Poet auf zwei Rädern. Lisa Schoeps

Читать онлайн.
Название Poet auf zwei Rädern
Автор произведения Lisa Schoeps
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847606857



Скачать книгу

bevorstehende Fußballweltmeisterschaft in Spanien war das andere Topthema, zumindest bei den Männern. Wie würde sich die deutsche Mannschaft schlagen? Die Vorrunde hatte gerade angefangen.

      Und natürlich unsere Reise zum Nordkap, die beiden Jungs planten seit Wochen an einer optimalen Route und hatten so ziemlich jeden Reiseführer gelesen, dessen sie habhaft werden konnten. Es würde Michas und meine Hochzeitsreise sein.

      Tom war aufgestanden und deckte den Tisch und ich holte den Kaffee aus der Küche. Ramona, die jüngere Schwester der beiden, war immer noch nicht da. Wir verteilten schon mal den Kuchen mit reichlich Sahne, gossen Kaffee ein und unterhielten uns. Mit der Zeit wandte sich das Gespräch auch praktischeren Dingen, wie dem Was-machen-wir-am-Wochenende, zu.

      „Ich werde, während Miri sich ausschläft, im ersten Stock die Türstöcke streichen, das macht keinen Krach“, sagte Michael, „und dann endlich das Material für die Küche besorgen. Wir haben uns vorgestellt, sie aus Y-Tong Steinen zu mauern. Kommst du morgen Früh mit das Material besorgen?“

      „Klar, dann aber gleich ganz früh, bevor ich schlafen geh. Ab morgen Früh um sechs bis Sonntagabend habe ich frei, ich komme, gleich nach Dienstschluss. Ich muss heute auch früher los, ich habe heute Nachtwache“, erzählte Tom mit wenig Begeisterung.

      „Ich besorge Brötchen für uns drei, dann können wir noch gemeinsam frühstücken, bevor ich schlafen gehe“, bot ich an.

      Ich arbeitete an drei Wochenenden im Monat in der Disco Glamour als Bedienung, und kam meist gegen fünf Uhr morgens nach Hause. Ich hätte genug Zeit zum Duschen und ein wenig die Beine hochzulegen und würde dann beim Bäcker auf der anderen Seite der Straße frische Brötchen holen.

      Ramona war in der Zwischenzeit mit dem Zug eingetroffen. Sie fragte mich, ob ich sie hinterher nach Hause fahren könnte. Selbstverständlich, kein Problem.

      Der selbst gebackene Erdbeerkuchen schmeckte köstlich. Oma Helene hatte sogar den Biskuitboden selbst gemacht. Wenn ich Obstkuchen mache, nehme ich immer fertigen Boden aus dem Supermarkt. Ehrlich gesagt konnte ich es auch nicht. Die Sahne war mit Vanille verfeinert.

      Ramona hatte eine große Tüte dabei, sie hatte sich einen neuen Fotoapparat gekauft. Ich war ebenfalls ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Wir fachsimpelten über ihre neue Errungenschaft. Es war eine Yashica F3 mit Wechselobjektiven. Nachdem wir unseren Kuchen aufgegessen hatten, wanderten wir durch den Garten, spielten mit der Tiefenschärfe und den Bildausschnitten. Wir fotografierten Blumen, die Motorräder, Details. Dann meinte Ramona sie wolle auch noch Menschen fotografieren. Die Jungs hatten erst keine Lust, aber ihre kleine Schwester konnte sehr überzeugend sein.

      „Jetzt stellt euch nicht so an“, kommandierte sie herum, „ich möchte ein paar schöne Bilder von euch haben, nicht nur Herumblödeln“.

      Es entstanden etliche Schnappschüsse. Mal jeder allein, dann alle zusammen, dann Micha und ich, dann ich und Oma Helene.

      Oma Helene und ihre Enkelkinder, wobei das Bild etwas Groteskes in sich barg. Micha und Tom waren beide um die zwei Meter groß und Oma Helene vielleicht einen Meter fünfzig. Es sah aus als hätte sich ein Zwerg zwischen zwei Riesen verirrt. Nicht, dass man Oma Helene hätte übersehen können.

      Sie war zwar klein, aber die Energie, die sie trotz ihres hohen Alters ausstrahlte, übertraf so machen anderen Menschen. Sie hatte schneeweißes Haar, das sie auf altmodische Weise zu einem Knoten geschlungen trug. Ihre Haut war faltig, die kleinen blauen Augen blitzten vor Scharfsinn und Lebensweisheit. Sie hielt sich erstaunlich gerade. War eher der Typ klein, zierlich, drahtig. Ihr Gang war immer noch sehr elastisch. Und sie war einer der herzlichsten Menschen die ich kannte. Wir liebten sie.

      Auch ich kam mir winzig vor zwischen den beiden Jungs, sie wirkten wie Leuchttürme neben mir.

      „Stellt euch unter den Apfelbaum, Miri du in die Mitte und Tom und Micha jeder an eine Seite. Näher zusammen,“ scheuchte sie uns herum.

