Teile das Glück, dann kommt es doppelt zurück. Doreen Brigadon

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Название Teile das Glück, dann kommt es doppelt zurück
Автор произведения Doreen Brigadon
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742763396



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hinter dem großen Eichentisch und las gerade in einer Mappe. Er sah zu ihr auf und sagte: „Guten Morgen, Frau Berger. Sie sind ja früher da als erwartet.“

      Sie sah ihn das erste Mal persönlich. Bisher hatten sie nur per Telefon Kontakt gehabt. Seine Stimme war ihr schon am Telefon sympathisch gewesen. Doch als sie ihn jetzt das erste Mal sah, fing ihr Herz an, deutlich schneller zu schlagen. War es wegen der neuen Situation? Er sah netter und sympathischer aus, als er ihr beschrieben worden war. Er hatte braune, kurze Haare, die er in einem Seitenscheitel trug. Er war etwas besser gebaut als ihr verstorbener Mann. Sie wollte beim ersten persönlichen Gespräch nicht nervös werden und holte einen tiefen Atemzug.

      Dem Grafen ging es auch nicht besser. Als er sie hier in natura erblickte, musste er an seine verstorbene Frau denken. Es gab ihm einen kleinen Stich in der Herzgegend. Sie hatte auch meistens ein Kostüm angehabt und die Haare hochgesteckt. Sie waren sehr glücklich gewesen, bis bei der Geburt seiner zweiten Tochter etwas Unvorhergesehenes passiert und sie an einem Blutsturz gestorben war.

      Am Anfang hatten ihm noch seine Mutter und eine Cousine geholfen, doch seine Mutter war vor einem Jahr gestorben und seine Cousine stand kurz vor ihrer Hochzeit. Ihren Mann hatte sie auf seinem Gestüt kennengelernt. Er hatte ein Pferd kaufen wollen und nahm seine Cousine auch gleich mit. Seit einem Jahr war der Graf auf der Suche nach einer Frau, die sich um Haushalt und Kinder kümmern konnte. Derzeit wurde es zwischen Köchin, Butler, Chauffeur, den Dienstmädchen und ihm aufgeteilt.

      Aber so konnte es nicht weitergehen. Sie waren alle um die Kinder bemüht, aber es gab keine richtige Bezugsperson. Er hatte zwar eine Freundin - zumindest glaubten sie und die anderen das -, doch wenn es um die Kinder ging, wollte sie sie am liebsten weit weg in ein Internat schicken. Sie schwärmte ihm immer vor, wie schön das Leben ohne die Kinder sein könnte und was sie alles unternehmen könnten. Und wenn er noch etwas abnehmen würde, sehe er noch besser aus.

      Das wollte er nicht. Sich für etwas abrackern, was er gar nicht wollte. Nur Salat, Gemüse und gedünstetes Fleisch. Was wäre das dann für ein Leben? Doch er konnte sich das alles nicht leisten und auch nicht vorstellen. Das Gestüt ging zwar gut, aber er scheffelte keine Millionen, so wie sie glaubte und es ausgeben wollte. Es hielt sich alles gerade so in Grenzen. Dazwischenkommen durfte nichts. Außerdem waren die Kinder sein Ein und Alles, seitdem seine Frau gestorben war.

      Zuerst hatte er es begreifen und verarbeiten müssen. Seine Mutter hatte immer wieder auf ihn eingeredet, denn er stand kurz davor, sich selbst das Leben zu nehmen. Er wollte ohne seine Frau nicht leben. Doch seine Mutter und die Kinder hatten es geschafft, ihn wieder zurück ins Leben zu holen. Und seitdem waren die Kinder sein Ein und Alles. Wer etwas gegen seine Kinder sagte oder tat, hatte keinen Stein im Brett bei ihm.

      Außer Jill. Sie wollte unbedingt Gräfin werden und wie, das war ihr egal. Doch ihm nicht. Sie versuchte es immer wieder, ihn zu umgarnen. Einmal hätte sie es fast geschafft, doch da war die dreijährige Viktoria ins Büro gekommen und hatte gesagt, sie könne nicht schlafen, weil sie einen Albtraum gehabt habe. Jill war sofort in die Luft gegangen, begann zu schimpfen. Viktoria hatte zu weinen angefangen. Hubert hatte Jill böse angesehen, hatte Viktoria auf den Arm genommen und war mit ihr in ihr Zimmer gegangen.

      „Du findest sicher selber raus!“, hatte er zu Jill gesagt.

      Sie hatte einige Zeit geschmollt, doch sie hielt es nie lange aus. Wieso er sie immer wieder an sich heran ließ, konnte er selbst nicht sagen. Es gab so wenige Frauen, die einen Witwer mit zwei kleinen Kindern nehmen wollten. Und sie war die Einzige, die ihn umwarb, was ihm schmeichelte. Nur nicht, wenn es um seine Kinder ging. Sie hatte etwas von der Leichtigkeit seiner verstorbenen Frau. Doch sie konnte sich nicht vorstellen, auch das wirkliche Leben anzunehmen. Ihre Eltern waren reich und ließen ihr viel durchgehen. Dadurch glaubte sie auch, sie könnte sich alles herausnehmen. Ihre Eltern hatten eine gut gehende Firma. Jill fehlte es an nichts, außer dass sie keinen Titel hatte. Aber den hatte er! Sie wollte unbedingt Gräfin werden. Darum kam sie immer wieder zu ihm zurück. Doch er sprang nicht auf sie an. Sie war ein Zeitvertreib für ihn.

