Toter Dekan - guter Dekan. Georg Langenhorst

Читать онлайн.
Название Toter Dekan - guter Dekan
Автор произведения Georg Langenhorst
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783429062842



Скачать книгу

der Kulturschickeria zu tun haben.“

      „Elmar versucht sein Leben ganz konsequent an Jesus auszurichten“, fiel unvermittelt seine Kollegin ein. „Aber das ist gar nicht so leicht. Wie lebt man das heute in unserer Gesellschaft, eine Nachfolge Jesu? Jedenfalls habe ich davor großen Respekt. Ich selbst könnte das so nie.“

      „Ja und Sie, was machen Sie denn als Frau in der Theologie?“, fragte Beate Kellert nach, bevor Elmar Maria Brandtstätter zu einer weiteren Rede anheben konnte, was er offenbar sehr gern zu tun pflegte. Klara Mechtersheim überlegte, was sie antworten sollte. Bernd Kellert, nun doch interessiert an dem von seiner Frau eingeschlagenen Gesprächspfad, setzte nach: „Ja, und dann noch als einzige Frau im Kollegium. Das ist doch bestimmt nicht einfach, oder?“

      „Nun zunächst mal gibt es ja bei uns im Mittelbau durchaus noch einige weitere Frauen“, begann die Religionspädagogin, „aber im Professorium bin ich die einzige, das stimmt. Deswegen bin ich ja auch so froh, dass Elmar, also Professor Brandtstätter, mich immer wieder unterstützt. Aber Sie haben schon ganz Recht“, hier wandte sie sich an Beate Kellert. „Bei uns in der Katholischen Theologie gibt es noch nicht lange Professorinnen. Qualifizierte Bewerberinnen gibt es natürlich genug, aber …“

      „Aber was?“, fragte ihre Gesprächspartnerin nach. „Nun“, mischte sich Brandtstätter ein: „Das ist so: Manche Bischöfe wollen nicht, dass ihre zukünftigen Priester von Frauen ausgebildet werden. Deren Theologie passt ihnen nicht und überhaupt: Dass man sich von Frauen etwas sagen lassen soll, dass Frauen diese Kompetenzen mitbringen, das passt bei manchen einfach nicht in das Weltbild. Und diese Auffassung teilen leider auch einige meiner Herren Kollegen. Die wollen auch lieber unter sich bleiben. Da haben Frauen in Berufungsausschüssen von vornherein keine Chance.“ „Hatte auch Dekan Gerstmaier diese Einstellung?“, wollte Kommissar Kellert wissen. „Na, der an erster Stelle“, knurrte Professor Brandtstätter zurück.

      „Aber Sie sind ja doch Professorin geworden. Wie kam denn das?“, fragte Beate Kellert verwundert nach.

      „Ach, der Elmar malt das ein bisschen zu schwarz-weiß. Es gibt durchaus Bischöfe, die uns Frauen in der Theologie fördern. Und das gilt auch für die meisten meiner Kollegen. Doch, Elmar!“, beharrte sie, als sie sah, dass ihr Gegenüber protestieren wollte. „Inzwischen gibt es in Deutschland schon einige Theologieprofessorinnen. Klar, es könnten mehr sein, aber lass uns mal ein paar Jahre abwarten. Das wird schon noch ganz normal werden. Also es ist so. Sie wandte sich wieder an die Kellerts. „Die weit überwiegende Mehrheit der Theologiestudenten will gar nicht Priester werden. Nein, fast alle studieren Theologie, weil sie Religionslehrerin oder Religionslehrer werden wollen, wenige andere Journalisten, Pastoralreferenten oder was weiß ich. Und von denen sind drei Viertel weiblich. Mindestens! Und es wäre doch absurd, wenn eine überwiegend weibliche Studierendenschaft von ausschließlich männlichen Lehrenden ausgebildet wird, oder?“

      „Na ja“, fuhr sie fort, nachdem sie einen Schluck Mineralwasser getrunken hatte, „und deshalb gibt es inzwischen fast überall mindestens eine Professorin.“ – „Alibiprofessorin“, rief Brandtstätter dazwischen – „Das muss man nicht so sehen, Elmar! Gut, ich bin jedenfalls Religionspädagogin, das ist ein Fach, das die ‚hohen Herren‘ eh nicht so ernst nehmen. In den theologischen Kernwissenschaften, also Dogmatik und Moraltheologie, da ist es für uns Frauen noch viel schwerer. Aber mir gefällt dieser Freiraum. Ich kann forschen und sagen, was ich will, das ist ein echter Vorteil. Außerdem habe ich die bei weitem größten Studierendenzahlen in meinen Veranstaltungen. An mir kommt keiner vorbei, der irgendetwas mit Theologie zu tun hat. Das sehe ich als große Chance.“

      „Und wie wird man Professorin?“, hakte Beate Kellert nach, die nun wirklich neugierig geworden war. „Ach so, ja! Bei mir war das so: Ich habe Theologie und Mathematik studiert.“ „Tatsächlich?!“, entfuhr es dem Kommissar, bei dem das Wort Mathematik wohl unangenehme Erinnerungen an quälende Schulstunden hervorrief. „Ja, das hört sich zunächst komisch an, nicht wahr?“, gestand die Professorin, um dann jedoch unbeirrt weiterzusprechen. „Aber Sie glauben gar nicht, was die beiden Fächer alles gemeinsam haben.

