bad war, hörte Markus noch ein: „Oh Gott, ich seh ja furchtbar aus!“ Er grinste.

      Wieder zurück setzte sie sich auf den Küchentisch. „Ich bin noch total betrunken. Kann ich eine Kippe haben?“, fragte sie. „Ich dreh sie mir auch selber.“ Markus warf ihr den Tabak zu. Ihn überraschte wie geschickt sie jetzt noch war. „Ich habe früher verdammt viel geraucht“, erzählte sie mit dem Filter im Mundwinkel. „Richtig, richtig viel. Eigentlich wollte ich aufhören, habs aber nicht geschafft. Immerhin konnte ich reduzieren.“ Markus stellte Kaffee und Tassen auf den Tisch. Er drehte sich selbst eine. „Du trinkst viel Wein?“ Mimi zeigte mit ihrer Kippe auf die aufgereihten Weinflaschen vor der Heizung. „Da kommt manchmal gut was zusammen.“ „Bist du zufrieden mit deinem Leben?“ Markus überlegte. „Im Großen und ganzen.“ „Hast du dir dein Leben so vorgestellt?“ „Nee, ich dachte immer, ich würde ein berühmter Maler werden“, Markus lehnte sich mit seinem Stuhl zurück, wie ein kleines Kind. „Ein Maler?“ „Daher die Staffelei.“ Das rote Bild blickte ihn drohend, fast fordernd an. Er hatte schon lange nicht mehr daran weiter gearbeitet. „Sehr beeindruckend.“ „Ich male viel zu selten.“ Mimi gähnte herzhaft. Asche fiel auf den Boden. „Macht nichts“, sagte Markus. Schweigend saßen sie da, tranken Kaffee, und genossen rauchend den Rest ihres Rausches. „Ich glaube, ich fahr heim. Ich bin echt im Arsch“, sagte Mimi. Markus nickte. „Du kannst auch gerne hierbleiben.“ „Lieber nicht. Vielleicht beim nächsten Mal.“ „Wir sollten das unbedingt wiederholen“, Markus brachte Mimi zu Tür. „Unbedingt!“ Er küsste sie. Und dann nochmal.

      5. Wein

      „Ich hab ja damals schon einiges gesehen, als wir von Istanbul aus los sind“, führte Manni seine Erzählung bei Markus Besuch am Sonntag fort. Er war verkatert. Die letzte Nacht hatte er nicht so gut weggesteckt wie sonst. Jetzt genoss er es einfach nur ein Konterbier in der Hand zu halten und nichts weiter tun zu müssen, als zu zuhören.

      „Es gab ja so viele andere, die sich zusammen getan haben um nach Indien oder den Iran zu kommen. Die Busse waren so voll, des glaubst du gar nicht, wie viele Leute sich da rein gequetscht haben! Gerammelt voll waren die! Ich weiß gar nicht mehr, bis wie weit die gefahren sind. Aber ich war schon froh, dass wir unseren Eigenen gehabt haben. Da wars angenehmer zu reisen. Wir haben ja da drin auch gewohnt.

      Beim Fahren haben wir uns abgewechselt. Ein jeder ist mal gefahren, auch die Traudl. Die hat sich des aber nur tagsüber getraut. In der Nacht da hats halt Angst gehabt. Was ich aber auch verstehen konnte. Da in der Nacht, da hats auf den Landstraßen keine Beleuchtung und Nichts geben. Nur die Sterne und den Mond. Da bin ich auch nicht so gerne gefahren. Aber schee wars, so einen Himmel, wie da in der Nacht hab ich hernach nie wieder gesehen.

      Ich weiß gar nicht mehr wie lang des gedauert hat, aber irgendwann waren wir an der Grenze zum Iran. Und des haben wir scho in Istanbul gehört, dass die da ganz streng kontrollieren. Also mit Bus auseinanderbauen und Leibesvisitation. Wegen dem ganzen Rauschgift. Oh, da haben die aufgepasst! Und weil wir des gewusst haben, haben wir unser ganzes Zeug schon vor der Grenze zam geraucht“, er redet so viel und schnell, dass ihm ein dünner Sabberfaden vom Kinn hing.

