Julia im Liebestaumel. Christina Brand

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Название Julia im Liebestaumel
Автор произведения Christina Brand
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748591382



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Julia ließ sich Zeit und bummelte von Laden zu Laden, schaute sich eingehend die Auslagen in den Schaufenstern an und erledigte ihre Besorgungen. Dann schlenderte sie zum See hinüber und ließ sich auf einer Bank direkt am Ufer nieder. Mehrere Ausflugsschiffe tuckerten vorbei, viele frohe und glückliche Menschen winkten sich zu. Hier und da flitzte ein Motorboot vorüber und ließ eine lange Wellenschleife hinter sich zurück. Julia sog die frische Seeluft in sich auf, drehte ihr Gesicht zur Sonne und schloss die Augen.

      In einer halben Stunde würde sie zum Essen gehen und anschließend Raffaela und Angelo anrufen, um ihren Besuch anzukündigen. Beide hatten sehr früh geheiratet und bereits drei süße Kinder, lauter Mädchen, wobei die ersten beiden ein Zwillingspärchen waren. Eine rundum glückliche Familie, dachte Julia. Raffaela ging in ihrer Mutterrolle völlig auf und war mächtig stolz, wenn man ihre Mädchen bewunderte. Sie war den ganzen Tag mit ihnen beschäftigt und verlor nie die Geduld, wenn sie sich einmal stritten. Die Kleinen hingen sehr an ihrer Mutter, und es war eine Wonne zuzusehen, wenn Raffaela sie zum Ausgehen fertig machte. Das Jüngste saß im rosa Rüschenkleidchen im Kinderwagen, und das Zwillingspärchen lief genauso adrett gekleidet rechts und links neben ihr her. Wenn Angelo, der eine Autowerkstatt besaß, abends nach Hause kam, liefen sie ihm entgegen. Zuerst die Zwillinge, dann mit ein bisschen Abstand Raffaela mit der Kleinsten auf dem Arm. Alle freuten sich, wenn er wieder da war, und Angelo konnte nicht genug Küsse an „seine Mädchen“ verteilen. Ein Lächeln huschte über Julias Gesicht.

      Was würden sie Augen machen, wenn sie ihnen von Frank erzählte. Sie würden es genauso wenig begreifen können wie all ihre Freunde. Raffaela und Angelo waren ebenso wie Julia überzeugt, dass er mit Kirstin sehr glücklich sein müsse. Es war ein gelungenes Fest gewesen, als beide vor drei Jahren geheiratet hatten. Dass diese Ehe so schnell zu Ende gegangen war, würden sie sicher so wenig verstehen wie sie.

      Julia stand auf, verstaute ihren Einkaufskorb im Auto und machte sich auf den Weg zu Gino. Heute wollte sie draußen in der Weinlaube essen, das Wetter lud dazu ein. Es waren noch genügend Tische frei, sodass sie sich einen Platz aussuchen konnte, von wo aus sie das rege Treiben auf dem Platz beobachten konnte. Da kam auch schon der Kellner und lächelte sie an.

      „Sind Signorina wieder da?“

      „Ja, Marco, bringen Sie mir bitte die Speisekarte und einen Aperitif.“

      „Con piacere, Signorina.“

      Julia wählte ein Gericht, und ihre Augen schweiften über die Piazza und die dahinter liegende Kirche. Zahlreiche Menschen zwängten sich durch die Gassen, strömten über den Platz, manche hektisch, andere gemütlich. Mindestens die Hälfte davon waren Touristen, dachte sie. Man merkte es sofort. Sie studierten eifrig den Stadtplan, schauten sich immer wieder nach den Sehenswürdigkeiten um und lasen zuerst die Speisekarte an den vielen Feinschmeckerlokalen und Trattorien, ehe sie sich entschlossen einzukehren. Julia genoss die trotz allem beschauliche Atmosphäre, das Unbeschwerte und Heitere, das den wahren Charme der Stadt ausmachte. Nachdem Marco ihr das Essen serviert hatte, erkundigte sie sich nach Gino, dem Chef des Hauses, und musste erfahren, dass er geschäftlich unterwegs war. Nun, sie würde ihn noch öfters sehen, dachte Julia, ihr Urlaub hatte ja erst begonnen. Sie ließ Gino Grüße ausrichten und rief Raffaela und Angelo an. Sie hatte Glück. Raffaela war gleich am Apparat. Julia teilte ihr mit, dass sie seit gestern hier sei, und fragte, ob sie, ehe sie wieder in ihr Haus zurückfuhr, bei ihr vorbeischauen könne. Noch ehe Julia ihren Satz zu Ende gesprochen hatte, jubelte Raffaela in ihrer temperamentvollen Art, dass sie sich wahnsinnig freue, und sie solle sich gleich auf den Weg machen. Wie würde sie über die drei kleinen Mädchen staunen, sie hätte sie schon über ein Jahr nicht mehr gesehen, und überhaupt gäbe es so viel zu erzählen. „Beeile dich, Julia!“

      Julia winkte Marco zu, dass sie bezahlen wolle, dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Unterwegs besorgte sie in einem Spielzeugladen noch ein paar Geschenke für die Kinder und sah jetzt schon ihre strahlenden Gesichter vor sich. Es war heiß geworden und sie schob das Wagenverdeck zurück. Inzwischen hatte der Betrieb an der Seepromenade zugenommen. Kleine Reisegruppen erkundeten die Fahrpläne an der Schiffsanlegestelle, und in den Lauben und Parks der gegenüberliegenden Hotels und Bars saßen Leute. die sich angeregt unterhielten oder vor sich hin dösten. Das südliche Flair beflügelte Julia und sie fühlte sich so richtig wohl. Es war richtig gewesen, hierher gekommen zu sein.

