Die Damaszener-Rose. Johann Widmer

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Название Die Damaszener-Rose
Автор произведения Johann Widmer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752991284



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      Hasan wurde von Omar in den Souks bekannt gemacht, besuchte mit ihm die Moschee und den Hammam, das Bad, wo im heissen Dampf oft auch noch wichtige Geschäfte ihren Abschluss fanden.

      Von hier weg marschierte die Karawane nach Süden. Es war der längste, mühsamste und gefährlichste Teil der Reise, den sie nun in Angriff nahmen. Man hatte noch einige junge Männer mit Gewehren angeheuert als Geleitschutz, denn man konnte ja nie wissen, was oder wer einem auflauerte. Die schwachen und ermüdeten Tiere wurden ersetzt, alle Tragriemen und Seile kontrolliert und die Ladungen so dicht wie möglich gepackt, damit sie weniger Raum einnahmen.

      Alle Kamele, auch die Reittiere wurden mit Futter und vor allem mit Wassersäcken, den Guerba beladen, die aus Ziegenfellen genäht waren. Diese Ledersäcke hatte man mit Pech bestrichen, um sie richtig wasserdicht zu machen. Das Wasser bekam dadurch einen ganz eigenartigen und eindringlichen Geschmack von Ziegenbock und Schusterpech, an den sich Hasan erst gewöhnen musste, aber wenn man so richtig Durst verspürte, so trank man auch diese scheussliche Brühe und wenn die Suppe allzu penetrant stank, so warf der Koch einfach soviel Fil fil, das ist der scharfe rote Pfeffer, ins Wasser, dass jeder Geschmack und Geruch einfach weggebrannt wurde.

      Am sechsten Tag der Reise trafen sie auf die erste Wasserstelle. Das Wasser war aber derart salzig, dass nicht einmal die Kamele davon trinken wollten. Der Karawanenführer hatte den sofortigen Weitermarsch befohlen, als in der Feme zwei Kamelreiter sichtbar wurden. Sie ritten eilig herbei, versicherten mit vielen Salams ihre friedliche Absicht und baten um Wasser, das man ihnen gab. Da sie den gleichen Weg hätten, wie sie erzählten, wollten sie die Karawane begleiten.

      Der Karawanenführer liess sie, sichtlich ungern, mitreisen, wollte aber ein scharfes Auge auf sie haben.

      Am nächsten Morgen waren die beiden spurlos verschwunden.

      Omar wurde unruhig. Am folgenden Abend reinigte er seine Pistole und zeigte Hasan, wie sie geladen und wie sie abgefeuert wurde. Auch die anderen Kaufleute schienen sich Sorgen zu machen.

      Nachts wurden Wachen aufgestellt, aber es blieb alles ruhig bis zum Morgen.

      Als sich die Karawane wieder in Bewegung setzen wollte, waren sie plötzlich da. Vielleicht fünfzig, vielleicht auch mehr schwarzblau verschleierte Männer auf weissen Rennkamelen, den Mehari, und mit langen Lanzen bewaffnet stürmten übermütig schreiend herbei. Eine Rezzou, ein Raubüberfall!

      Sofort herrschte ein grosses Durcheinander. Lanzen schwirrten durch die Luft, Schüsse krachten mit viel Rauch und Getöse, da war lautes Geschrei und viel Lärm, die Kamele gerieten in Panik und rissen brüllend aus, die Treiber liefen verstört irgendwohin oder warfen sich einfach zu Boden, die Kaufleute schossen donnernd und rauchend ihren Kugelvorrat leer und nach kurzer Zeit waren die Räuber absolute Herren der Situation.

      Viele der Kaufleute waren getötet oder schwer verwundet. Auch Omar lag am Boden, tot, von einer Lanze durchbohrt. Hasan kniete weinend neben ihm.

      Was sollte nun werden?

      Die Krieger bestatteten die Toten, wie es sich für Gläubige gehört und zogen dann eilig mit der erbeuteten Karawane in die Berge.

      Unterwegs begegneten die verschleierten Männer einem anderen Trupp ihrer Leute und berieten sich mit ihnen in einer Sprache, die Hasan nicht verstand. Die jungen Leute der Karawane wurden ausgesondert und mussten mit den neu gekommenen Räubern mit. Auch sie schienen es sehr eilig zu haben.

      Nach einem mehrstündigen Eilmarsch gelangten sie in ein Versteck, wo eine grosse Zahl von edlen Reitkamelen bereitstand. Auf denen ging es nun weiter, ohne Halt auch durch die ganze Nacht hindurch. Am Morgen erreichten sie ein Berggebiet. Die Landschaft war derart bizarr und seltsam, dass sich Hasan wie in einem Märchen vorkam. Gegen Mittag machten sie halt. Zum Essen gab es harte, trockene Datteln und eine einzige Schüssel voll Wasser musste dem brennenden Durst genügen .

      Trotz all der Aufregung schliefen alle bald ein und als sie geweckt wurden, war es bereits wieder Abend.

