Die Glocke. Elle West

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Название Die Glocke
Автор произведения Elle West
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738084955



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weil sie in ihm ihren Seelenverwandten sah, sondern viel mehr deshalb, weil er wirklich ein guter Liebhaber gewesen war und sie gehofft hatte, zumindest diese Beziehung ein wenig genießen zu können.

      Eine Weile blieb sie einige Meter vor der Club stehen und beobachtete ihn, während sie rauchte. Er unterhielt sich mit einem großen, breitschultrigen Mann, der absolut Rachels Typ gewesen wäre, wäre sie nicht so sehr damit beschäftigt gewesen, die ihr von Logan zugefügten Wunden zu lecken. Die beiden Männer hatten es scheinbar nicht eilig und Rachel ärgerte sich auch darüber, schließlich hatte Logan noch gestern so getan, als arbeite er für den Präsidenten. Jetzt zeigte sich, dass er genügend Zeit hatte, um zu plaudern und zu scherzen und sich zu amüsieren. Furchtbar, ich benehme mich wie eine dieser eifersüchtigen, betrogenen Ehefrauen, die ich niemals sein wollte, dachte sie ärgerlich.

      Dann wurde sie angerempelt und ihr fiel die Zigarette auf die Straße. Da sie von einer umwerfend schönen Weißen angerempelt worden war, hatte sie sie bereits in Gedanken verflucht und sich damit abgefunden, die Zigarette vom Boden aufheben zu müssen, doch als sie bereits im Begriff war, sich zu bücken, kam ihr die Brünette zuvor und bot ihr eine Zigarette von ihrer Begleiterin an. „Bitte verzeihen Sie, ich habe Sie nicht gesehen.“, sagte sie und reichte ihr die neue Zigarette, ehe sie sich auch für sie um Feuer bemühte. Dieses Mal half ihr der männliche Begleiter, der deutlich älter war als sie und dennoch aus diesem Grund nicht weniger an ihr interessiert zu sein schien, aus. Die Brünette gab das Feuerzeug an Rachel weiter. Und als diese es nicht zu zünden vermochte, weil sie nur an Streichhölzer gewöhnt war, half sie ihr auch damit. „Erlauben Sie.“, sagte sie und gab ihr Feuer.

      „Danke.“, sagte Rachel, etwas widerwillig, nachdem sie den ersten Schwall Rauch ausgestoßen hatte.

      „Ihr Kleid ist wirklich schön. Meinen Sie, ich könnte ebenfalls so eines erstehen?“, fragte sie und blickte Rachel mit einer ungewohnt aufrichtigen Art an, die diese ebenfalls aufrichtig, verunsicherte.

      Rachel sah an sich herunter. Sie trug ein veraltetes, aber auffälliges weinrotes Baumwollkleid, was viel zu viel Haut an den Brüsten entblößte und die Taille zu sehr betonte, zumindest, wenn man mit der neuesten Mode ging. Ihr Kleid war vielleicht für sie, eine mittellose Schwarze, etwas Besonderes, aber nicht für eine Weiße wie diese hier. Rachel musterte ihr Kleid, das unter dem dünnen Mantel deutlich zu erkennen war. Sie trug ebenfalls ein rotes Kleid, aber ihres war neuer, besser und teurer. Und natürlich nicht so aufreizend wie Rachels. Dennoch hätte sie sofort mit ihr getauscht, schließlich war das langweilige Kleid zehn Mal so viel Geld wert wie das ihre.

      „Meine Schwester hat es genäht und es ist ein Einzelstück, fürchte ich.“, antwortete sie und verkniff es sich, hinzu zu fügen, dass sie eben dieses Einzelstück auch mit ihrem vermutlich vererbten Reichtum niemals würde kaufen können.

      „Schade, wirklich. Aber mir würde es vermutlich ohnehin längst nicht so gut stehen wie Ihnen.“, sagte die Brünette lächelnd. „Ihre Schwester scheint allerdings eine äußerst talentierte Näherin zu sein. Richten Sie ihr meine Komplimente aus.“

      „Das werde ich sicher tun.“, erwiderte Rachel mit einem unaufrichtigen Lächeln. Sie glaubte nicht, dass diese Frau auch nur ein Wort von ihren Komplimenten ernst meinte.

      „Na gut, dann einen schönen Abend noch.“, sagte die Brünette lächelnd. Dann hakte sie sich bei ihrer ebenfalls schönen und ebenfalls weißen Freundin unter und ging weiter.

      Rachel blickte ihnen missmutig hinterher. Frauen wie diesen stand jede Tür offen und dafür hasste Rachel sie. Die beiden Frauen lachten im Gehen. Die Schönere der beiden, die, die ihr Feuer gegeben hatte, warf ihr seidiges, lockiges Haar dabei zurück und entblößte perfekte Zähne. Rachel dachte, dass sie wie Fin war, was Aussehen und Charme anging. Im selben Moment wurde ihr klar, dass sie selbst dann eher wie Logan war und das bedeutete, dass sich hinter der schönen Fassade meistens nicht viel Persönlichkeit verbarg. „Zuerst die Eifersucht, dann der Neid und jetzt auch noch Selbstzweifel...ein gelungener Abend.“, sagte sie ärgerlich zu sich selbst.

