Название | Ich nannte dich Kate |
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Автор произведения | Nicole Beisel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847679974 |
Betty servierte einen Hackbraten mit Kartoffeln und Gemüse, der Linda gut zu bekommen schien. Betty gab sich immer sehr große Mühe beim Kochen und freute sich umso mehr über ihre gelungenen Kochkünste, wenn sie Lindas leeren Teller ins Spülbecken räumte. Linda machte es nichts aus, dass ihre Großmutter so üppige Gerichte auftischte, vielmehr war sie dankbar dafür, dass sie etwas Reichhaltiges zu Essen bekam. Als Grandma Betty noch alleine lebte, hatte sie nur selten selbst gekocht. Meist konnte sie bei Charles und Rachel mitessen, und wenn das mal nicht ging, aß sie nur eine Kleinigkeit. Sicher wäre sie auch damals in der Lage gewesen, selbst zu kochen, aber es war zu Lebzeiten ihrer Kinder einfach nicht zwingend notwendig gewesen.
Linda selbst konnte nur grundlegende und einfache Gerichte kochen. Betty hätte ihr gerne mehr beigebracht, aber Linda war meist den ganzen Tag unterwegs und abends war selten genügend Zeit, um ihr das Kochen beizubringen. Außerdem fehlte Linda abends die Energie, um neue Fähigkeiten zu erlernen und sich die Zusammenstellung der Zutaten zu merken, weshalb sich das gemeinsame Kochen auf einige freie Wochenenden beschränkte. Linda jedoch war trotz allem stets bemüht, richtig Kochen zu lernen und verschiedene Gerichte auszuprobieren, was dank der Hilfe ihrer Großmutter problemlos gelang.
An diesem Abend hatte Linda etwas länger gebraucht als sonst, um ihren Teller zu leeren. Wie gut, dass Bettys Gerichte wirklich köstlich waren und ein leerer Teller somit bereits vorprogrammiert war… Betty war aufgefallen, dass ihre Enkelin in Gedanken versunken schien. Sie hatten während des Abendessens kaum miteinander gesprochen und wenn Linda ihrer Großmutter zwischendurch doch auf eine belanglose Frage antwortete, so fiel diese eher kurz und recht gefühllos aus, als hätte Linda überhaupt kein Interesse an einer Unterhaltung gehabt, was jedoch auch an stressigen Tagen gar nicht ihre Art gewesen war. Betty entließ ihre Enkelin selten ohne eine Aufklärung in ihr Zimmer, in das sie sich an den meisten Abenden zurückzog, um zu entspannen und ein wenig für die Abschlussprüfungen zu lernen. "Was ist denn los? Ist in der Bank etwas vorgefallen?" Linda dachte an die Frau mit den langen, blonden Haaren und der leicht gekrümmten Nase. Ein Gesicht, in dem Linda etwas zu erkennen glaubte ohne zu wissen, was genau das eigentlich war. Sie überlegte einen Moment, ehe sie sich dazu entschloss, ihrer Großmutter auf ihre Frage zu antworten. Es hätte sowieso keinen Sinn gemacht, ihre Gedanken für sich zu behalten. Schließlich war es kein unangenehmes Thema, auch wenn es Linda so sehr beschäftigte und sie wusste, dass Grandma nicht loslassen würde, ehe sie ihre Antwort bekam. Außerdem sollte sich Betty keine Sorgen um Linda machen müssen, und das würde sie definitiv tun, wenn sie nicht bald hinter die Gedanken ihrer Enkeltochter kam. Linda wusste gar nicht genau, an welcher Stelle sie ihre Gedanken in Worte verwandeln sollte. "Ich weiß auch nicht. Zumindest gab es keinen schlimmen Zwischenfall oder so. Aber ich habe heute jemanden gesehen und ich bekomme diese Person einfach nicht mehr aus meinem Kopf…" Während Linda sich ihre nächsten Worte sorgfältig überlegte, hegte Betty einen ersten Verdacht und setzte ihrem zuvor noch nachdenklichen Gesicht ein freches Grinsen auf. "So, so… sieht er gut aus?" Linda verstand nicht ganz, was sie dazu veranlasste, sich ihre soeben selbst gesprochenen Worte noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Natürlich, wie sollte Grandma Betty bei ihrer seltsamen Wortwahl auch wissen, dass sie nicht von einem jungen Mann, sondern von einer mehr oder weniger sonderbaren Frau sprach? Schnell schüttelte sie den Kopf und klärte sie auf, was Bettys Grinsen augenblicklich wieder verschwinden ließ. "Wie, eine Frau?" Nun war es an Betty gewesen, verwirrt zu sein. Linda bemühte sich um eine schnelle und einfache Aufklärung. Hätte Betty vorher gewusst, was Linda ihr gerade zu erklären versuchte, hätte sie nie nach Lindas Gedankengängen gefragt, obwohl es am Ende nicht viel geändert hätte.
