PENNYFLAX und die Rache des Hexenmeisters. Andreas Bulgaropulos

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Название PENNYFLAX und die Rache des Hexenmeisters
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738030488



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aus seiner löchrigen Jacke geweht wurde. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, aber der matschige Boden sowie die tieffliegenden Blätter und Ästchen erschwerten sein Vorankommen. Also hielt er mit der einen Hand seinen Hut fest und zog sich mit der anderen Hand von Grasbüschel zu Grasbüschel, welche einem dreißig Zentimeter großen Kobold ordentlich Halt boten. Fauch hatte es hingegen schwerer, denn obwohl der Drachling im Vergleich zum vergangenen Sommer längere Strecken am Stück flattern konnte, nutzte ihm diese Fähigkeit nichts. Vielmehr musste er sich so dicht wie es ging an den Boden pressen und kroch auf allen Vieren aufwärts.

      Oben angekommen verschnaufte Pennyflax, nahm einen Schluck Holundersaft aus der Flasche in seiner Hutkrempe und ließ den Blick über das Umland schweifen. Weil sich die Wolkendecke gehoben und der Nebel aus den Senken verzogen hatte, bot sich ihm eine gute Sicht auf die Weidenwiesen, ein Feuchtgebiet im Westen. In dessen Mitte lag der Blauwassersee mit seiner grauen, vom Wind aufgewühlten Oberfläche, und schräg dahinter, kaum erkennbar, schloss sich die Kargfelsen-Ebene an, über der die nächste Regenwand heran rollte. Der Feuerberg, der sich viele Kilometer weiter im Nordwesten hinter der Seufzer-Schlucht erhob, war nicht mal ansatzweise zu sehen. Trotzdem fröstelte Pennyflax bei dem Gedanken an den bösartigen Hexer Sulferion, der im Inneren des Vulkans seine finsteren Pläne schmiedete. Im Norden erspähte er das Druntertal und den Drüberhügel, während sich der Finsterwald als dunkles Band präsentierte, das in Richtung Osten vom Wetter verschluckt wurde. Entlang der Oststraße, das wusste jeder, gelangte man nach einer mehrtägigen Reise in das Elfenreich Viancáru.

      Doch der Kobold war nicht hergekommen, um die braun-grüne Herbstlandschaft zu bewundern. Mit aller Entschlossenheit näherte er sich der ersten Vogelscheuche und zückte die Nervensäge, die er sich von Schlonzo geborgt hatte. Ohne zu zögern begann er, an dem Stock zu sägen, auf dem die ein Meter große Scheuche errichtet war – ein besonders fieses Exemplar, das mit seinem Frack, dem Zylinderhut und der Peitsche wie ein Zirkusdompteur aussah. Zudem hatten die Zwerge dem Strohmann ein widerliches Grinsen auf das Stoffgesicht gemalt, um auch den letzten Raben davon zu überzeugen, dass er seines Lebens nicht mehr froh wurde, sollte er sich an das Klabauterkraut wagen.

      Nachdem Pennyflax den Stock durchgesägt hatte, schaute er mit Befriedigung zu, wie die Vogelscheuche umkippte und vom Sturm erfasst wurde. Sie verlor ihre Kleidung, das Stroh wirbelte davon und in Sekundenschnelle war nichts mehr von ihr übrig. Er machte einen Freudensprung und beobachtete, wie Fauch eine andere Vogelscheuche, die einem Zoowärter ähnelte, mit seinem Feueratem entzündete. Da ihr Material vom Regen durchweicht war, dauerte dies natürlich einen Moment, aber dem Drachenfeuer war sie nicht gewachsen und verging schließlich in den Flammen. Derweil kämpfte sich Pennyflax durch den schneidenden Wind zum nächsten Strohmann auf der Hügelkuppe vor.

      Als er die Scheuche erreichte, wunderte er sich über ihre kleinere Bauart. Aber er musste zugeben, dass sich die Zwerge bei ihr extra viel Mühe mit der Verkleidung gegeben hatten. Denn durch den blauen Regenmantel, die Gummistiefel und den Rucksack wirkte die Vogelscheuche wie eine echte Person, vor allem, weil sie scheinbar auf zwei Stöcken und nicht nur auf einem stand. Um die Täuschung perfekt zu machen, schaute unter ihrer Kapuze eine lange Nase hervor, aus der irgendetwas heraushing. Pennyflax stellte sich auf die Zehenspitzen und beäugte die verdächtige Substanz, die im Wind hin und her baumelte.

      Dreimal verlauster Grottenolm!, dachte der Kobold und schüttelte sich. Die Zwerge schrecken auch vor nix zurück. Die haben der Scheuche ’nen Rotzfaden an die Nase geklebt! Schon wollte er die Säge ansetzen, um dieser Teufelei ein Ende zu bereiten. Doch als er sich bückte und den linken Gummistiefel der Vogelscheuche anvisierte, stieß diese einen Schrei aus und machte einen Satz rückwärts.

