Название | Toter Dekan - guter Dekan |
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Автор произведения | Georg Langenhorst |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429062842 |
Hobi kannte die Ehefrau und die spät geborene Tochter des Prodekans, die immer mal wieder in der Fakultät vorbeischauten.Sophies Grundschule lag gleich um die Ecke. Seine Tochter war sein Ein und Alles. Gerade weil er ein später Vater war, liebte er dieses Kind – ‚fast mehr als seine Frau, wenn man nach dem äußeren Eindruck geht‘, dachte die Dekanatssekretärin immer wieder, ‚aber die beiden haben ja auch lange genug auf ihren kleinen Sonnenschein warten müssen‘. Sie wusste auch, dass Kösters an einem großen Kommentar zum Johannesevangelium schrieb, eine Arbeit, die ihm alle Konzentration und Kraft abverlangte.
„Aber was sollen wir tun, Herr Kösters?“, fragte sie im Wissen, bei ihm den Zusatz „Herr Professor“ weglassen zu dürfen, was beileibe nicht bei allen Kollegen im Hause angesagt war. „Ich weiß ja, ich weiß“, seufzte dieser, während er sich das Haar zurechtstrich. „Ich werde all das aufschieben müssen. Ob ich will oder nicht, als Prodekan muss ich jetzt die Fakultät führen. Ich habe heute Morgen schon die offizielle Bestätigung vom Präsidenten der Universität erhalten. Schauen Sie hier!“ Er zog ein Blatt von einem der Papierstapel und las laut: „… wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand und viel Geschick in der Behandlung der unliebsamen Angelegenheit.‘ Unliebsame Angelegenheit, der ist gut! Ein Mord, hier bei uns! Eigentlich unfassbar! Und alle anderen Geschäfte müssen ja auch weitergehen.“
Dann blickte er auf die Uhr. „Wo bleibt er denn, der Herr Kommissar, hat sich doch für zehn Uhr angesagt?“ In diesem Moment führte Verena Obmöller, die studentische Mitarbeiterin im Dekanat, Kommissar Kellert ins Zimmer. „’tschuldigung, habe nicht gleich einen Parkplatz gefunden“, murmelte er, bevor er der Sekretärin und dem Prodekan die Hand reichte, „schön, dass Sie Zeit haben!“ „Nun ja, wir müssen die Angelegenheit ja klären“, meinte Kösters und bot dem Kommissar den zweiten Besucherstuhl neben Frau Hoberg an. „Aber was können wir denn noch für Sie tun?“
„Ja, also zunächst wollte ich wissen, ob Sie nun herausgefunden haben, welche Unterlagen entwendet wurden“, wandte sich Kellert als Erstes an die Sekretärin. Die rutschte ein wenig auf dem Stuhl herum und antwortete dann: „Das kann ich leider nicht ganz genau sagen. Sehen Sie, ich bin jetzt seit zweiundzwanzig Jahren Dekanatssekretärin, und bei wirklich jedem meiner vielen Chefs wusste ich immer genau, wo sich alle Unterlagen befanden. Professor Gerstmaier war da anders. Der hat auch kaum mit dem Computer gearbeitet, alles noch auf Papier ausgedruckt. Der legte selbst seine Ordner und Mappen an, von denen ich keine Ahnung hatte. Die schloss er auch jeden Abend weg, darauf hatte ich keinen Zugriff. Ich weiß nicht, was fehlt. Von meinen Unterlagen nichts, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann.“
„Na kommen Sie“, Kellert zwinkerte ihr vertraulich zu, „so ganz an Ihnen vorbei wird er das doch nicht alles betrieben haben. Sie haben den Laden doch gut im Griff, das sieht man sofort. Haben Sie nicht doch eine Vermutung, was die Unterlagen betrifft, von denen Sie da eben sprachen?“
Hobi wurde ein bisschen rot über das Lob und die charmante Anrede, die sie von ihren Theologen nicht gewöhnt war. Mit einem koketten Lächeln gab sie zu: „Na ja, ich weiß es nicht genau, aber ich hatte so die Vermutung, dass das Personalunterlagen waren. Ganz am Anfang, als er Dekan wurde, musste ich ihm sämtliche Papiere über unsere Mitarbeiter kopieren. Und ich glaube, er hat die irgendwie ergänzt, mit persönlichen Daten und so. Aber bitte: Ich weiß das nicht genau, es ist nur eine Vermutung.“
„Hmm, interessant. Haben Sie denn schon mal in seinem abschließbaren Schrank nachgeschaut?“, wollte Kellert wissen. „Das konnten wir doch nicht“, mischte sich Kösters ein. „Ihr Mitarbeiter hat den Dienstraum des Dekans ja versiegelt, nachdem wir uns einen ersten Überblickt verschafft hatten.“ „Na, dann wollen wir mal“, sagte der Kommissar und stand auf. „Sie haben doch den Schlüssel zu seinem Dekanszimmer, oder?“
Die Sekretärin hielt wortlos einen gut bestückten Schlüsselbund hoch, nickte und folgte dem Polizisten zusammen mit Kösters auf den Flur, in das Treppenhaus, ein Stockwerk hoch und dann den Weg bis zum Dekanat. Kellert nahm den ihm gereichten Schlüssel, ritzte das Siegel durch, schloss die Tür auf und bat die beiden anderen einzutreten.
