Die Glocke. Elle West

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Название Die Glocke
Автор произведения Elle West
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738084955



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paar seiner eigenen Leute zur Verfügung gestellt, um den Transport von New York nach New Orleans regelmäßig abzuwickeln. Die letzten drei Jahre hatte dieses System gut für ihn funktioniert. Nun hatte jemand seinen Kontaktmann erschossen und tot in einen Straßengraben in Hell’s Kitchen geworfen. Mason musste also wissen, ob es in seiner Macht stand, ein Exempel zu statuieren, wovon er absehen würde, sollte es sich bei den Mördern um die Cosa Nostra handeln. Dann müsste er jedoch einen anderen Weg finden, eine andere Lösung suchen. Denn das Geschäft musste weiter laufen. Er bräuchte also einen neuen Kontaktmann, vielleicht auch neue Schnapsbrenner, falls diese auch schon entdeckt worden waren. Was er jedoch nur ungern täte, da der Schnaps seiner Brenner so gut war, dass er ihn extra aus New York schmuggeln ließ, statt ihn in New Orleans zu erstehen. Und er musste all das bewerkstelligen, ohne dass die Mafia davon erfuhr.

      Während Mason sich den Kopf zerbrach, wurde die Jazzmusik ansteigender. Owney beschäftigte die besten Jazzmusiker, die die Stadt zu bieten hatte und alle Gäste, die im Gegensatz zu den Musikern ausschließlich weiß waren, kamen in den Cotton Club, um ihnen zu zuhören. Mason wunderte sich manchmal über diese Leute, über die Weißen. Sie wollten im Bus nicht neben Schwarzen sitzen, aber fanden es kulturell wertvoll, ihre Musik für sich zu entdecken. Jazz war zu einer Mode der weißen Leute geworden und Mason verachtete es, diesen Leuten dabei zu zusehen, wie sie ihre Mitmenschen als Produkt ausbeuteten und sich dabei selbst als aufgeschlossen erachteten. Allerdings war Madden selbst weiß und hatte sich nicht gescheut, seinen Laden das Flair einer Baumwollplantage der rassistischen Südstaaten zu verleihen. Wie Mason selbst beurteilen konnte, war Owney weniger rassistisch, als eigennützig. Er war ein Überlebenskünstler und er hatte, wie der Erfolg ihm versicherte, ein Gespür fürs Geschäft. Wenn er damit jeden Nichtweißen beleidigte, war es ihm gleichgültig, solange das Geld stimmte.

      Dann sah Mason sie und vergaß zu atmen. Sie war weiß, wenn auch nicht irisch oder britisch weiß. Ihr Haar war lang, lockig und dunkel und glänzte im schummrigen Licht. Dass sie, entgegen der augenblicklichen Mode, ihre Haare weiterhin so trug, wie sie es wollte, gefiel ihm. Es sagte nicht nur etwas über ihren standhaften Charakter aus, sondern er fand es auch einfach schöner. Er konnte ihre großen, dunklen Augen durch den Raum hinweg sehen. Und als sie sich staunend umsah, während sie den Laden durchquerte, zeichnete sich ein ebenes, perfektes Lächeln auf ihrem makellosen Gesicht ab.

      Mason schnipste kurz mit den Fingern und deutete auf seinen Platz. Sein Bodyguard, Nicolo Ferro, stellte sich sofort wortlos vor den Tisch, damit niemand auf die Idee käme, seinem Boss den Platz weg zu nehmen. Gleichzeitig behielt der große Italiener Mason im Auge, als dieser den Raum durchquerte und sich, für Nicolos Geschmack, viel zu weit von seinem Beschützer entfernte.

      Allerdings war Mason selbst weder ein Schwächling, noch zurückhaltend. Er war selbst ebenfalls ziemlich groß, hatte breite Schultern, war muskulös und kräftig. Und vor allem wusste er, wie man sich selbst verteidigte, wusste, wie man angriff, und wie man seinen Gegner ausschaltete. Er benötigte keinen Bodyguard, aber er erweckte gerne den Eindruck des Gegenteils. Seine Feinde sollten ihn besser unter- als überschätzen.

      Er hielt an der Bar und sah zu der zierlichen Brünetten herüber. Sie saß mit einer auffallenden Frau und einem adrett gekleideten Mann an einem Tisch und sah abwechselnd von den Tänzerinnen zu den Musikern. Mason beobachtete sie aus der Ferne. Er war ziemlich sicher, dass sie das erste Mal hier war. Sie hatte diesen aufrichtig faszinierten Blick, mit dem sie alles aufsog, was um sie herum geschah. Und im Gegensatz zu den meisten anderen Weißen hier, schien sie sich nicht für einen besseren Menschen zu halten, weil sie Schwarzen zuhörte. Im Gegenteil zu all den anderen, legte sich ihre Stirn aufgrund der Wanddekoration zuerst in Falten, ehe sie missbilligend die Miene verzog.

      Während er sie betrachtete, wurde der Wunsch, sie auch hören zu können, beinahe übermächtig. Er musste wissen, ob sie wirklich war, wie sie auf ihn wirkte, oder ob er sich von ihrem schönen Äußeren hatte blenden lassen und sie in Wahrheit genauso war, wie all die anderen Frauen auch.