      Rachel wechselte die Straßenseite, während die schönen weißen Menschen im Club verschwunden waren, und ging schnellen Schrittes weiter. Viele Leute hatten Angst diese Straßen im Dunkeln zu passieren, besonders Frauen ohne Begleitung. Rachel hatte sich hier jedoch nie fremd gefühlt. Und weil sie eben hier lebte, wusste sie genau, dass sie sicher war. Die meisten Leute hier kannten sie, wussten, dass Fin sie beschützte. Und wenn sie auch keine Angst vor ihm hatten, waren sie seine Freunde oder respektierten ihn zumindest genug, um keinen Streit mit ihm anzufangen. Sein Alkohol verkaufte sich hervorragend, das wollten die Menschen nicht verlieren. Das wiederrum gab ihr eine ganz neue Art der Sicherheit, fernab von den Gangs oder der Mafia. Und seit Harlem zum Amüsierviertel mutierte, irrten ohnehin mehr betrunkene Feiernde, als gewalttätige Mobster durch die Straßen.

      Rachel blieb stehen, als sie ein Geräusch hörte, was hier nicht her gehörte. Gedämpfte Musik, das Trampeln von Füßen, Gesang, Unterhaltungen, alles Mögliche war typisch für den Lärm der Stadt, aber das, was sie gehört hatte, war sonst nicht da. Es klang wie…Sie konnte es nicht zuordnen, ehe sie es wieder hörte. Ein metallisches Klirren und Rascheln, ein dumpfer Knall. Rachel folgte ihren Ohren in eine Seitengasse. Sie ging bemüht langsam, auf den Zehenspitzen, damit ihre Absätze keinen Lärm erzeugten.

      Als sie in die Gasse eindrang, sah sie sofort, was sie gehört hatte. Da waren zwei Männer, die auf einen anderen einschlugen. Rachel versteckte sich hinter einem Container und blickte vorsichtig um die Ecke. Einer der Männer hatte den Deckel einer Mülltonne in der Hand und schlug damit gegen den Kopf des Mannes. Daher die seltsamen Geräusche. Der andere zog den Mann wieder hoch und schlug ihm die Faust ins Gesicht.

      „Ich sag es nicht noch einmal, Penner.“, sagte der mit dem Mülldeckel bedrohlich. Er hatte einen deutlich irischen Akzent.

      Rachel hielt die Luft an, als einer der beiden Schläger das Opfer am Kragen hoch zog. Sein Gesicht war blutüberströmt, seine Züge kaum noch zu erkennen. Doch Rachel erkannte ihn. Es war der Schnapsbrenner, der in sie verliebt war und den sie nie beachtet hatte. Sie konnte sich nicht einmal an seinen Namen erinnern, weil sie ihn immerzu nur den Russen genannt hatte. Rachel erkannte, dass sie von hier verschwinden musste. Einer der beiden Riesen hatte soeben seinen Revolver gezogen und auf den beinahe besinnungslosen Russen gerichtet. „Wo ist dein Kumpel? Und wer hat den Schmuggler umgelegt?“, fragte der mit der Waffe. Er war der, der redete. Der andere, der Größere mit der Glatze, war der Mann fürs Grobe.

      Der Russe antwortete etwas, vermutlich, es kam nur ein gurgelndes Geräusch heraus, als er Blut spuckte.

      Rachel wusste, dass das ihre Chance war, um ein Leben zu retten. Sie hätte nur herüber gehen müssen und ihnen sagen können, was sie wissen wollten. Sie hatte die Chance, den Russen zu retten.

      Rachel ging langsam rückwärts, sicher, dass das Ende der Gasse nur noch ein paar Schritte entfernt war. Dann endlich wäre sie wieder in ihrer gewohnten Straße, in Sicherheit der Häuser und der Nachtschwärmer.

      Dann rempelte sie gegen die Mülltonne hinter ihr. Das Geräusch erschien ihr selbst ohrenbetäubend laut zu sein. Sie sah, wie der Mann mit dem Revolver in ihre Richtung herum fuhr, da drehte auch sie sich um und rannte los. Das alles geschah so schnell, dass der Deckel der Tonne kaum zu Boden gefallen war. Rachel rannte so schnell, dass ihr die Lunge brannte. Dann kam das Ende der Gasse näher, sie hatte es schon so gut wie erreicht, da tauchte vor ihr ein dunkler Schatten auf und versperrte ihr den Weg. Rachel stürzte gegen ihn und dann zu Boden. Er trat auf sie zu und sie kroch über den Boden vor ihm davon, ehe sie ihn erkannte.

      „Logan?“, brachte sie atemlos hervor. Ihr Atem war weiß in der kalten Nachtluft und machte deutlich, wie angestrengt sie atmete. In seinen grünen Augen blitzte Erkenntnis auf, dann Gleichgültigkeit. Da wusste sie, dass er sie nicht schützen würde, sondern Teil der Gefahr war.

      „Tut mir leid, Kleine. Zur falschen Zeit, am falschen Ort.“, sagte er und hob dann den Kopf. „Was macht ihr denn, Jungs? Keine Zeugen, verdammt.“

      „’schuldigung.“, sagte der etwas Größere der beiden. Der, der den Russen am Hemd hinter sich herzog und