Die Flucht Dan O'Flynns und seiner fünf Gefährten von der spanischen Kriegskaravelle war vereitelt worden, und jetzt saßen sie in einer Zelle im Stadtgefängnis von Panama. Dabei brannte ihnen die Zeit unter den Nägeln, denn in Panama hatten sie ein Schiff «besorgen» wollen, um die Kameraden von den Galápagos-Inseln abholen zu können. Und sollten sie von einem gewissen Generalkapitän verhört werden – wie ihnen das angekündigt worden war -, dann konnte der Schwindel sehr schnell auffliegen, daß sie gar nicht die letzten Überlebenden der «San Lorenzo» waren. Dan O'Flynn wußte nur eins: Sie mußten raus aus diesem verdammten Bau, bevor die Dons begriffen, daß sie es mit englischen Freibeutern zu tun hatten…
Al Conroy blies die Flamme seiner Lunte an, kauerte sich zwischen den Culverinen auf den Sandsack und wartete geduldig. Der Bug der spanischen Kriegs-Galeone wuchs hinter dem Heck der Schebecke und würde in ein paar Atemzügen in deren Heckwelle einschwenken. Bewaffnete Männer hoben ihre Oberkörper über das Schanzkleid, und aus ihren Brustpanzern und runden Helmen ließ die Sonne funkelnde Sichtreflexe zucken. Musketenläufe richteten sich auf die Schebecke, aber noch war die Entfernung zu groß. Jetzt wurde die Schebecke der Seewölfe langsamer – ein bewußtes Manöver – und die Galeone holte Yard um Yard auf. Und schon begannen die Dons ihren Feuerzauber…
Schon die erste Breitseite der «Isabella» lag voll im Ziel. Der Großmast der «Tobago» wurde über Bord gefegt, ein Teil des Vorderkastells zersplitterte unter den Einschlägen der Kugeln, die Blinde knickte ab. Dann halste die «Isabella», schwang herum und war bereits in Schußposition, bevor der Gegner seine erste Salve abgefeuert hatte. Edwin Carberry, der eiserne Profos, brach in ein höhnisches Gelächter aus. Das wollten Piraten sein – die Kerle auf der «Tobago»! Und schon feuerte die «Isabella» ihre zweite Breitseite auf den Gegner…
Es waren Schwertwale, schwarze, pfeilschnelle Leiber, sechs bis acht Yards lang, mit den unverkennbar hohen, schwertförmigen Rückenflossen. Sie hatten den mächtigen Pottwal geortet und schossen ihm entgegen. Der Gigant befand sich jetzt in unmittelbarer Nähe des Bootes der Seewölfe und der schwankenden Eisscholle, auf der die Schiffbrüchigen hockten. Nur etwa zwölf Yards offenes Wasser lagen zwischen dem Riesen und dem Boot – und dieses Wasser wurde im nächsten Augenblick aufgewühlt, als beginne es zu kochen. Die Mörderwale griffen an – nicht die Menschen, sondern die mächtige Beute, die sie jagten. Aber für die Männer inmitten dieses Hexenkessels bedeutete das keinen Unterschied…
In der qualvollen Enge unter Deck, mitten im Gestank, ohne frische Luft und im ständigen Hagel losgerissener Gepäckstücke, hockten und kauerten die Auswanderer der «Discoverer» und hofften, daß am Morgen alles besser sein würde. Aber jedes einzelne Geräusch wurde lauter und durchdringender. Alles nahm eine bedrohliche Bedeutung an. Der kreischende Orkan dort draußen, von dem nur ein winziges Lüftchen durch die verschalkten Luken unter Deck drang und sich mit dem ekelerregenden Gestank vermischte, würde die Segel und Taue zerfetzen und die Rahen und Masten zersplittern. Die Wellen, die mit dem Dröhnen von Kanonen gegen die Bordwand donnerten, würden bald die Planken in Kleinholz und Splitter verwandeln. Längst hatte die Todesangst die Auswanderer gepackt…