      Die innere Logik, die klare Struktur, die … oh“ – sie sah, dass ihre Gesprächspartner ihre spontane Begeisterung nicht teilten – „Entschuldigung, ich schweife ab. Nun, dann habe ich mein Referendariat gemacht und drei Jahre an einem Gymnasium gearbeitet, das hat mir auch richtig Freude bereitet, meistens zumindest.

      Und dann kam die Anfrage von meinem Professor aus Freiburg, wo ich ja studiert hatte, ob ich nicht bei ihm eine wissenschaftliche Assistentinnen-Stelle annehmen wollte, verbunden mit einer Promotion. Nach kurzem Überlegen habe ich zugestimmt. Ja, und dann ging alles seinen Gang. Erst die Doktorarbeit, dann die Habilitation, dann der Ruf hierher nach Friedensberg. Das war vor sechs Jahren und seitdem bin ich hier. So war das“, schloss sie ihre Ausführungen ab.

      Inzwischen hatte der Kellner das Essen gebracht und die beiden später Hinzugekommenen ließen es sich schmecken, während die beiden anderen in Ruhe ihren Rotwein genossen. „Und Gerstmaier?“, fragte Kommissar Kellert nach einigem Nachdenken. „Hat der nicht etwas gegen Ihre Berufung unternommen, wenn er doch so ein Frauenhasser war, wie Sie gesagt haben“, hiermit wandte er sich an Brandtstätter.

      „Moment“, murmelte dieser zwischen zwei großen Pizzabrocken, trank einen großen Schluck Bier und ergänzte dann: „Frauenhasser, das habe ich nicht gesagt. Er wollte bloß keine Frau als Kollegin in der Theologie. Das ist etwas anderes. Aber ja doch, klar, er hat einiges auf die Beine gestellt damals, um die Berufung von Kollegin Mechtersheim zu verhindern!“ „Elmar“, warnte ihn seine Kollegin und legte ihm die Hand auf den Arm, „das gehört jetzt aber nicht hierher!“

      „Doch, doch, lass mich nur, was wahr ist, ist wahr“, meinte dieser nur, schüttelte ihre Hand ab und schnitt sich den Pizzarest in mundgerechte Happen. „Also, ich dürfte Ihnen das jetzt offiziell nicht erzählen, weil es unter das Dienstgeheimnis fällt, aber erstens soll man Jesus zufolge sowieso eigentlich niemals irgendwelche Eide schwören, also auch keinen Diensteid, zweitens ist das ja schon lange vorbei und drittens ist Gerstmaier ja nun tot. Er hat ein Sondergutachten geschrieben, in dem er die Qualifikation von Klara anzweifelte. Und der Bischof wollte dem auch schon nachgeben.“

      Er überlegte kurz, redete dann aber weiter: „Da hat die Frauenbeauftragte der Gesamtuni, Kollegin Bartels-Fritsche von der Germanistik, sich eingeklinkt und mächtig Druck gemacht. Wir haben zwei Zusatzgutachten von auswärtigen Fachkollegen eingeholt, die die Qualifikation eindeutig bestätigt haben, und Frau Bartels-Fritsche hat angedroht, im Falle einer Änderung der Berufungsliste zuungunsten von Kollegin Mechtersheim nicht nur im Ministerium zu protestieren, sondern sich auch an die Presse zu wenden. Ob eine solche Fakultät überhaupt noch staatlich tragbar sei und so. Da haben die Herren schnell den Schwanz eingezogen!“ – „Elmar!“ – „Ist doch wahr! Und es übrigens auch nicht bereut. Klara Mechtersheim macht hervorragende Arbeit!“

      Sichtlich geschmeichelt trank die so Gelobte einen weiteren Schluck, während ihr Kollege sich über die restlichen Pizzastücke hermachte. Kommissar Kellerts Neugier war aber noch nicht befriedigt: „Und Ihr Verhältnis zu Dekan Gerstmaier, hat das nicht unter dieser Vorgeschichte gelitten?“, wandte er sich an die Professorin.

      „Das war kein Verhältnis, Herr Kommissar“, gab diese ruhig, aber bestimmt zurück. „Wir haben in den sechs Jahren, seitdem ich hier bin, keine zehn vernünftigen Sätze miteinander gesprochen. Der hat mich einfach ignoriert. Das war mir aber irgendwie auch am liebsten so.“ „Ja, aber dass er dir die Böhm nehmen wollte, das war schon eine Frechheit!“, polterte Brandtstätter dazwischen.

      „Wie, was?“, wollte Kellert wissen. „Ach, das war so“, erklärte die Professorin, der das Thema sichtlich unangenehm war. „Seit drei Jahren habe ich eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, Caroline Böhm. Deren Promotion ist fast fertig und ich möchte sie gern weiter an meinem Lehrstuhl beschäftigen. Vor ein paar Monaten schickte mir Gerstmaier dann aber ein Schreiben mit der Mitteilung, dass meine Assistentinnen-Stelle gestrichen werden sollte. Einfach so. Ohne Erklärung. Ohne Abstimmung im Fakultätsrat. Das habe ich mir natürlich nicht gefallen lassen und protestiert.“

      „Ja,