Название | Poet auf zwei Rädern |
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Автор произведения | Lisa Schoeps |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847606857 |
Ich antwortete nicht gleich, ich konnte noch nicht schnell denken, in meinen Gedanken befand ich mich noch in der wohligen Wärme des Betts. Ich beobachtete geistesabwesend die Straße. In der kleinen Bäckerei auf der anderen Straßenseite wurden die letzten Vorbereitungen getroffen. Sie öffneten jeden Tag um sechs Uhr morgens. Jeden Tag von Montag bis Samstag, jahrein, jahraus. Der vertraute Anblick verströmte Sicherheit. Die Stadt war auch noch nicht richtig erwacht, genauso wie ich. Die Sonne stand noch tief, es lagen lange Schatten zwischen den Häusern. Vereinzelt liefen ein paar Leute auf der Straße herum.
Ich drehte mich zu ihm und antwortete, „Weiß ich noch nicht. Ich habe Schicht im Glamour. Lass uns heute Nachmittag darüber sprechen. Spätestens um vier bei Oma Helene.“
Die Zeit drängte, ich musste mich noch duschen und anziehen. Der Zug fuhr pünktlich. Irgendwie lief die Zeit frühmorgens viel schneller, zumindest empfand ich es so. An der Tür der obligatorische Abschiedskuss und schon war ich verschwunden.
„Ja - ich liebe dich auch. Einen schönen Tag, pass auf dich auf, bis heute Nachmittag…“
Michas Dienst, er war Zeitsoldat, fing um sechs Uhr dreißig an und er hatte nur zehn Minuten zur Kaserne. Er stand trotzdem mit mir auf, auch dafür liebte ich ihn. Den Tag miteinander zu beginnen und gemeinsam wach werden.
Gehetzt fuhr ich zum Bahnhof, fand natürlich nicht gleich einen Parkplatz. Das war Murphys Law, wenn man spät dran war, gab es auch keinen Parkplatz nahe dem Bahnsteig. Ich ergatterte einen am anderen Ende und rannte so schnell ich konnte zum Bahnsteig zurück.
Den Zug erreichte ich atemlos in der letzten Minute. Als ich eingestiegen war ließ ich mich auf den ersten freien Sitz fallen. Geschafft. Auf der Fahrt träumte ich vor mich hin, die schnell vorbei ziehende Landschaft verwob sich mit meinen Gedanken. Ich hatte sie schon tausendmal gesehen. Der Zug stoppte hin und wieder und vierzig Minuten später war ich am Münchener Hauptbahnhof. Auf dem Bahnsteig das übliche Gedränge. Menschen mit Koffern, die vereisen wollten, Berufstätige, die zur Arbeit eilten. Menschen die nur herumstanden. Ich bahnte mir meinen Weg zur U-Bahn durch das Getümmel, vorbei an den immer selben Geschäftsauslagen und Werbeschildern.
Bahnhöfe haben einen seltsamen Geruch, es fällt mir schwer ihn zu beschreiben, aber jedes Mal wenn ich durch die Gänge lief, nahm ich ihn unbewusst wahr. Es war eine Mischung aus Staub, dem Geruch nach Menschen, Urin und Bratfett. Ich sehnte mich danach tief durchatmen zu können und aus dem Untergrund zurück an die frische Luft zu gelangen.
Zur U-Bahn führten Rolltreppen weiter nach unten. Die ganz eiligen Passagiere rannten die Rolltreppen hinunter. Noch dreißig Sekunden gewinnen. Der Ort strahlte Rastlosigkeit und stetige Betriebsamkeit aus. Der Bahnsteig war übervoll mit Menschen die auf die nächste U-Bahn warteten. Wie ein Heer Ameisen. Das Zischen der herannahenden U-Bahn war zu hören. Die Luft vibrierte kurz bevor der Zug einfuhr. Ich stieg ein wie eine der vielen anderen Ameisen.
Weitere zwanzig Minuten vergingen, dann war ich endlich angekommen. Im Büro, holte ich mir Kaffee. Inzwischen war ich wach und in der Stimmung mit anderen zu reden. Zurzeit war ich in einer Kanzlei beschäftigt. Das bedeutete ich koordinierte Kundentermine, führte Listen über entnommene Akten, sortierte Belege und servierte Kaffee.
Es war bestimmt nicht der Job fürs Leben, aber es gab Geld dafür und ich hatte nette Menschen um mich herum. Der Tag verging wie im Flug. Freitags hatte ich bereits um fünfzehn Uhr Schluss. Da die Züge zu dieser Tageszeit aber nur in wesentlich größeren Abständen als zu den Stoßverkehrszeiten fuhren, konnte ich entweder bereits um vierzehn Uhr dreißig fahren oder musste bis um fünf auf meinen Anschlusszug warten. Offiziell gab es keine Gleitzeit für Praktikanten.
So saß ich in meinem Regionalzug und sah dieselbe Landschaft wie am Morgen erneut an mir vorbei ziehen. Nur in umgekehrter Richtung und in einem anderen Licht. Den Kopf ans Fenster gelehnt verschwamm das Bild. Als ob ein Film rückwärts laufen würde. Ich hing meinen Gedanken nach.