Der Seewolf hatte den Schatz der Malteser-Ritter gefunden, und er würde ihn dorthin bringen, wo er hingehörte – nach Malta. Aber Malta war weit, und viele Hunde waren des Hasen Tod. Sie hetzten hinter der «Isabella» her – Piraten, Halunken, Halsabschneider und Totschläger, ein wilder Haufen wüster Gesellen, deren Handwerk die Piraterie war. Jetzt ging es um alles oder nichts, und die Seewölfe würden zeigen müssen, was in ihnen steckte. Eins stand fest. Sie würden den Schatz mit Klauen und Zähnen verteidigen…
Nur vier Seewölfe hatten das Piratenschiff Khai Wangs geentert, jenes Mannes, der als die Geißel des Gelben Meeres eine traurige Berühmtheit erlangt hatte. Diese vier Seewölfe waren Dan O´Flynn, Smoky, Matt Davies und Sam Roskill. Und jetzt zeigten sie den Zopfmännern, was sie unter Kämpfen verstanden. Mit einer unglaublichen Verbissenheit setzten sie sich gegen die Übermacht der chinesischen Piraten zur Wehr. Die Zopfmänner waren völlig perplex. Schon hatten die vier Seewölfe mehr als acht Mann flachgelegt. Sie waren schnell und flink mit dem Messer, hart mit den Fäusten und blitzschnell beim Zuschlagen…
Die Entfernung zu der spanischen Kriegsgaleone im Kielwasser der «Empress» mochte etwas mehr als zweihundert Yards betragen. Batuti überbrückte sie mit seinem Schuss mühelos. Er brauchte sich nicht einmal anzustrengen. Außerdem segelte die Galeone dem Pfeil entgegen. Er schlug auf der Back des Spaniers ein und explodierte mit infernalischem Krach. Zwei behelmte Spanier durchbrachen die vordere Balustrade und stürzten hinunter aufs Galionsdeck. Auf der Back wurde gebrüllt, als ginge die Welt unter. Die «Empress» vergrößerte inzwischen die Distanz zur Galeone, was für Batuti kein Handicap war. Er feuerte jetzt mit Brandpfeilen, assistiert von Philip junior, der ihm die Pfeile zureichte…
Urplötzlich lösten sich Schatten von Gestalten aus der Dunkelheit. Knüppel hieben auf die Seewölfe ein. Eine Nachhut von Soldaten war eingetroffen und hatte sich lauernd auf beiden Seiten des Schenkenausganges bereitgestellt. Der Angriff erfolgte zu überraschend. Hasard und seine Männer waren überrumpelt. Unter Hieben, Tritten und Gebrüll wurden sie zusammengedroschen. Hasard sah noch, wie neben ihm Carberry auf die Knie sackte. Dem Profos gelang es zwar, zwei Schergen des Kaisers mit den Köpfen aneinanderzuknallen, aber dann saß ihm ein Chinese im Nacken und schlug ihm den Knüppel auf den Hinterkopf. Der Profos kippte vornüber. Dann wurde es auch dunkel um den Seewolf…
Die in Lee befindliche spanische Kriegsgaleone drehte mit ihrem zerschossenen Ruder nach Luv hoch und rammte das Achterschiff der anderen Kriegsgaleone. Ihr Bugspriet bohrte sich durch eins der Fenster der Seitengalerie und verhakte sich dort. Im Nu war der Teufel los. Die Bugsprietstenge der Galeone ging zu Bruch, und die Galionsfigur, ein Einhorn, erschien in der Kammer des Schiffsarztes, der fluchtartig und voller Panik an Deck stürzte. Er dachte wohl, der Teufel habe sich in ein Einhorn verwandelt – mit der Absicht, ihn aufzuspießen. Eine hübsche weibliche Galionsfigur wäre dem Schiffsarzt bestimmt willkommener gewesen, aber bei dem grimmigen Einhorn gingen ihm die Nerven durch…