      Sie überragten mich um mehr als einen Kopf. Wir lachten und blödelten herum, bald hatte sie einen weiteren Film verschossen.

      Sie würde auch die Bilder bei unserer Hochzeit machen. Nachdem die Fotosession beendet war, lenkte Oma Helene geschickt das Gespräch auf ihr Lieblingsthema zurück. Unsere Familien waren aufgeregter als wir zwei, und es waren nur noch sieben Wochen bis zum Termin. Für Oma Helene war es das ganz große Ereignis: ihr Lieblingsenkel würde Heiraten. Sie freute sich sehr für uns.

      Sie erzählte Ramona und mir, dass sie diese Woche in die Stadt gefahren war und einen neuen Hut gekauft hatte. Extra für den großen Anlass. Sie ging zurück ins Haus und kam mit einer großen cremefarbenen, runden Schachtel zurück. Behutsam öffnete sie die Schachtel und nahm den Hut aus dem Seidenpapier. Sie strahlte über das ganz Gesicht als sie uns ihren neuen Hut vorführte. Er war ein wenig altmodisch, aus feinem geflochtenem Stroh, elfenbeinfarben, mit einer Seidenschärpe und Stoffblumen aus demselben filigranen Material. Die breite Krempe umrahmte ihr Gesicht. Der kleine Schleier, der an der Krempe angebracht war, war nach oben in die Krempe gerollt.

      „Du siehst phantastisch aus mit dem neuen Hut, er umrahmt dein Gesicht ganz schmeichelhaft“, bestätigte Ramona anerkennend.

      „Danke, es ist auch ein besonders schöner Hut, die Verkäuferin war auch ganz angetan davon.“

      Ramona und ich sahen uns an und mussten grinsen, nur dieses Mal war die Verkäuferin ehrlich gewesen.

      „Hast du nun endlich ein Kleid gekauft?“, bohrte Ramona nach.

      „Ja, ich habe es in der „Kurz und Fündig“ gefunden“, antwortete ich ganz beiläufig um sie zu necken.

      „Los erzähl!“ kam es fast wie aus einer einzigen Kehle der beiden Frauen. Sie waren sehr neugierig.

      Das Hochzeitskleid hatte sich irgendwie zu einem Problemfall entwickelt, entweder sah ich in ihm wie ein rüschenüberflutetes Etwas aus - bieder, altbacken, oder wie ein Lady-Di-Verschnitt. Kleider in diesem Stil waren zurzeit groß in Mode, nur passte ich nicht zur Mode.

      Es hatte einige Zeit gedauert das richtige Kleid zu finden, zuerst war ich mit Ramona endlos durch die Geschäfte gezogen. Ohne jeden Erfolg, wenn mir ein Kleid dann doch gefiel, war es so sündhaft teuer, dass es meine Möglichkeiten überstieg.

      Letztendlich hatte ich nach langem Suchen mein Traumkleid im Secondhand gefunden. Die Frau, die es verkauft hatte, war mir auf Anhieb sympathisch und das Kleid passte, als wäre es für mich gemacht worden.

      „Jetzt mach schon, los beschreibe es“, drängelte Ramona. Ich ließ sie noch einen Moment zappeln, dachte daran, wie ich mich selber im Spiegel betrachtet hatte und fing an, es zu beschreiben.

      „Es ist weiß, bodenlang, schmal geschnitten, ganz schlicht, ohne jegliche Rüschen und aus Rohseide. Vorne eher hochgeschlossen und am Rücken tief ausgeschnitten. Es hat seitlich im Rock einen langen Schlitz. Dazu gehört ein langer Schleier mit kleinen Rosen.“

      Oma Helene strahlte über das ganze Gesicht. Die Jungs interessierten sich plötzlich auch für unser Frauengespräch. Sie hatten sich vorher in ihrer Unterhaltung wieder der Fußballweltmeisterschaft zugewandt. Jetzt hörten sie gespannt zu, Micha hatte das Kleid noch nicht gesehen. Ich würde es ihm auch nicht zeigen, das brachte angeblich Unglück. Für ihn war das „Was-ziehe-ich-an“ kein Problem, er würde in Uniform heiraten.

      „Du wirst bestimmt eine besonders schöne Braut“, sagte Oma Helene ganz überzeugt.

      Sie stand auf und ging ins Haus. Als Sie zurückkam, brachte sie eine kleine Schatulle mit. In ihr war eine Perlenkette, sie legte sie mir um. Es war eine ganz schlichte Perlenkette, deren Schönheit und Reiz in ihrer Einfachheit lag.

      „Die hat mir meine Mutter geschenkt, als ich geheiratet habe. Ich würde mich freuen wenn du sie trägst.“

      Ich nahm sie in den Arm und war ganz gerührt. Sie strahlte noch mehr über das faltige Gesicht. An diesem Freitag verabschiedeten wir uns früher als sonst, weil Toms Dienst bereits um 18 Uhr anfing. “Bis nächsten Freitag….“

      Wir