Dachte an unsere Hochzeit, Micha und ich wollten im Juli heiraten. Es war noch soviel zu organisieren, unsere Eltern nervten. Jeder wollte mitreden. Trotzdem freute ich mich, dachte an Michael und lächelte still vor mich hin.
Er war bei mir, auch wenn wir nicht zusammen waren, ich vermisste ihn. Bei dem Gedanken an ihn spürte ich Wärme und Licht. Endlich hörte ich das Quietschen der Bremsen und die Ansage des Bahnbediensteten zum nächsten Halt. Wir waren überpünktlich. Ich stieg aus, lief beschwingt zu meinem Auto. Als ich die Tür aufschloss, schlug mir die aufgestaute Hitze entgegen. Die Sonne hatte bereits viel Kraft, wenn sie schien.
Kurz nach vier war ich bei Oma Helene. Sie wohnte in einem Ort zwanzig Kilometer nördlich vom Bahnhof. Wir, Tom, Ramona, Michael und ich, trafen uns regelmäßig bei ihr, immer freitags. Manchmal war auch Ricky, der jüngste Bruder, dabei. Es war eine liebgewonnene Gewohnheit und symbolisierte sozusagen den Beginn des Wochenendes.
Der Wetterbericht hatte Recht behalten, es war ein wunderschöner Frühsommertag, endlich warm genug um draußen zu sitzen. Endlich lag ein Hauch des Sommers in der Luft.
Oma Helene wohnte in einem kleinen, weißen Haus aus den fünfziger Jahren, mit grünen Fensterrahmen und passenden Fensterläden. Es war ebenerdig, hatte ein rotes, spitzes Ziegeldach, der Kamin befand sich in der Mitte des Dachs. Vor dem Haus parkten zwei Motorräder. Toms schwarze Kawa und Michas blaue Honda Bol’Or. Die Sonne erzeugte Reflexe auf dem Lack und an den Chromteilen. Beide Mopeds standen hintereinander geparkt auf dem Seitenständer. Die Helme hingen am Lenker. Ich parkte meinen roten Golf dahinter.
Ohne zu klingeln öffnete ich das etwas altersschwache, schmiedeeiserne Gartentor. Es knarrte. Der Weg zum Haus war mit großen, hellen Steinplatten ausgelegt, die inzwischen von der Patina vieler Jahre überzogen waren und eher grau und grünlich schimmerten. Der Weg führte weiter um das Haus herum. Ihr Garten war liebevoll gepflegt, sie hatte viele Blumen gepflanzt. Im Sonnenlicht schillerten die rosa, violetten, roten und weißen Schleifenblumen. Die Margeriten und Glockenblumen bildeten einen schönen Kontrast vor den grünen Sträuchern auf der anderen Seite des Weges. Ein Bogen mit der schon sehr alten Kletterrose überspannte den Eingang zum Garten. Die Rose blühte noch nicht, vielleicht in ein paar Tagen. Die Knospen waren bereits groß und prall und sahen aus, als würden sie jeden Moment platzen. In einem anderen Teil des Gartens zog sie Gemüse, Salat, Karotten, Radieschen, Zwiebeln, Erbsen. Die Bohnen schlängelten sich an dem eigens hierfür von Tom gezimmerten Gestell nach oben. An den ordentlich in mehreren Reihen gepflanzten Erdbeerpflanzen hingen bereits große Früchte, aber die meisten waren noch ganz grün. Ein paar Tage Sonne und dann könnte man sie bestimmt ernten. Im hinteren Teil des Gartens standen viele alte Obstbäume. Das Gras dazwischen war von Gänseblümchen und Ehrenpreis durchzogen. Oma Helene ließ die Wildpflanzen im Rasen.
Aus diesem Teil des Gartens hörte ich Stimmen. Die beiden Jungs saßen zusammen mit Oma Helene um den großen, massiven Holztisch. Auf dem Tisch lag eine bunte Gartentischdecke mit Sonnenblumenmuster, ein Tablett mit Tassen, Tellern, Besteck, Gläsern und ein Krug mit Wasser standen ebenfalls darauf.
Beide Männer waren noch in ihrer Arbeitsuniform. Ein sehr vertrauter Anblick, der olivfarbene feste Baumwollstoff. Tom, Michaels jüngerer Bruder, war ebenfalls Zeitsoldat, jedoch bei einer anderen Einheit.
Ich war ganz leise, sie bemerkten mich zuerst nicht. Micha saß mit dem Rücken zu mir. Tom sah mich, ich legte den Finger an die Lippen und schüttelte den Kopf. Ich wollte Micha überraschen. In der nächsten Sekunde stand ich hinter ihm und hatte meine Arme um ihn geschlungen. Er zog mich zu sich, er hatte gefühlt dass ich da war. Wir küssten uns zärtlich.
Oma Helene hatte Erdbeerkuchen gebacken, mit den ersten reifen Erdbeeren aus ihrem Garten, wie sie stolz verkündete. Deshalb waren nur noch grüne an den Stauden, schoss es mir durch den Kopf.
Sie freute sich auf den Plausch mit uns, es war ihr Wochenhighlight. Sie liebte es, Kuchen für uns zu backen und uns zu verwöhnen. Sie erzählte uns vom Klatsch und Tratsch mit den Nachbarn oder von Dingen, die sie in der Zeitung