      Also ging er dichter heran, setzte sich an den Tisch, der ihrem am nächsten kam, setzte sich neben sie, ohne von ihr bemerkt zu werden. Der Tisch, an dem er nun Platz genommen hatte, war voll, so wie alle anderen auch. Er hatte sich einfach auf einen freien Platz gesetzt und ignorierte die fragenden Blicke seiner Nachbarn. Da es immer so überfüllt war, fiel es nicht weiter auf, wenn sich ein Fremder zu einem an den Tisch setzte. Seine nicht ganz weiße Hautfarbe allerdings fiel auf, erregte jedoch nicht genug Aufmerksamkeit, um sich deshalb mit ihm anzulegen. Sein Teint war weniger empörenswert, als seine Statur einschüchternd war.

      Sie roch gut. Besser als gut. Er konnte ihren Geruch ausmachen, obwohl so viele andere Gerüche um sie herum waren. Sie roch nach Jasmin und Kirschblüten. Sie roch wie der Frühling.

      „Und wie gefällt es dir hier, Hollie?“, fragte die Frau neben ihr. Sie war ebenfalls schön, mit ihrem pechschwarzen Haar und den leuchtendblauen Augen. „Ist es nicht einfach fabelhaft? Die Menschen hier sind so aufgeschlossen und wirklich an der Musik der Schwarzen interessiert. Findest du nicht auch, meine Liebe?“

      Mason hätte sich nicht nur über das Gesagte aufregen können, weil ihn der Inhalt störte, sondern ebenfalls, weil diese Frau schnell und, für seinen Geschmack, zu sinnlos redete.

      „Die Musik ist fabelhaft.“, antwortete sie dann und blickte, weiterhin lächelnd, zur Bühne. „Und bist du hier, weil dir die Musik auch gefällt, oder weil du selbst aufgeschlossen wirken willst, Mia?“

      Mia kicherte. „Macht das einen Unterschied?“

      „Ja, einen gewaltigen.“

      Mason lächelte. Offenbar war sie nicht auf den Mund gefallen und hielt auch ihre Meinung nicht zurück, selbst wenn sie missfallen sollte. Er schätzte diese Eigenschaften. Die meisten Menschen waren zu sehr damit beschäftigt, ihren Mitmenschen zu gefallen, sie waren zu sehr bemüht, Wohlwollen zu erzeugen. Er selbst umgab sich lieber mit den wenigen Ehrlichen, allerdings war ihm bewusst, dass seine Position es seinen Angestellten gewissermaßen erschwerte, wirklich aufrichtig zu ihm zu sein. Sie mussten schließlich nicht nur fürchten, dass er sie danach weniger mögen würde, sondern sie fürchteten um ihr Leben, wenn sie sein Missfallen erregten. Nicht, dass er sie umbringen würde, denn diese Konsequenz hatte er mitsamt seiner Mafiakarriere an den Nagel gehängt, sondern, dass er sie aus seinem Leben verstoßen würde. Und da sie mehr eine Familie waren als alles andere, wäre eine solche Strafe immer noch hart genug. Jedoch hätte Mason die gegensätzliche Meinung eines Freundes niemals als einen Grund erachtet, einen Freund fallen zu lassen. Ganz im Gegenteil, er empfand Kritik als Herausforderung, etwas besser als bisher zu erledigen.

      „Du kannst dich doch nicht wirklich darüber beschweren, dass man unsere Gesellschaft unter sich lässt, Hollie.“, sagte der Mann neben ihr mit einem nachsichtigen Lächeln. „Regeln sind nützlich. Sie bewahren uns vor Chaos.“

      Hollie sah ihn an. „Erstens heißt es für Sie immer noch Miss Colemann. Und zweitens verstehe ich Ihren Einwand nicht, Mr. Simmons. Immerhin haben Sie sich doch auch für die Gleichberechtigung der Frauen ausgesprochen. Was gibt Ihnen da das Recht, diese Gleichberechtigung nicht gleichermaßen zu verteilen?“ Sie beugte sich ein wenig zu ihm herüber, sah ihn herausfordernd an. „Verzeihen Sie, wissen Sie überhaupt, was dieses Wort bedeutet? Jemanden die Berechtigung für eine gleiche Behandlung absprechen zu wollen, ist höchstgradig unmoralisch und widerspricht sich selbst.“

      Mia kicherte. Nicht nur, weil die junge Hollie Coleman die Diskussion gewonnen hatte, sondern hauptsächlich, weil sie sehr angetrunken war. Also trank sie einen gewaltigen Schluck Rum nach und bückte sich dann schwerfällig nach der herunter gefallenen Serviette, um sie wieder zu angeln.

      Blake Simmons hingegen schien ebenso verärgert, wie er hingerissen war. „Du machst mich noch wild.“, murmelte er leise, anzüglich.

      Hollies Stirn legte sich verwundert in Falten. „Wie bitte?“ Er sah sie mit einem Blick an, der sie ängstigte, verärgerte und den sie noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte.

      Er antwortete nicht, sondern zog sie an sich, wollte sie umarmen und ihr sogar einen Kuss aufdrücken.

      Hollie schob ihn mit all ihrer