Sofort stiegen bei der Sekretärin Erinnerungsbilder hoch: Vorgestern hatte sie hier ihren Chef tot aufgefunden. Das schien ihr gleichzeitig unmittelbar nah, andererseits unendlich weit entfernt. Das gleißende Licht des Frühlingsmorgens, das durch die beiden Fenster in den hohen Raum hineinstrahlte, tauchte die Szenerie in eine fast unwirkliche Klarheit. Alles war wie immer: aufgeräumt und in penibler Ordnung. Nur die Blutflecken auf dem Teppich vor dem Schreibtisch störten. Sie waren zu einem braunroten Farbton eingetrocknet. Silvia Hoberg lief ein kalter Schauer den Rücken herunter. Sie schluckte dreimal. „Hier, bitte“, wies Kösters nach rechts zu einem blauen Metallschrank mit verschließbarem Rollgitter.
„Haben Sie dafür auch einen Schlüssel?“, fragte Kellert. Beide verneinten. „Den hatte nur der Dekan selbst“, kommentierte die Sekretärin mit säuerlicher Miene. Offenbar war das früher anders gewesen. Kellert brummelte etwas Unverständliches, durchsuchte lustlos den Schreibtisch, fand nichts und ging dann zum Schrank. Mit einem kräftigen beidhändigen Ruck schob er das Rollgitter beiseite: „Na also, geht doch!“
„Da fehlt etwas!“, rief die Sekretärin. „Schauen Sie hier!“ Tatsächlich, einer der blassgrauen Regalböden war leer. In den anderen türmten sich ungeordnete Papierstapel. ‚Erstaunlich, diese Unordnung in einem ansonsten so penibel aufgeräumten Zimmer! Seltsam!‘, dachte Kellert.
„Da lagen immer einige braune Hängeregistraturen, daran erinnere ich mich genau“, unterbrach die Sekretärin seine Gedanken. „Die sind mir immer aufgefallen, weil man die ja eben eigentlich hängt, aber da lagen immer sieben, acht Stück übereinander.“ „Und über den Inhalt …“ „… kann ich Ihnen nichts Genaues sagen, leider!“
„Gut, das ist ja immerhin schon etwas“, fasste Kellert zusammen und ließ den Blick durch das nüchtern und zweckmäßig eingerichtete Dienstzimmer des Dekans streifen. Dann wandte er sich an Prodekan Kösters: „Sie können den Raum dann reinigen lassen und wieder nutzen. Und vielleicht fällt Ihnen dabei ja doch noch etwas auf. Kommen Sie, gehen wir lieber zurück in Ihr Büro. Und Sie“, er drehte sich zu der Sekretärin herum, „brauche ich dann vorerst nicht mehr. Vielen Dank für alle Auskünfte. Ach, aber wenn Sie mir auch einen Kaffee bringen könnten, wäre ich Ihnen sehr verbunden.“
„So, und womit kann ich Ihnen noch dienen?“, fragte Prodekan Kösters, als die beiden Männer wieder in seinem Arbeitszimmer saßen. Ungeduldig hatte er auf die Uhr geschaut. Vielleicht bliebe ja doch noch wenigstens ein bisschen Zeit für seine Studien. Kellert hatte sich unterdessen im Zimmer umgesehen, deutete mit dem Daumen auf die kleineKinderzeichnung und fragte: „Von Ihrer Tochter?“ „Ja, schön, nicht wahr?“, antwortete der Professor und ein Strahlen trat in seinen Blick.
Dem Kommissar war aber nicht nach höflichem Geplauder zumute. Er blickte ihm scharf in die Augen. „Ich habe gehört, dass es vor zwei Wochen einen Konflikt in Ihrer Fakultät gegeben hat“, begann er, wurde aber von einem trockenen Lachen Kösters unterbrochen. „Haha, vor zwei Wochen? So was haben wir hier jeden Tag. Oder“, er dachte nach „hatten wir hier jedenfalls fast jeden Tag.“
„Ja, ich meine aber eine außergewöhnlich heftige Auseinandersetzung“, setzte Kellert nach, „zwischen dem Dekan und Professor Mühlhof.“ „Mühlsiepe heißt der, wenn Sie unseren Dogmatiker meinen!“ „Richtig, genau den!“ Kösters lehnte sich zurück, rollte mit den Augen und sagte dann: „Gut, also den Konflikt meinen Sie. Ja, der war tatsächlich außergewöhnlich.“ „Erzählen Sie schon!“, forderte der Kommissar ihn auf.
„Na