Illustration. Gail Anderson

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Автор произведения Gail Anderson
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783830730286



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an den Computer. Doch es gelang ihm nicht, seine Vorstellungen von einer wie geschnitzt wirkenden Schrift umzusetzen. Daraufhin besann er sich doch wieder auf die traditionellen Arbeitsweisen: Seine Buchstaben sind nicht nur handgezeichnet, sondern auch anders als in den üblichen Proportionen gestaltet – was tatsächlich den Eindruck erweckt, als wären sie mit einem Messer aus Holz geschnitzt worden.

      Um den gewünschten Effekt zu erzielen, ließ sich Vellekoop von alten handgezeichneten Arbeiten inspirieren, etwa von dem englischen Illustrator, Karikaturist und Maler Richard Doyle (1824–1883), der auch unter dem Pseudonym »Dick Kitcat« arbeitete. So entstand ein einzigartiger Schriftstil, der wie ein Echo aus der Vergangenheit schallt, ästhetisch und konzeptionell aber allein ihm zuzuschreiben ist. Sicherlich kann man Schriftarten mit zufälligen und sehr ungewöhnlichen Eigenheiten auch am Computer erzeugen, aber von Hand wirken sie in der Regel viel authentischer.

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      images Maurice Vellekoop, 1996

      »Once Upon a Time in Fairyland« (unveröffentlicht)

Figuren schaffen

      Emotional ansprechende Tiere

      Ausdruck durch Gesicht und Körper

      ________ Anthromorphismus, also das Übertragen menschlicher Eigenschaften auf Tiere, ist ein beliebtes Thema für Illustratoren. Weit verbreitet ist die Verwendung in Kinderbüchern, aber Tiere mit menschlichen Charakterzügen sprechen jedes Publikum an.

      Marion Deuchars Kinderbuch »Bob the Artist« über einen künstlerisch talentierten Vogel gefällt auch Erwachsenen. Es ist sehr unterhaltsam, spricht aber auch das ernste Thema Mobbing an. Die britische Illustratorin wollte die Gefühlsschwankungen des vermenschlichten Vogels zeigen, der von anderen geneckt wird. Dabei klingt auch Autobiografisches an: »Mit zwölf war ich ein Wildfang. Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal einen Rock anzog, um damit durch den Park zu gehen. Eben noch dachte ich für mich, ›sieh mal an, das ist doch gar nicht so schlecht, ich sehe okay aus‹, als ich auf einmal ein paar Mädchen kichern hörte. Sie zeigten mit dem Finger auf mich und riefen mir zu, ›das sind die dürrsten Beine, die wir je gesehen haben‹. Danach habe ich lange keinen Rock mehr getragen.«

      Bob hat genauso dürre Beine. Auf der hier gezeigten Doppelseite sieht man, wie Bob eben noch gut gelaunt ist, dann aber traurig weitergeht. Zeichnerisch ausgedrückt wird dieser Gefühlsumschwung durch die Winkel und die Haltung seiner langen Beine und seines Körpers. Die mit Fingerabdrücken dargestellte Katze, die sich über ihn mokiert, wirkt finster – man beachte den Ausdruck in ihren Augen. Die Eule dagegen, mit verschmierten Pinselstrichen illustriert, sieht ein bisschen betreten aus, als würde sie das, was die Katze sagt, nur nachplappern, um nicht auch von ihr kritisiert zu werden.

      Der Vogel Bob erweckt sofort Empathie im Betrachter. Wer erinnert sich nicht, an das Unbehagen eines unsicheren Teenagers?

      »Es ist fast, als würde man vergessen, wie man läuft, als ob die Gliedmaßen aus Gummi wären und nicht richtig funktionierten.«

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      images Marion Deuchars, 2016

      »Bob the Artist« Laurence King Publishing

      Voll auf die Zwölf

      Eine direkte Message

      ________ Manchmal ist die durch eine Zeichnung vermittelte Botschaft wichtiger als die Kunstfertigkeit ihrer Darstellung. Wenn man sich dabei beispielsweise auf ein oder zwei wesentliche Attribute konzentriert, kann das einer Figur schon wichtige Charakterzüge verleihen. Marc Boutavants »Yes Fox« ist eine von 15 Illustrationen, die der französische Künstler für die Zeitung Libération entwarf und die sommerliche Festivalaktivitäten zeigen. »Dieser Typ könnte jeder sein«, sagt Boutavant über seinen Fuchs, »und er ist bereit, sein gewöhnliches Leben hinter sich zu lassen.«