      „Und dann sind wir gefahren und gefahren. Staubig wars, des kannst du dir gar nicht vorstellen. Geld haben wir auch nicht so viel gehabt, der Hunger dafür aber war groß. Die Einheimischen haben halt auch nicht immer so viel gehabt. Grad in den ländlichen Gegenden wars schon ärmlicher. Und wie in einer andern Zeit teilweise. Aber gefreut haben die sich immer, wenn wir Ausländer einen Stop gemacht haben. Viel Kichererbsen hab ich damals gegessen. Und Hummus. Des alles hat es damals noch nicht in Deutschland gegeben. Gekannt hat des keiner von uns. Des war was richtig besonders. Am Anfang war mir das alles sehr suspekt, aber der Hunger, der hat es mir schon rein getrieben. Und geschmeckt hat es ja auch. War halt nur ganz anders, als wie das Essen, des ich von daheim gewohnt war. Ganz was anderes war des.

      Und man hat ja auch immer Leute getroffen, die ham dann wieder was neues erzählt. Viele Engländer. Ausm Hotel hab ich da ein wenig Englisch gelernt. Und mich auch ganz gut verständigen können. Wenn auch manchmal nur mit Hand und Fuß. Freundlich waren sie alle. Das war ja damals so das Motto der Zeit. Musik hats auch immer gegeben. Dann saßen wir halt abends ums Lagerfeuer rum, einer hat immer Gitarre spielen können, bei uns wars halt der Franzi. Und irgendwer hat immer einen Joint in den Griffeln gehabt“, Manni lacht auf. So heftig dass er sich verschluckte und mit seinem Weizen nachspülen musste.

      „Und braun gebrannt waren wir alle! Bald haben wir alle vier ausgeschaut wie Spanier. Wenn wir nicht gefahren sind, da waren wir halt den ganzen Tag draußen und haben uns gesonnt. Aber nachts da ist es halt schon manchmal recht schnell abgekühlt. Frisch wars dann. Da haben wir halt im Bus geschlafen. Mei, der Franz und die Traudl haben da halt nicht so viel Privatsphäre gehabt.“

      Markus benedeite Manni. Was hatte er denn schon bisher Großartiges erlebt, was mit dieser Reise vergleichbar war?

      „Und irgendwann sind wir halt dann in Teheran angekommen. Ich weiß gar nicht mehr, wie lang wir da unterwegs waren. Sind ja alle Schiss lang angehalten und haben uns jeden Stein angeschaut, den wir interessant gefunden haben. Teheran - des war schon schön. Damals hieß des ja noch Persien. Also der Iran. Damals hat es ja grad da die Unruhen in Deutschland gegeben. Wegen dem Schah halt und die Studentenproteste. Da hast bestimmt schon mal was gehört davon. Da ging es ja dann auch los mit der RAF. Ich war da ja immer ganz skeptisch mit denen ihren Aktionen da. War mir nicht so ganz geheuer.

      Und in Persien wars mir auch nie so ganz geheuer. Die waren da schon noch ein Stückchen strenger unterwegs als zum Beispiel in Afghanistan. Das war es ja echt schee. Aber in Persien. Puh! Damals sind die Frauen allerdings noch im Minirock umeinander gelaufen. Teilweise halt. Des kann man sich ja auch gar nicht mehr vorstellen, wenn man da jetzt Bilder im Fernsehen sieht. Des kann man sich nicht vorstellen! Die waren da halt wahrscheinlich fortschrittlicher als jetzt. Zumindest in den Großstädten halt. In den ländlicheren Gegenden war schon noch alles recht ursprünglich.

      Aber was mir gefallen hat in Persien, das waren die Bazare. Da hats so gute Früchte gegeben! Und so schön getöpfertes Zeug. Da hat die Traudl fleißig