      Er schob die Gedanken beiseite und musterte Anna.

      „Laut Ihrer Bewerbung haben Sie noch nicht sehr oft als Hausdame gearbeitet.“

      „Nein, nur als Kindermädchen bei den von Eibesbergs.“

      Sie hatte sich ein Zeugnis von der Baronin von Eibesberg besorgt. Wenn er die Wahrheit wüsste, hätte sie nie die Chance bekommen, hier zu arbeiten. Hier kannte sie keiner, also sollte es funktionieren.

      „Na gut, versuchen wir es. Sie waren die Beste unter den Bewerbern.“

      Er hielt ihr seine Hand hin und sie nahm sie. Ein Blitz durchfuhr sie. Der Graf zuckte sogar auch leicht. Was war das gewesen?

      Dass sie die einzige Bewerberin gewesen war, sagte er ihr nicht. Am Anfang hatten sie ihm förmlich die Tür eingetreten. Ein junger Witwer und vermögend noch dazu. Doch er wollte keine neue Frau. Das hatten sie bald alle gemerkt. Und eine nach der anderen war gegangen. Oder er hatte sie entlassen müssen, denn einige hatten, nachdem die Kinder im Bett waren, in seinem Bett auf ihn gewartet. Sie hatten gedacht, so würden sie ihn schnell rumkriegen. Doch weit gefehlt. Es sprach sich herum, dass er schnell jähzornig wurde und nicht besonders nett wäre. Ja, das stimmte, aber die Hintergründe dazu kannte keiner. So waren nur noch selten Bewerbungen gekommen. Viele waren ihm zu alt oder konnten nicht gut Deutsch.

      Diese Anna war die einzige Passable in der letzten Zeit. Er hoffte, dass sie nicht so wie die anderen war. Und sich mit seinen Kindern gut verstehen würde. Elisabeth war acht und Viktoria sechs. Sie brauchten eine weibliche, mütterliche Bezugsperson. Er hoffte, dass sie es war. Sie gefiel ihm auf Anhieb. In natura sah sie noch besser aus als auf dem Foto.

      Er räusperte sich.

      „Friedrich, der Butler, wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Sobald Sie sich eingerichtet haben, stelle ich Ihnen meine Kinder und den Rest des Personals vor.“

      Er drückte auf einen Knopf, und bald darauf betrat der Butler das Zimmer.

      „Friedrich, bringe bitte Frau Berger auf Ihr Zimmer. In einer Stunde sollen dann alle in der Halle sein und ich stelle euch die neue Hausdame vor.“

      Es war für die Leute schon Routine. Sie wetteten schon, wie lange diese hier bleiben würde. Das längste war ein halbes Jahr gewesen. Sie war zwar älter gewesen, dafür hatte sie es nicht auf ihn, sondern auf die Wertgegenstände abgesehen. Sie war hochkantig rausgeflogen. Die anderen hatten es keine drei Monate geschafft. Der Graf ging auf Anna zu und hielt ihr nochmals die Hand hin.

      „Auf eine gute Zusammenarbeit.“

      Das hatte er bisher noch nie gemacht. Der Butler staunte. Anna ergriff seine Hand und drückte sie. Durch sie ging wieder ein Schauer. Er starrte sie jedoch nur wie durch eine Wand an. Dann ließen sie einander los, und es blieb ein Kribbeln in ihrer Hand.

      „Auf gute Zusammenarbeit“, sagte auch sie, drehte sich um und folgte dem Butler. Sie dachte, er würde sie zu den Dienstbotenzimmern bringen, doch er ging mit ihr über die große Treppe hoch zu den Zimmern.

      „Entschuldigung. Ich will ja nichts sagen, aber sind wir hier nicht falsch?“

      „Nein, der Herr Graf hat das so angeordnet. Sie schlafen zwischen den Zimmern der Mädchen, damit Sie in ihrer Nähe sind, falls etwas sein sollte. Und …“

      Er überlegte, ob er weiter sprechen sollte. Doch sie sah so natürlich und sympathisch aus.

      „… Sie sind die Erste, der er das erlaubt.“

      Damit drehte er sich um und ging weiter. Anscheinend kam es einer Sensation gleich, wenn es sogar für den Butler neu war. Sie brauchten nicht weit zu gehen und er öffnete eine Tür.

      „Das hier ist Ihr Zimmer und links und rechts sind die Zimmer der Mädchen. Früher war es das Zimmer der gnädigen Frau. Also halten Sie es in Ehren. Und drei Zimmer weiter ist des Grafens Zimmer, das ist für Sie tabu“, erklärte er und ließ sie allein.

      Als ob sie es auf den Grafen abgesehen hätte! Sie sah sich in dem Zimmer um. Es