Cemetery Car®. Angelika Nickel

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Название Cemetery Car®
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847660392



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Ächzen nach.

      Das Erste, was ihnen entgegen drang, war der sanfte Duft nach Lavendel.

      Quentin, dessen Nase den Geruch sofort wahrnahm, bekam auf einmal das Gefühl, in seine Kindertage zurückversetzt zu sein. Mehr noch, er hatte das Gefühl, seine verstorbene Großtante Evelyn geradezu riechen zu können.

      »Nach was riecht es hier?«

      »Nach Tante Evelyn. Und ihrem, über allem geliebten Lavendel. Es ist geradeso, als würde sie hier noch durchs Haus wandeln und dabei den sie umgebenden Duft von Lavendel verströmen.«

      »Hör auf, Quentin! Oder willst du mir Angst machen? Reicht es nicht, dass wir da draußen einen Leichenwagen stehen haben? Musst du es jetzt auch noch im Haus spuken lassen?« Ihre Miene war eine Mischung aus Empörung, Erschrockenheit und gespielter Entrüstung.

      »Ich, und spuken lassen? Kim, ich mag zwar schon einiges über Parapsychologie gelesen haben, aber deswegen bin ich noch lange kein Geisterbeschwörer. Außerdem, meine Süße, du weißt selbst am besten, wie skeptisch ich diesen Dingen gegenüberstehe.« Er grinste sie an, wuschelte ihr durch ihre Haare, und fragte schelmisch, wie auch neckend herausfordernd: »Was ist aus Cemetery Car geworden? Hast du ihn wieder auf Leichenwagen degradiert?«

      »Nein, habe ich nicht. Klar behalten wir für die Zeit, solange wir ihn haben, den Namen Cemetery Car bei. Und trotzdem musst du mir keine Angst machen. Oder glaubst du allen Ernstes, dass deine Großtante hier herumspuken könnte?« Bei diesem Gedanken fröstelte es Kim, und sie zog unwillkürlich ihre Strickjacke enger um ihren Körper.

      »Dummerchen, nein, natürlich nicht.« Quentin zog Kim an sich und küsste sie. Zärtlich liebkoste er ihr Ohrläppchen, und flüsterte ihr dabei ins Ohr: »Weißt du, auf was ich jetzt gerade Lust hätte?« Er fuhr mit dem Zeigefinger ihr Rückgrat entlang.

      »Nicht jetzt, Quentin, nicht jetzt! Wir müssen zuerst einmal das Haus kennen lernen, bevor wir an das denken können«, lachte Kim und machte sich sacht von ihm frei.

      »Ich denke aber gerne an DAS. Und noch lieber mache ich es mit dir.«

      »Quentin!«, entrüstete sich Kim verlegen. Auch wenn sie bereits fünfundzwanzig Jahre alt war, so war Kim in manchen Dingen immer noch sehr genant. Doch das war eine Eigenschaft, die Quentin so sehr an ihr liebte.

      Er nahm sie erneut bei der Hand und zog sie mit sich fort.

      Sie durchschritten einen geräumigen, breiten Flur, der umgeben war von herrlich altem Trödel und uralten Möbeln, die jedoch, auf Grund von täglicher Pflege, ihren Glanz nicht verloren hatten. Von der Diele aus, führte ein weiter Durchgang in eine noch ausladendere Küche. Eine Küche im alten amerikanischen Landhausstil.

      Kim stieß ein fasziniertes Oh aus.

      Quentin sah es ihr an: Sie hatte sich bereits jetzt schon in Küche verliebt. In ihre Größe und Stilrichtung. Sie war genau nach Kims Geschmack.

      »Sie muss eine Begeisterung für die Küche gehabt haben, denn sie ist mit soviel Liebe eingerichtet.« Kim lief zu dem Regal, das gleich über dem nostalgischen Herd hing. Vorsichtig nahm sie eine alte Tasse aus dem Regal. Eine grüne Tasse mit weißen Pünktchen, die in ihrem Innern durchzogen war, von Rissen, hinterlassenen Spuren unendlichen Umrührens mit Kaffeelöffeln.

      »Liebes, sollten wir nicht besser das ganze Haus erkunden, bevor du dich mit dem Geschirr befasst? Immerhin wird es bald dunkel und wir müssen entscheiden, ob wir heute Abend noch nach Hause fahren wollen, oder ob wir es vorziehen, die Nacht hier zu verbringen.«

      »In Cemetery Car nach Hause fahren? Und das bei Nacht? Nein, eine Fahrt dieser Art, hatten wir doch gestern Abend bereits. Jeden Abend brauch‘ ich das nicht.« Sie schaute mit einem Unschuldsblick zu ihm hin. »Lass uns hier bleiben. Irgendwo wird es mit Sicherheit auch Bettzeug und ein Bett geben«, schlug Kim vor, die nicht unbedingt angetan war, von der Vorstellung, schon wieder im Stockdunkeln in einem Leichenwagen durch die Gegend fahren zu müssen.