      »GNADE!«, kreischte die Scheuche, sank bibbernd auf die Knie und schnarrte: »Habt Erbarrrmen, ihr super-duper-mächtigen Goblins! Ich ergebe mich und verrrate bestimmt niemandem, dass ihr auf eurem Beutezug mein Gasthaus überrrfallen und etliche Dörfer niedergebrannt habt. Noch besser: Wenn ihr mich laufen lasst, erzähle ich jedem, wie großartig euer Meister Sulferion ist. Nur verrrschont mich … BITTE!!!«

      Da die vermeintliche Vogelscheuche nicht aufhörte, um ihr Leben zu winseln und noch dazu eine nervige Quäkstimme besaß, packte Pennyflax sie am Kragen und schüttelte sie mal kurz durch. Als er aber sah, wer unter der Kapuze zum Vorschein kam, klappte ihm der Mund auf: Es handelte sich um einen Burschen, den er letzten Sommer im Gasthaus zur hinterhältigen Wörtlichkeit kennengelernt hatte. »MINKY!«, rief der Kobold. »Was machst DU denn hier?!«

      *** 2 ***

      Pennyflax half Minky aufzustehen und musste sich dabei vor dessen Rotzfaden in acht nehmen, der fröhlich durch die Gegend schlenkerte. »Verzwurbeldingst«, staunte der Kobold, »hätte ja nicht ahnen können, dass du auf den Windgrashügeln mit den Vogelscheuchen scheuchst! Machste hier Urlaub oder bist du auch hinter dem Klabauterkraut her? Und wieso haben dich die fiesen Goblins verfolgt?«

      Minkys schwarze Knopfaugen huschten ängstlich über den Hügel, dann zum Blauwassersee sowie in die Ferne zum Düsterwald und blieben schließlich an seinem Gegenüber hängen. Erst jetzt schien er den Kobold zu erkennen und begann zu grinsen, wobei er zwei große Schneidezähne entblößte. »Warte, Kamerrrad …«, schnarrte er und zog seinen Rotzfaden hoch, der jedoch gleich wieder heraus flutschte. »Pennyflax?! Du … du warst doch verrrgangenen Sommer mit deiner Freundin Shirah bei uns im Gasthaus zur hinterhältigen Wörrrtlichkeit, stimmt’s?«

      »Richtig gedingst!«, bestätigte Pennyflax und erinnerte sich wieder, dass Minky einer der zehn Rotzlinge war, denen das Gasthaus gehörte. Dort wurden nicht nur allerlei verrückte Attraktionen geboten, sondern das beste Essen zwischen hier und dem Frostspitzen-Gebirge serviert. »Und die Goblins haben echt euer Gasthaus überfallen?«, hakte er nach.

      Minky nickte nervös, blickte sich ein weiteres Mal um und schnarrte hinter vorgehaltener Hand: »War grrrauenhaft, kann ich dir sagen! Die Grünhäuter haben mit ihren Schwertern alles kurrrz und klein geschlagen, meine Brüder gefesselt und sie weggeschleppt. Nur ich konnte fliehen. Ich bin gerannt, so schnell ich konnte. Doch das erzähl ich dir lieber anderswo, Kamerrrad … lass uns erst mal verschwinden. Denn falls die Goblins uns schnappen, reißen sie uns die Rrrüben runter und kochen daraus ’ne Gemüsesuppe!«

      Pennyflax runzelte die Stirn und musterte Minky, der mit seinen vorstehenden Zähnen und den Knopfaugen einem Wiesel ähnelte, aber kein Fell besaß und unter seinem Mantel wie Espenlaub zitterte. Was jedoch nicht am Sturm oder dem Regen lag, der wieder vom grauen Himmel zu fallen begann – vielmehr hatte der Rotzling panische Angst. Konnte es möglich sein, dass Sulferions Goblins ihre Raubzüge endgültig auf das Gebiet der Weidenwiesen ausdehnten? Wenn ja, war es bis Garstingen nicht mehr weit. Steckte auch nur ein Fünkchen Wahrheit in Minkys Bericht, dann musste sofort Meister Snagglemint davon erfahren, der Magiker des Kobolddorfs. Der Alte war nämlich weise und gebildet, kannte sich in der Welt aus und wusste vielleicht, was man angesichts der Lage tun konnte.

      Sofort gab Pennyflax Fauch den Befehl, das Abfackeln der Vogelscheuchen zu stoppen, damit die Goblins nicht den Qualm bemerkten, der durch das Verbrennen des feuchten Strohs entstand. Anschließend stapfte er in Begleitung von Minky und dem Drachling vom Windgrashügel herunter, gelangte auf die Landstraße und marschierte mit ihnen zurück nach Garstingen. Denn wichtige Angelegenheiten nahmen Kobolde genauso ernst, wie sie es liebten, Streiche zu spielen.

      ***

      Als die drei im Laufe des Vormittags am Wäldchen ankamen, in dem Garstingen lag, hatte es aufgehört zu regnen und die Sonne blinzelte durch die Wolkendecke. Einige Koboldkinder begrüßten sie an der Rauschebach-Steinbrücke, und nachdem Minky von ihnen begutachtet worden war und einige neugierige Fragen beantwortet hatte, erreichten Pennyflax, Fauch und der Rotzling das erste Haus am Ortseingang. Hier wohnte Meister Snagglemint.

      Bevor Pennyflax jedoch das Gartentor des Magikers öffnen konnte, erblickte er seine Freundin Shirah auf dem Nachbargrundstück, die gerade aus ihrem Wurzelhäuschen ins Freie trat, um ihr Unkrautbeet zu begutachten. Sie trug ein grünes, löchriges Kleid mit Blumenmuster und hatte ihr rotbraunes Haar zu zwei Zöpfen geflochten, die beidseitig abstanden