Edwin Carberry ließ ein Boot des Gegners, das er aufs Korn genommen hatte, kurzerhand rammen. Mit einem Satz enterte er über. Wie es der Zufall wollte, handelte es sich um Robert Parsons Boot. Drakes erster Offizier wurde weiß im Gesicht, als er sich zum zweiten Male an diesem Abend den Riesenpranken des Profos ausgeliefert sah. Zum zweiten Male an diesem Abend mähte Carberry Drakes Ersten von den Füßen. Nur gab es diesmal keinen Fußboden, von dem sich Parsons wieder aufrappeln konnte. Er versank gurgelnd, tauchte wieder auf und flüchtete schwimmend zum Kai…
Der Ausguck im Großmars der Kriegsgaleone «Candia» stieß einen würgenden Laut aus, denn was sich von Steuerbord achtern heranschob, sah in dieser Regennacht wie eine gewaltige Gespenstererscheinung aus. Lautlos drängte das Ungeheuer heran, und plötzlich schlug es seine Krallen in das Schanzkleid der «Candia». Erst da fiel es dem Ausguck wie Schuppen von den Augen – Enterhaken! «Alarm!» schrie der Ausguck. «Wir werden geentert!» Aber es war zu spät, viel zu spät, denn wie ein Ungewitter fielen die Seewölfe über ihre Beute her…
In Cadiz versengte Admiral Drake dem König Phillip von Spanien den Bart, und daran hatte Philip Hasard Killigrew, Kapitän der «Isabella» auch gar nichts auszusetzen. Aber was ihn erboste und rebellieren ließ, war die Tatsache, daß der sehr ehrenwerte Admiral auch über Schiffe herfiel, die weder die spanische noch die portugiesische Flagge führten. Und die Gebote der Menschlichkeit wurden ebenfalls mißachtet. Darum setzte sich die «Isabella» von dem Verband ab, aber bei den Azoren begegneten sie sich wieder, und da zahlte der Seewolf zurück…
Hasard raste über den Wehrgang, duckte sich hinter den schweren Vierundzwanzigpfünder, wuchtete ihn herum und justierte ihn. Der wuchtige Lauf war genau auf den Munitionsturm gerichtet. Er zündete die Lunte, wich zurück und warf sich hin. Wummernd brach der Schuß aus dem Rohr – und dann war der Teufel los. Der Schuß mußte mitten in den Pulvervorräten gelandet sein. Eine gewaltige Explosion fetzte den Turm auseinander, als sei er ein Kartenhaus. Die Druckwelle fegte Hasard von der Plattform des Wehrgangs…
Es war, als hätten Geisterhände den Segler von der Pier gelöst. Langsam, dem Auge kaum sichtbar, begann er zu treiben – auf das Achterschiff der «Isabella» zu. Die Seewölfe schauten sich verblüfft an. Auf dem Segler befand sich kein Mensch. Was sollte das? Sekunden später wußten sie es, denn mittschiffs auf dem Segler zuckte ein Feuerschein auf, und von dort wiederum lief eine Feuerspur wie rasend über das Schiff, setzte das Deck in Brand und umlohte die Aufbauten. «Ein Brander!» brüllte Ferris Tucker, der Schiffszimmermann der «Isabella». Und da wußten die Seewölfe, daß sie nur noch ein Wunder retten konnte…
Parece Vela – diese Insel erschien ihnen wie das Paradies. Liebenswürdige Eingeborene, Blumenkränze zur Begrüßung, Geschenke und hübsche Mädchen, das alles versetzt die Seewölfe in Staunen. Doch die herrliche Insel hat auch ein anderes Gesicht. Das entdecken sie in einer Talsenke, als sie Knochen und Überreste spanischer Uniformen finden und eine große Statue mit zwei Gesichtern. Als der Vollmond scheint, fallen die freundlichen Eingeborenen wie reißende Bestien über die Seewölfe her, um sie abzuschlachten und das Schiff zu verbrennen, so, wie sie es mit den Spaniern schon getan haben. Aber nicht nur die Seewölfe stecken in Schwierigkeiten. Auch auf die Rote Korsarin wartet das Schicksal. Khai Wang, ein chinesischer Pirat, die Geißel des Gelben Meeres genannt, jagt sie erbarmungslos. Er will die Mumie, den legendären Mandarin, den der schwarze Segler an Bord hat.