      So durchliefen sie das ganze Haus, das dermaßen viele Zimmer in sich barg, dass Kim und Quentin es irgendwann unterließen, sie zählen zu wollen, sondern stattdessen sich einfach nur darüber freuten, dass all das seit heute Quentin gehörte.

      »Sieh mal, Quentin, dort drüben an der Tür, was steht da?« Kim lief zur Tür und las.

      Dies ist das ganz persönliche Reich von Evelyn.

       Villa Punto auf Silentsend

      Kim sah ihren Verlobten an: »Was sie damit gemeint haben mag?«

      »Ich schätze, das ist der Name des Hauses.« Er grinste. »Ich hab‘ dir doch gesagt, dass sie vielen Dingen Namen gegeben hat. Warum also, nicht auch ihrem Haus.« Zuckersüß lächelte er sie an.

      »Aber wäre das Schild dann nicht besser an der Eingangstür angebracht?«

      »Wer weiß, sieh mal, wenn du mich fragst, dann hängt das Schild auch noch nicht lange hier. Lass uns nochmals nach unten gehen und nachsehen, ob wir irgendwelche Spuren finden, die darauf schließen lassen, dass es einmal unten gehangen hat.«

      Und sie fanden Spuren. Gleich über der Eingangstür im Flur war ein großer rechteckiger heller Fleck, genau in der Größe, wie das Schild oben an der Tür war.

      »Warum sollte man es von hier abgenommen haben? Und wer sollte das getan haben? Deine Großtante?«

      »Tante Evelyn? Nein, warum hätte sie das tun sollen. Aber ich weiß auch nicht, wer es sonst hätte abnehmen und verhängen sollen.«

      »Der Anwalt vielleicht?«

      »Ja, Kim, Reichenarm wird’s gewesen sein. Er hat bestimmt gewusst, dass du ein Angsthase bist, und hat womöglich befürchtet, dass du, wenn du das Schild siehst, Schiss bekommen könntest und das Haus womöglich gar nicht beziehen würdest. Und wer weiß, vielleicht hat er auch keinen Grünen Daumen, und war bange, sich dann womöglich selbst um diese Salbeipflanze kümmern zu müssen«, zog er sie auf.

      »Riechst du das?«, wechselte Kim abrupt das Thema. Sie hob ihr Gesicht und schnüffelte wie ein Hund.

      »Lavendelgeruch, aber das haben wir doch vorhin bereits schon festgestellt«, antwortete Quentin, der nichts Besonderes an dem Geruch fand. Ein paar Tage eingehendes Lüften würde ihn schon aus den Wänden vertreiben.

      »Ja, schon, aber er ist intensiver geworden.«

      »Sicher, wahrscheinlich ist jetzt gerade Tante Evelyn nach Hause gekommen.«

      »Nicht schon wieder, Quentin!«, stöhnte Kim, gespielt schockiert.

      In diesem Augenblick schlug die Türglocke an.

      Erschrocken drehten sich beide um und liefen zur Eingangstür.

      Quentin griff zu der Türklinke, um sie zu öffnen, als Kim ihn zurückzuhalten versuchte. »Nicht, Quentin! Wer kann das sein? Wer weiß, dass wir hier sind? Niemand weiß das, nur der Anwalt, und der hat bestimmt keinen Grund, nachts hier aufzutauchen. Lass uns erst nachsehen, wer geklingelt hat, bevor wir öffnen.« Kim zog Quentin von der Tür weg, hin zu dem breiten Flurfenster, sieben Schritte von der Eingangstür entfernt.

      Während sie vorsichtig den Vorhang ein Stück beiseite zog, um hinauszusehen, durchdrang der dumpfe Ton der Türglocke erneut die Villa Punto.

      7 - Salbei

      Es klingelte erneut.

      Kim und Quentin sahen eine Frau vor der Tür stehen.

      Die kleine Nachtleuchte neben der Eingangstür erhellte ihre Gestalt nur schwach, so dass es aussah, als würden viele Schatten über ihr Gesicht huschen. Sie machte einen verängstigten Eindruck. Erneut wanderte ihre Hand zur Klingel.

      »Es ist nur eine Frau, und weit und breit sonst niemand zu sehen. Lass uns aufmachen. Wer weiß, vielleicht hatte sie ja eine Panne mit ihrem Wagen und braucht Hilfe«, flüsterte Kim und schlich