      In der Einfachheit der Darstellung befördert der Tiercharakter die Botschaft schneller, deutlicher und humorvoller, als wenn Boutavant eine menschliche Figur verwendet hätte. Zudem wollte er den Lesern inmitten dieser ansonsten überwiegend grau erscheinenden, kleingedruckten Zeitungsseiten ein Gefühl des Sommers vermitteln. Also wählte er einige besonders kräftige, sonnige Farben aus, die seinen Fuchs förmlich aus der Seite springen lassen. Die übertrieben dargestellte Geste des ein fröhliches Victoryzeichen machenden Fuchses in seinem auffallend roten Fell diente als Eyecatcher und überbrachte eine frohe Botschaft.

      »Ich weiß, dass das eine seriöse Zeitung für seriöse Leser ist«, meinte Boutavant, aber auch diese Leser würden bald ziemlich lustig aussehen, wenn sie in der Sommerhitze mit Schlabber-T-Shirts und bequemen Schuhen herumlaufen. So beschwört sein Bild nicht nur die Wärme und Helligkeit des Sommers, sondern auch eine heitere Leichtigkeit herauf.

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      images Marc Boutavant, 2010

      »Yes Fox« Libération

      Liebenswerte Kreaturen

      Ins Herz von Millionen kriechen

      ________ Eric Carles Pappbilderbuch »The Very Hungry Caterpillar« (deutsch: »Die kleine Raupe Nimmersatt«), 1969 erstmals veröffentlicht und im selben Jahr auch auf Deutsch bei Gerstenberg erschienen, wurde weltweit mehr als 30 Millionen Mal verkauft und begeistert bis heute (nicht nur) kleine und große Kinder.

      Ungewöhnlich ist die Entstehungsgeschichte dieses Kinderbuchbestsellers. Auf die grundlegende Idee kam Eric Carle, der damals noch als Werbegrafiker arbeitete, als er mit einem Locher einen Stapel Papier lochte, um diesen abzulegen. Zunächst dachte er an eine Geschichte über einen Bücherwurm. Daraus wurde ein grüner Wurm und schließlich auf Empfehlung seiner Redakteurin eine Raupe. Diese Raupe war ein bisschen pummelig und so liebenswert, dass sich Kinder überall auf der Welt sofort damit identifizieren konnten.

      Die sehr aufwendige und teuere Produktion des Pappbilderbuches mit seinen ausgestanzten Löchern und collageartigen Illustrationen bedeutete für den Verlag eine große Herausforderung – aber die Investition lohnte sich: Nicht zuletzt trugen diese Spezialeffekte zur Freude am Lesen bei.

      Eric Carle selbst sieht sich zuerst als Grafikdesigner, der es liebt, mit den dabei verwendeten Materialien umzugehen – etwa das »Papier in die Länge zu dehnen, seine Oberfläche, seine Größe, seine Löcher etc. zu fühlen«. Als Sohn deutscher Auswanderer im Jahr 1929 in den USA geboren, kehrte seine Familie 1935 nach Deutschland zurück. Von den Köstlichkeiten, die seine kleine, aber sehr hungrige Raupe Nimmersatt verspeist, konnte der kleine Eric nur träumen.

      Entscheidend für den weltweiten Erfolg des Buches aber ist wohl vor allem sein universelles Thema: Mit seiner kleinen Raupe Nimmersatt schuf Eric Carle eine die Freuden und Leiden des Erwachsenwerdens illustrierende Geschichte, die jeden Menschen anspricht. Überall auf der Welt. Oder um es in seinen eigenen Worten zu sagen: »Ich kann auch groß werden. Ich kann meine Flügel (meine Talente) auch ausbreiten und in die Welt fliegen.«

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      images Eric Carle, 1969

      »The Very Hungry Caterpillar« Philomel/Putnam Redakteurin: Ann Beneduce