Die Schmach, die Caligula ihm angetan hatte, indem er ihn auspeitschen ließ, hatte Jean Ribault nicht vergessen. Alles in ihm schrie nach Rache. Und er fand eine Bundesgenossin in der Roten Korsarin, die ebenfalls Rache wollte. Gegen den Rat des Wikingers warteten Ribault und die Rote Korsarin die Rückkehr des Seewolfs nicht ab, sondern verließen die Schlangeninsel und begannen ihren Rachefeldzug gegen die Black Queen und Caligula. Sie wußten, daß die Queen ihren geheimen Schlupfwinkel in der Todesbucht auf Grand Cayman hatte. Weder Ribault noch Siri-Tong, die Rote Korsarin, begingen den Fehler, die beiden zu unterschätzen. Sie wußten genau, welch ein riskantes und tödliches Unternehmen es war, sich in den Schlupfwinkel der Schwarzen Piratin einzuschleichen. Und wieder spürten sie dabei das Grauen, das über jener Bucht des Todes lagerte. Doch dann wurden sie entdeckt. Caligula begann mit allen seinen Männern und Schlagetots eine erbarmungslose Jagd. Es gab einen Kampf auf Leben und Tod – aber die Rote Korsarin und Jean Ribault unterlagen schließlich der gewaltigen Übermacht. Hohnlachend trat Caligula vor sie. Er ließ keinen Zweifel daran, was ihnen jetzt blühte: ein Tod, wie ihn noch keiner gestorben war. Als die Queen in die Bucht zurückkehrte, sprach sie das Todesurteil. «Werft beide in den Vulkankrater am Auge der Götter. Das wird uns die Feuergötter gewogen machen, sie lieben solche Opfer…» Der Berg begann am Auge der Götter zu grollen. Es schien, als hätten die Feuergötter verstanden und warteten nun begierig auf das ihnen versprochene Opfer…
Im fahlen Licht des Mondes glitten drei Schiffe an der Bucht vorbei, in der die spanischen Kriegsgaleonen vor Anker gegangen waren. Schluckend starrte Pinora, der spanische Verbandsführer, zu dieser unheimlichen Prozession. Niemand war dort an Bord zu sehen, kein Licht brannte. Die drei Schiffe schienen auf dem Wasser zu schweben. Da waren ein gewaltiger Viermaster mit schwarzen Segeln, ein ebenso düsterer Zweidecker und eine schlanke Galeone, die voraussegelte. Das Mondlicht ließ sie tatsächlich wie Geisterschiffe erscheinen, die von unsichtbaren Mächten gesegelt wurden. Entsetzt sah Pinora, daß auf allen drei Schiffen die Kanonen ausgerannt waren…
Diese Insel, Schlupfwinkel der Mardengo-Piraten, hatte Haken und Ösen, und Hasards Landetrupp war auf alles gefaßt, als er in das Innere vordrang. Einer Fallgrube waren die Seewölfe bereits ausgewichen, ebenso einer Schußanlage, von der ein Giftpfeil abgezischt war. Kurze Zeit später mußten die Seewölfe Schlingen und Fallstricken ausweichen, die kreuz und quer über den Boden verteilt waren. Sie atmeten auf, als sie auch diese Hindenisse hinter sich gebracht hatten. Doch das war noch nicht alles. Plötzlich ertönte vor ihnen der Schrei eines Urwaldvogels. Batuti stieß einen zischenden Warnlaut aus. Hasard und Dan O'Flynn ließen sich zu Boden gleiten – keinen Augenblick zu spät. Vor ihnen krachte es im Dickicht, eine Kugel sirrte heran und strich über sie weg…
Es war nicht allein das entsetzliche Unwetter, das sich im Südwesten der Schlangeninsel über der Karibik zusammenbraute und die Bewohner der Schlangeninsel beunruhigte. Ihre Sorge galt Arkana, der Schlangenpriesterin, die sich mit ihrer Galeone «Mocha II.» genau dort befand, wo das Unwetter losbrechen würde. Kein normaler Sturm, kein Hurrikan – nein, das war etwas, was keiner der Bewohner der Schlangeninsel je erlebt hatte. Und jedermann auf der Insel wußte, das die kleine und alte Galeone Arkanas diesem Wetter nicht standhalten würde. Schwefelgelb stieg es aus der See empor, und schließlich schien der ganze Himmel in düsterem Violett zu glühen. Arkana schaffte es gerade noch, die Bucht einer der Calcos-Inselns als Nothafen mit ihren Schlangenkriegerinnen anzulaufen. Aber das half ihr nichts – denn dort lauerte eine noch viel größere Gefahr auf Arkana und ihre Kriegerinnen: Die neue Herrscherin über die Karibik, die «Black Queen». Daß sie ihren Namen nicht zu unrecht führte, bekamen Arkana und ihre Schlangenkriegerinnen zu spüren, denn sie schlug mit einer Härte zu, wie sie noch nicht einmal die kampferfahrene und kampfgewohnte Schlangenpriesterin erlebt hatte. Doch dann beging die «Black Queen» ihren ersten schweren Fehler, sie forderte den Fluch des Schlangengottes heraus…