Bettys Verdacht
Gebannt hörte Betty ihrer Enkelin zu, während die Falten auf ihrer Stirn mit jedem gesprochenen Wort tiefer und tiefer wurden. "Ich weiß es ja selbst nicht genau. Jedenfalls war sie blond und schlank und hübsch, sehr schick und vermutlich teuer gekleidet und machte einen unheimlich netten Eindruck auf mich. Ich habe nur kurz mit ihr gesprochen und sie dann in das Büro ihres Beraters geführt, bei dem sie einen Termin hatte. Aber irgendwie hat sie mich angezogen. Es fühlte sich an, als hätte ich sie schon einmal gesehen, als würde ich sie kennen, aber ein solches Gesicht hätte ich sicher nicht vergessen. Ich hätte mich erinnert, wenn ich sie zuvor gesehen hätte. Jedenfalls geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf." Betty hegte recht früh einen mehr oder weniger schlimmen Verdacht, der sich jedoch nur schleichend in ihren Gedanken verfestigte. Seit vielen Jahren war sie ständig auf der Hut gewesen und hatte diese ganz bestimmte Situation niemals ausgeschlossen, aber sie hatte stets gehofft, dass es nie passieren würde, dass sie einfach weiterleben konnten, wie bisher. "Wie hieß die Dame denn?" "Du weißt ja, dass ich dir das eigentlich nicht sagen darf, aber ihr Name ist Fiona Jones." Betty konnte im ersten Moment mit dieser Information nichts anfangen, beschloss aber, bei Gelegenheit nochmal genauer nachzuhaken. Diese ganze Geschichte bereitete ihr Unbehagen, aber es fiel ihr zum Glück nicht allzu schwer, diese Unsicherheit vor Linda zu verbergen. Stattdessen atmete Betty tief durch, behielt ihre Gedanken für sich und versuchte, ihrer Enkelin einen Rat zu geben, auch wenn Betty sich in diesem Moment ein wenig hilflos vorkam. "Nun. Wir alle haben doch manchmal Momente in denen wir denken, das haben wir schon mal erlebt oder wir begegnen Personen, von denen wir glauben, sie zu kennen, dabei sind sie völlig Fremde. Ich denke, das wird mit der Zeit vergehen. Vielleicht wirst du sie noch öfter in eurer Filiale sehen, aber ich bin mir sicher, dass da nichts dahintersteckt. Wieso sollte es auch?" Grandma hatte wohl recht. Linda sollte die Sache vergessen, die Dame war einfach nur eine Kundin, die eben etwas mehr Aufsehen erregte, als andere Kunden. Linda stand auf, drückte ihrer Oma einen Kuss auf die Wange und sagte: "Danke, Grandma. Ich bin in meinem Zimmer." Linda wandte sich bereits zum Gehen, als Betty noch eine letzte Sache einfiel: "Ach, Linda? Was wollte diese Kundin denn bei euch?" "Sie hatte einen Termin bei Mr. Watts für ein Beratungsgespräch. Es ging um einen Kredit für ein Haus oder sowas." Wieder eine Information, die Betty am liebsten nie gehört hätte. Konnte es tatsächlich sein…? Betty schob diesen Gedanken weit von sich und wünschte Linda eine gute Nacht.
Als sie einige Stunden später noch einmal nach Linda schaute war sie nicht überrascht zu sehen, dass sie bereits tief und fest schlief. Leise schlich Betty über den Flur und ging in ihr eigenes Schlafzimmer. Sie knipste das kleine Nachtlicht an, holte einen Schlüssel aus der untersten Schublade ihres Nachtschränkchens heraus, ging zur Kommode schräg gegenüber und öffnete die vorletzte Schublade mit dem Schlüssel. Dieser Teil der Kommode war der einzige, der stets verschlossen war, wo Betty all ihre wichtigen und ganz privaten Unterlagen aufbewahrte sowie einige Kleinigkeiten, die aus ihrer Vergangenheit übrig geblieben sind und die sie unter Verschluss halten wollte. Nicht, dass sie Angst gehabt hätte, jemand könnte etwas Schlimmes entdecken und einen schlechten Eindruck von Betty erlangen. Außer ihrer Enkelin und Betty selbst hatte ohnehin niemand Zugang zu diesem Zimmer, aber in dieser Kommode befand sich etwas, das auch – oder vor allem – Linda niemals finden durfte. Etwas, das sich in einer alten, braunen Ledermappe befand, an manchen Stellen abgegriffen und trotzdem noch weich und glatt. Was den Inhalt betraf, so wäre es vielleicht besser gewesen, Betty hätte ihn vernichtet oder gar verbrannt, aber einerseits hatte sie die Pflicht, diese wichtigen Dokumente aufzubewahren und andererseits waren sie schlichtweg zu wichtig. Vielleicht wurden sie eines Tages doch noch gebraucht, sollte sie jemals den Mut finden, die Papiere aus der Mappe herauszunehmen und sie Linda zu zeigen.
Betty suchte nach etwas ganz bestimmtem und wurde schnell fündig. Sie überflog das alte Blatt Papier, das seit vielen Jahren nicht mehr gefaltet worden war ohne die Worte genau zu lesen. Das war auch gar nicht nötig, denn Betty wusste sehr wohl, worauf ihre Augen gerade ruhten, während sie noch immer auf der Suche war. Sie suchte einen Namen, einen