      Nun musste gleich der Abzweig kommen, der zu dem Dorf führte, in dem Raffaela und Angelo wohnten. Nach kurzer Zeit bog Julia von der Hauptstraße ab und einen langsam ansteigenden Weg hinauf. Noch zwei bis drei Kurven, dann müsste sie da sein. Da erblickte sie auch schon Raffaela, die ihr mit den Kindern ein Stück Wegs entgegenkam. Julia stoppte ihren Wagen, riss die Fahrertür auf, und schon lagen sich die beiden Frauen in den Armen. Die Kleinen zupften an Julias Rock und wollten auch begrüßt werden. War das ein Wiedersehen! Julia überreichte den Kindern die mitgebrachten Spielsachen, nahm das Jüngste auf den Arm, herzte und küsste dann eins nach dem anderen und kniff immer wieder Raffaela in die Seite, um ihre Freude zum Ausdruck zu bringen.

      „Wollen wir nicht endlich ins Haus gehen?“, fragte Raffaela und schob die Kinder vor sich her. Die beiden Großen eilten gleich voran, und Julia hielt einen Moment inne, ihr Blick schweifte über die Kastanienwälder zu den Bergkegeln ringsum und senkte sich dann hinunter zu Stadt und See. Vielleicht werde ich eines Tages ganz hierher ziehen, dachte sie und betrat mit den anderen das Haus. Raffaela hatte bereits Kaffee aufgesetzt und ermunterte Julia zu berichten. Julia erzählte zuerst von der Arbeit in der Galerie, dass alles sehr gut liefe und sie eigentlich völlig ausgelastet sei. Trotzdem habe sie einige Termine abgesagt und kurz entschlossen Urlaub genommen.

      „Und warum das, Julia?“, fragte Raffaela.

      „Es ist wegen Frank!“

      „Was hast du mit Frank zu schaffen? Ich meine, er ist dein Jugendfreund, was hat das aber mit deinem vorzeitigen Urlaub zu tun?“

      „Er sitzt in Untersuchungshaft und wird beschuldigt, Kirstin umgebracht zu haben.“

      „Was?“ Raffaela schrie es, fast hätte sie die Kanne fallen lassen, die Kinder schauten ihre Mutter mit großen Augen an. Sie hieß die Kleinen in ihr Zimmer zu gehen, denn was Julia äußerste, war nicht für deren Ohren bestimmt.

      Julia erzählte der Reihe nach, was vorgefallen war. Sie habe Frank vierzehn Tage vor seiner Verhaftung in ihrer Galerie getroffen, wo er ihr mitgeteilt habe, dass er nun auch mit der Scheidung von Kirstin einverstanden wäre und ebenfalls einen Anwalt bemüht hätte. Durch Zufall sei er ihr in einem Café begegnet, sie habe dort Händchen haltend mit ihrem neuen Freund am Tisch gesessen. Als sie Frank erblickt habe, schaute sie ihn kühl und abweisend an, musste ihn aber notgedrungen ihrem neuen Lover vorstellen. Sie sei Frank gegenüber sehr reserviert gewesen und habe wenig Interesse gezeigt, sich mit ihm zu unterhalten. Mittlerweile habe sie sogar ihren Job im Fotoatelier gekündigt und sei zu ihrem Freund gezogen. Außerdem würde sie jetzt ganz für ihn arbeiten, angeblich als Geschäftsführerin in einer Bar.

      „Es ist alles ein bisschen zwielichtig gewesen.“

      „Aber es ist doch merkwürdig, dass Kirstin sich nicht nur schnell von Frank trennte, sondern auch ihren Studiojob gleich mit aufgab.“

      „Das kann keiner verstehen“, meinte Julia. „Ich kann nur hoffen, dass Frank sein Schweigen aufgibt, damit endlich Licht in diese Sache kommt. Als ich ihn im Gefängnis besucht habe, schien er mit seinen Gedanken weit weg zu sein, ich bin der Ansicht, er hat es noch gar nicht begriffen. Ich werde mich in den nächsten Tagen wieder mit seinem Anwalt in Verbindung setzen. Vielleicht weiß man schon mehr darüber. Die Polizei wollte auch ihren Freund unter die Lupe nehmen.“

      „Ich kann es nicht glauben, Julia, dass Frank so etwas getan haben soll.“

      „Und ich bin sogar überzeugt, dass er nichts damit zu tun hat.“

      Nebenan wurden die Stimmen der Kinder immer lauter. Beide standen auf, um sich den Kindern zu widmen.

      „Was macht eigentlich Florian? Warum ist er nicht mitgekommen, Julia?“

      „Es ist aus zwischen uns.“

      „Wieso