      Nachts ritten sie durch diese märchenhafte Bergwelt. Da war ein Wald von Steinsäulen, dann ein Märchenpalast, der im Mondschein silbrig glänzte, dann eine enge Schlucht auf deren Grund ein kleiner See, eine Guelta schimmerte, dann ging es über eine steinbesäte Ebene, mit Steinen, rund wie Kugeln und glänzend wie Edelstein, dann über eine schneeweisse Düne aus deren Kamm ein turmhoher Steinfinger ragte und schliesslich folgten sie einer engen und sehr tiefen Schlucht.

      Gegen Morgen gelangten sie in ein weites Tal, das von haushohen Steinblöcken übersät war zwischen denen riesige, tausendjährige Bäume standen, in deren Schatten die Hitze des Tages verschlafen wurde.

      Hasan hätte gern gewusst, wohin die Reise ging, aber ihre Entführer sprachen nie mit ihnen und unter seinen Leidensgenossen war auch niemand, der nur die leiseste Ahnung vom Reiseziel hatte. Sicher war nur eines: Es ging in die Sklaverei. Der Weg dorthin aber konnte weit sein, sehr weit sogar. Ein junger Kameltreiber schätzte, dass sie mindestens zwei Monate unterwegs sein würden, bis die, welche die Strapazen überlebten, ihr Leben in der Knechtschaft verbringen könnten. Wer reiche Eltern hatte, konnte sich vielleicht freikaufen, aber die anderen, so meinte er grinsend, könnten sich auf ein wahres Hundeleben gefasst machen.

      Für Hasan kam ein Freikaufen kaum in Frage, denn sein Vater hatte nichts und sein Beschützer und Wohltäter Omar war tot und...da überkam ihn plötzlich Heimweh, er fühlte sich einsam und elend. Ach wäre er doch zuhause geblieben! Welch ein Elend und welche Sorge brachte er über seine Familie!

      Vater würde still um ihn trauern und Mutter würde im Dunkel der Wohnung um ihn weinen.

      Die folgenden Tage und Wochen liessen ihn alle Schrecken der Wüste erleben. Hunger und Durst peinigten sie, der heisse Staubwind machte tagsüber jeden Atemzug zur Qual und die eisige Nachtkälte machte sie schlottern, einige starben an Fieber und Krankheit, salziges Wasser bereitete ihnen schmerzhafte Bauchkrämpfe, Datteln gab es schon lange keine mehr und wer essen wollte, musste sich Eidechsen oder Heuschrecken fangen, sie magerten ab zu Skeletten und ritten oder gingen wie im Traum, einer wurde irrsinnig und rannte schreiend ins weisse Nichts der sonnenglühenden Wüste hinaus, ein anderer wurde von einer Sandviper gebissen, schrie und heulte vor Schmerz die halbe Nacht, bis ihn der Tod erlöste. Die Not wuchs von Tag zu Tag, selbst Kamele fielen plötzlich tot um, aber die Reise ging unerbittlich weiter durch ein Land, das die Hölle als Paradies erscheinen liess.

      Nach der Durchquerung einer endlosen Sandwüste mit riesigen Dünen, erreichte die entkräftete und mittlerweile klein gewordene Gruppe ein wildes Berggebiet. In einer tiefen Schlucht wurden sie erwartet:

      Sklavenhändler.

      Sie wurden wie Vieh angeboten, gemustert, verhandelt und verkauft. Ihre neuen Meister sprachen wieder arabisch.

      Für Hasan war das Reiseziel schon ausgemacht. Misr. Nach Ägypten sollte er gebracht werden. Er begann wieder aufzuleben, zu hoffen, ja, in ihm machte sich sogar etwas wie Neugierde breit, Neugierde auf das, was vor ihm lag. Er hatte die monatelange Tortur der Wüste überlebt, EI hamd ul illah, Gott sei gelobt, es würde kaum noch schlimmer kommen.

      Auf dem Ritt nach Ägypten fragte ihn sein neuer Meister nach seinem Woher, nach seinen Fähigkeiten und seinem Können. «Ah, Töpfer bist du und von da und da, so so, dann bist du ja wirklich dein Geld wert, ja, und wenn du gut arbeitest, kannst du dich bald einmal freikaufen, wenn es Allahs Wille ist.»

      In einem kleinen Städtchen im oberen Ägypten kann man auf dem Markt eine ganz besondere Keramik kaufen, Töpfe, Teller, Tassen, Krüge und was man sonst noch alles aus Tonerde herstellt.

      Das Aussergewöhnliche dieser Töpferware besteht in den Farben ihrer Glasur.

      Ein tiefes, feuriges und doch dunkles geheimnisvoll leuchtendes Rot, das Rubin und Blut, das Leben und Tod in einem ist, Ekstase der Liebe und mordender Hass, der zarte Hauch der Morgenröte über weissen Dünenwellen und das drohende blutige Henkerschwert der Abendröte über schwarzer Hammada; und ein glanzvolles strahlendes Blau, das den Wüstenhimmel und die Meerestiefen in sich vereint, das wie das andächtige Schweigen vor dem Gebet ist, das ein fast goldenes Licht